Eine der Folgen der heutigen Demokratie sind die immer häufiger stattfindenden internationalen Beratungen und Zusammenkünfte. Die diesen Versammlungen zur Erörterung und Entscheidung anvertrauten Fragen werden immer umfangreicher und bedeutender, und die aus solchen Zusammenkünften hervorgehenden Verträge und Erlasse werden für die beteiligten Völker und deren Bürger immer mehr zu einer Lebensnotwendigkeit. Die Konferenz in London zur Einschränkung der Folttenrüstungen ist ein schlagendes Beispiel der Bedeutung solcher Zusammenkünfte, nicht allein für die an den Beratungen unmittelbar beteiligten fünf Mächte sondern auch für fast jedes andere Volk der Erde, ob groß oder klein.
Als „Bürger der Welt” (Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift von Mary Baker Eddy, S. 227) haben die Christlichen Wissenschafter hier eine Pflicht zu erfüllen, deren Wichtigkeit völliger und allgemeiner erkannt werden sollte. Sie sind sich in der Regel wohl bewußt, wie notwendig es ist, von der Knechtschaft der Krankheiten des leiblichen Körpers befreit zu werden; daß auch der politische Körper der gleichen Sorgfalt bedarf, scheint jedoch nicht immer so selbstverständlich. Infolgedessen ist die mentale Arbeit hauptsächlich auf das Heilen der Menschen gerichtet. Viel weniger andächtige Arbeit wird aber anscheinend dem Heilen nationaler und internationaler Zustände gewidmet. Obwohl die sittliche Umwandlung des einzelnen für die Verbesserung der wirtschaftlichen und politischen Zustände im allgemeinen von höchster Bedeutung ist, da diese durch das Verhalten und die Denkweise des einzelnen in großem Maße beeinflußt und bestimmt werden, so liegt doch zweifellos das dringende Bedürfnis vor, sich mit diesen Gesamterscheinungen unmittelbar zu befassen.
Wie interessant es ist, daß Mrs. Eddy die Schüler der Christlichen Wissenschaft „Bürger der Welt” nennt, wenn sie sie ermahnt, „die herrliche ‚Freiheit der Kinder Gottes‘” anzunehmen! Man darf wohl annehmen, daß wir diese volle Freiheit, die allein der von Paulus gebrauchten Bezeichnung „herrlich” würdig ist, nicht erlangen können, wenn wir nicht wirklich „Bürger der Welt” sind. Wir können keine allgemeine Freiheit erlangen, wenn wir versäumen, in die christlich-wissenschaftliche Vergegenwärtigung gewisse Erscheinungsformen des menschlichen Daseins einzuschließen, wodurch wir unsern persönlichen Teil zu der Wiedergeburt der Menschheit beitragen. Insbesondere muß ein engherziger und selbstsüchtiger Nationalismus dem geistigen Verständnis weichen, daß jedermann Bürger der Stadt Gottes ist, in der es tatsächlich jedermanns Anliegen und Wunsch ist, das Wohlergehen aller anderen zu fördern. Indem wir unsern Blick und unser Interessengebiet erweitern, werden wir in größerem Maße das Licht der Welt. Das Licht der Wahrheit durchdringt jede Einzelheit des persönlichen Daseins. Diejenigen, deren Blick sich erweitert, finden, daß in dem Maße, wie ihr Erkennen der Wahrheit allumfassender und ihr Verneinen des Irrtums und des Bösen unpersönlicher wird, die Heilung besonderer Fälle sehr gefördert wird. Der Grund hiefür ist klar: solche Vergegenwärtigungen kommen in dem Maße ihres weiteren Umfangs und ihrer Unpersönlichkeit dem Christusbewußtsein, wodurch christliche-wissenschaftliche Beweise erfolgen, näher.
Schon dies allein sollte uns veranlassen, uns die Wahrheit in immer umfassenderem Maße zu vergegenwärtigen und den Irrtum immer nachdrücklicher zu verneinen. Wie viel dringender wird dies noch, wenn wir einsehen lernen, daß wir die Christuskraft das Denken unmittelbar dort, wo über nationale und internationale Fragen entschieden wird, immer mehr durchdringen lassen müssen! Es kann die Einflüsterung sich geltend machen, daß es eine Vermessenheit sei zu glauben, daß unsere Gedankenarbeit die Weltangelegenheiten beeinflussen werde. Sobald jedoch das Licht wahrer Demut, das Verständnis, daß das Erkennen der Allmacht und Allgegenwart Gottes tatsächlich „Gott mit uns”—die Wahrheit mit uns, die Liebe mit uns, die göttliche Kraft mit uns—ist, zu dämmern beginnt, verschwinden persönliche, endliche Ansichten. Im Lichte der Vollkommenheit der göttlichen Schöpfung lernt man die Kraft der göttlichen Widerspiegelung durch den einzelnen erkennen und Jesu Ausspruch: „der Sohn kann nichts von sich selber tun, sondern was er siehet den Vater tun”, besser verstehen. So verlieren wir jenen falschen Sinn von Demut, der uns so leicht bestrickt, daß wir mental untätig bleiben, wenn etwas zustande kommen soll, was das sterbliche Gemüt für menschlich unmöglich oder ungewöhnlich hält, und was es noch nicht gutgeheißen hat.
Mrs. Eddy stellt das Trügerische einer solchen Haltung bloß, wenn sie in Wissenschaft und Gesundheit (S. 379) erklärt: „Die wirkliche Rechtsgewalt der Welt liegt im Gemüt, das jede Wirkung beherrscht und alle Ursächlichkeit als im göttlichen Gemüt fest begründet erkennt”. Auf Grund dieser Tatsache bringt unser bewußtes Verstehen und Widerspiegeln des Gemüts die liebevolle und unparteiische Rechtsprechung dieses Gemüts in menschlichen Angelegenheiten ans Licht, und alle möglichen Befürchtungen und Ungerechtigkeiten werden aufhören. Das einmütige Zusammenarbeiten aller Christlichen Wissenschafter in der ganzen Welt fördert das Gute viel mehr als das sterbliche Gemüt zugestehen möchte. Die Mutterkirche mit ihren Einrichtungen und Zweigen—die christlich-wissenschaftliche Bewegung—wird die Früchte dieses umfassenderen Erkennens ernten, weil diese Bewegung auf dem Verständnis der Tatsache beruht, daß alle wirkliche Rechtsgewalt in Gott ruht und jede wahre Wirkung das göttliche Inerscheinungtreten des Gemüts ist. Es ist ermutigend, daß Mrs. Eddy auf Seite 162 in „The First Church of Christ, Scientist, and Miscellany” schreibt: „Eine kleine Gruppe weiser Denker ist besser als eine Wildnis von Gedankenlosen und stärker als die Macht von Weltreichen”.
Wo und wenn immer wohlwollende Menschen versuchen, die Beseitigung unerwünschter Zustände zu beschleunigen und durch einheitliches Zusammenarbeiten bessere Verhältnisse zu schaffen, ist es Pflicht der Christlichen Wissenschafter als „Bürger der Welt”, ihre gottverliehene Kraft zur Unterstützung des Fortschritts zu gebrauchen. Da die wirkliche Rechtsgewalt und Macht allein im göttlichen Gemüt liegt, so kann alles, was im menschlichen Leben als eine für einen rechten Zweck einberufene Beratung, Zusammenkunft oder Versammlung in Erscheinung tritt, als von der göttlichen Kraft, Weisheit und Gerechtigkeit veranlaßt und geleitet angesehen werden, und der Beweggrund dazu kann nichts Geringeres als aufgeklärte und selbstlose Liebe sein. Das göttliche Gemüt, das das ein und alles ist, kennt keine Streitfragen und keine widerstreitenden Interessen und tritt jeweils in der einmütigen Tätigkeit einer Beratung oder Zusammenkunft in Erscheinung. Das Wirken einer solchen Beratung oder Zusammenkunft steht also unter dem Schutze des unwillkürlichen rechten Wirkens göttlicher Ideen, und ihr Zweck im edelsten Sinne ist das wissenschaftliche Bekunden der Macht und Majestät der göttlichen Liebe.
Die Folge einer einmütigeren und bewußteren Tätigkeit der Christlichen Wissenschafter auf der ganzen Erde wird sein, daß wahre Erleuchtung, auf Erfahrung beruhende Kenntnis der Wahrheit, innere göttliche Wahrnehmung, uneingeschränkter und vorurteilsloser geistiger Blick voller in Erscheinung treten. Die Macht und Majestät der göttlichen Liebe wird dann in internationalen Fragen wissenschaftlicher bekundet werden. Da im göttlichen Gemüt alles vollkommen und vollständig ist, so wird dies in besonderen Fällen durch rechtzeitiges Erreichen des rechten Zwecks offenbar werden: es wird jeden bösen Einfluß, der das Erscheinen des Reiches Gottes auf Erden und die Förderung des Friedens und des Wohlgefallens unter allen Völkern der Welt trüben, beschränken, verzögern oder hindern möchte, verhüten.
Nimm dir ernstlich vor, dir über deine Aufgabe klar zu werden; dann nimm dir ernstlich vor, sie zu tun. Je höher dein Zweck ist, desto sicherer wirst du die Welt mit jeder Bereicherung deiner selbst bereichern.—
