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Der Sieg der Entsagung

Aus der Dezember 1931-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Entsagung, geistig und wissenschaftlich aufgefaßt, ist ein ganz anderer Bewußtseinszustand, als man gewöhnlich darunter versteht. Sie ist bei weitem kein untätiges Sichfügen in oder Sichunterwerfen unter widrige Umstände sondern eine bestimmte, siegreiche Eigenschaft des Denkens. Mary Baker Eddy, die geliebte Führerin der christlich-wissenschaftlichen Bewegung, gebraucht das Wort in einer jener trostreichen und ermutigenden Stellen ihrer Schriften in seinem wahren Sinne, wenn sie schreibt (Botschaft an Die Mutterkirche für das Jahr 1902, S. 17): „Befrage dein Alltagsleben, es wird dir hinsichtlich deiner Bestrebungen, Beweggründe und Lieblingsziele die Antwort geben, und dieses uralte Orakel wird alles Kümmern um die belanglose Schmeichelei oder das Mißfallen der Welt in die Flucht schlagen. Geduld und Entsagung sind die Stützen des Friedens, die wie die Sonne unter dem Horizont das für das Licht empfängliche Herz mit verheißener Freude erheitern”. Hier sehen wir klar, daß erhabene geistige Wünsche die weltliche Verlockung zum Schweigen bringen, und daß die Bereitwilligkeit, den Lockungen des Materiellen zu entsagen, die Tür zu himmlischen Segnungen öffnet.

Unter Entsagung, was nach Webster „die Handlung oder die Tatsache des Verzichtens oder Aufgebens, ... Übergabe ... geduldige Unterwerfung oder Einwilligung” bedeutet, versteht man entweder das Aufgeben eines derzeitigen Strebens oder Besitzes oder das geduldige Warten auf die Erfüllung eines gehegten Wunsches. Es fragt sich nun: Was geben wir auf, worein fügen wir uns? Für den Christlichen Wissenschafter bedeutet der Verzicht auf das Materielle das Erlangen einer vielleicht noch nicht wahrgenommenen Freude, die aber so sicher seiner harrt, wie mit dem Erscheinen der Sonne über dem Horizont der neue Tag anbricht. Er gibt das Unwirkliche auf und gewinnt einen festeren Halt am Wirklichen. Er gibt das Materielle auf und erlangt geistige Substanz. Ja, das Annehmen kommt gewöhnlich zuerst—das Annehmen von genug Geistigkeit, genug Verständnis, genug Demut, um das materielle Verlangen zu verdrängen.

„Ich füge mich dem Willen Gottes” ist schon lange die unglückliche Klage jener Sterblichen, die auf Grund falscher Vorstellungen von Gott Ihn fürchten und Ihn sowohl für das Böse als auch für das Gute, das sie erleben, verantwortlich machen. Rechte Entsagung geht Hand in Hand mit Gehorsam. „Deinen Willen, mein Gott, tue ich gerne” ist das neu-alte Lied des Christlichen Wissenschafters, der weiß, daß Gott nur Gutes schafft, der sieht, daß Gott Seine Kinder mit wohltätiger und liebreicher Gnade bedenkt, und der im Bösen, im Unheil und im Tode nichts als die vermeintliche Abwesenheit der Gegenwart, der Macht und des Willens Gottes sieht. Gott gehorchen heißt in der Tat gesegnet werden. Sich Seinem Willen ergeben heißt vertrauen, daß im menschlichen Leben sich fortwährend immer höhere Segnungen entfalten werden. Mit zunehmendem geistigem Verständnis bereichern neue Ziele und heiligere Zwecke unsere Gedanken und enthüllen uns bisher nie erkannte neue und höhere Freuden. Zur Erlangung dieser höheren Stufen des Verständnisses müssen wir zuweilen unsere derzeitige Vorstellung von scheinbar Gutem beiseite setzen, um eifriger nach dem Wirklichen zu streben.

Ein Geschäftsmann sollte in der Zweigkirche, wo er Mitglied war, Leser werden. Sein Geschäft nahm ihn aber so sehr in Anspruch, daß ihm dieser Schritt unmöglich schien. Entlassung aus seiner Stellung schien unter diesen Umständen gewiß; und er hatte schwere finanzielle Verantwortungen. Ferner waren die Geschäftserfolge und die scheinbar viel versprechende Stellung verlockend. Aber Gehorsam gegen die Forderungen der Wahrheit und Verzicht auf die weltliche Verlockung ließen ihn den Schritt tun. Damals fiel es ihm schwer, die seiner harrende „verheißene Freude” zu sehen; er behielt jedoch nicht nur seine Stellung, sondern nach Verlauf von kaum einem Jahr boten sich auch neue und größere Gelegenheiten, die auf höhere Wege der Nützlichkeit in Gottes Weinberg und zu nie zuvor gekannter Zufriedenheit und Freudigkeit führten.

Die Zeit des Kampfes zwischen dem Aufgeben des Materiellen und dem Verwirklichen bleibender Substanz ist eine Prüfungszeit, in der unsere Geduld und Ergebung, unsere Bereitwilligkeit, dem göttlichen Willen zu gehorchen, auf die Probe gestellt wird und sich bewähren muß. In dieser Zeit scheinbarer Finsternis sollte man nicht vergessen, daß die unter dem Horizont stehende Sonne am nächsten Morgen sicher wieder aufgeht. Wir haben die Sonne in unserem „Westen” materieller Freuden untergehen sehen. Wir müssen uns bereitwillig vollständig umdrehen und nach ihrem Aufgang in unserem „Osten” geistiger Vollständigkeit, in der Morgenfrische „der Schönheit der Heiligkeit” schauen. Haben wir auf Geheiß des geistigen Sinnes auf das Unwirkliche verzichtet und es nicht widerwillig aufgegeben, kommen wir in unserem Gebet Gott so nahe, daß wir an Seinem Willen und an Seiner Führung nicht zweifeln, so können auch wir wissen, daß das Licht der Liebe in unserer Finsternis scheinen und einen neuen Tag höherer und heiligerer Freuden bringen wird.

Aus der schönen biblischen Geschichte von Ruth und Naemi ersehen wir, daß Ruth durch die Wahrnehmung des geistig Guten veranlaßt ihre Heimat verließ, die Götter ihres Volkes aufgab und mit Naemi ging, indem sie sagte: „Wo du hin gehst, da will ich auch hin gehen; wo du bleibst, da bleibe ich auch. Dein Volk ist mein Volk, und dein Gott ist mein Gott”. Offenbar war es weder bei ihr noch bei Naemi bloße persönliche Anhänglichkeit; denn Naemi hatte sie dringend gebeten, zu ihrem Volk zurückzukehren. Die Wahrnehmung einer im Leben ihrer Schwiegermutter bekundeten höheren Auffassung des Guten veranlaßte Ruth, sich dem göttlichen Prinzip zuzuwenden, den falschen Gott der Moabiter aufzugeben und den Gott Israels zu suchen. Durch dieses scheinbare Aufgeben erschloß sich der Ruth ein neues Leben. Schritt für Schritt durfte sie den Lohn der göttlichen Liebe in Gestalt von neuen Bekannten, neuen Gelegenheiten, neuer Liebe und einer Heimat erfahren. Das selbstlose Aufgeben der Ansprüche des persönlichen Sinnes und das Annehmen der Glückseligkeit des geistigen Sinnes ließen sie neue und größere Freude erleben.

Haben wir im Kampfe zwischen der Materie und dem Geist das lebhafte Empfinden, daß wir dabei etwas aufgeben, so empfiehlt es sich oft, zu prüfen, worauf unser Denken gerichtet ist. Bedenken wir auch hier wieder, daß das Annehmen des Guten der wichtige Teil beim Verzichten auf weniger wichtige Ziele ist, so entdecken wir vielleicht, daß wir uns des erstrebten idealen Guten nicht klar genug bewußt sind.

Da der Schritt himmelwärts einen Kampf kostet, befürchten wir wohl beim Aufgeben irdischer Wünsche und Neigungen vielleicht, wir könnten Gefahr laufen. Willenskraft anzuwenden. In dem Bestreben, eine höhere Vorstellung vom Guten zu erlangen, brauchen wir nie zu zaudern, unser ganzes Gottesverständnis aufzubieten. Wir müssen uns beständig anstrengen, unser Denken umzugestalten und zu vergeistigen, und dabei nicht nur ernst und regsam bestrebt sein, jede Last des materiellen Sinnes oder der Sünde abzulegen, sondern auch weiterhin freudig nach geistiger Entfaltung und geistigem Wachstum trachten. Manchmal erkennen wir die Stimme einer geistigen Forderung erst, wenn eine schreiende materielle Forderung zum Schweigen gebracht ist. Aber bestimmtes und beharrliches Behaupten und Vergegenwärtigen der Wahrheit bringt die Stimme des Versuchers zum Schweigen.

Wie gelangt man zur Entsagung? Nur „das für das Licht empfängliche Herz” findet diese „verheißene Freude”—das Herz, das durch Beten und treues Wachen beständig mit geistiger Nahrung gespeist wird, das Herz, das durch stillen Verkehr mit dem göttlichen Gemüt und durch unablässiges Eindringen in die Werke unserer Führerin demütig geworden ist, aufs ernsteste nach geistiger Erleuchtung trachtet und sich nicht mit bloß oberflächlichem Lesen ohne andächtiges Nachdenken zufrieden gibt. Wir sollten in unsere tägliche beschützende Arbeit die bestimmten Behauptungen einschließen, daß wir für die Wahrheit empfänglich sind, und daß nichts uns das heilige Verlangen nach Wachstum in der Gnade rauben kann, ferner daß wir als gelehrige, demütige Kinder unseres Vater-Mutter-Gottes bereit sind, Seine reichen Segnungen zu empfangen und die Engel Seiner Gegenwart zu beherbergen, daß wir Seine Gesetze halten und uns daher freudig, dankbar und eifrig Seinem Willen fügen.

Gethsemane sah die Stunde der erhabensten Ergebung. Seiner göttlich geleiteten Sendung gehorsam, allem gehorsam, was in den Verheißungen von dieser Sendung vorausgesagt war und was sie für das Heil der Menschen vollbringen sollte, der Stimme Gottes gehorsam betete Jesus das wahre Gebet der Ergebung. In „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift” (S. 33) schreibt Mrs. Eddy: „Als das menschliche Element in ihm mit dem göttlichen rang, sagte unser großer Lehrer: ‚Nicht mein, sondern dein Wille geschehe!‘—das bedeutet, laß nicht das Fleisch sondern den Geist in mir zum Ausdruck kommen. Dies ist das neue Verständnis von der geistigen Liebe. Es gibt alles für Christus oder Wahrheit hin. Es segnet seine Feinde, heilt die Kranken, treibt den Irrtum aus, erweckt die Toten aus Übertretungen und Sünden und predigt den Armen, denen, die sanftmütigen Herzens sind, das Evangelium”.

Dieses Gebet des Meisters bringt jene erhabene Ergebung zum Ausdruck, die ganz frei ist von jeder Spur von Unterwerfung oder Niederlage. Im wahren Sinne drückt diese christusähnliche Eigenschaft für den Sucher nach der Wahrheit den Inbegriff alles Guten aus—jenes selbstlose, hingebungsvolle Bewußtsein, das mit Gott wandelt und ohne Unterlaß um die Fähigkeit betet, das heilende Licht der Wahrheit widerzuspiegeln. Ergebung ist also ein Aufgeben und zwar das hingebende und gehorsame Aufgeben des Falschen in dem Maße, wie sich das Denken für den herrlichen Sieg des Guten—für die Freude geistigen Aufstiegs und Vollbringens—geistig entfaltet.

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