Die Sterblichen haben lang den Adamstraum geglaubt. Seine Entstehungsgeschichte ist im 7. Vers des 2. Kapitels des 1. Buchs Mose kurz beschrieben mit den Worten: „Gott der Herr machte den Menschen aus einem Erdenkloß, und er blies ihm ein den lebendigen Odem in seine Nase. Und also ward der Mensch eine lebendige Seele”. Es wird also angenommen, Gott habe den Menschen so geschaffen, daß er einen körperlichen Leib schuf und diesem Leben einflößte. Wie hartnäckig diese irrige Auffassung der Schöpfung ist! Ein Menschenalter nach dem andern haben die Menschen daran geglaubt, und sie glauben heute noch daran. So herrscht noch sehr allgemein der Glaube, daß der Mensch aus einem körperlichen Leib mit einer Seele oder einer Intelligenz bestehe, und daß er daher als teilweise körperlich und teilweise geistig anzusehen sei.
Es ist zu beachten, daß der Glaube, der Mensch sei körperlich geschaffen, sich trotz dem, was im 1. Kapitel des 1. Buchs Mose über die Schöpfung gesagt ist, beharrlich behauptet hat. Aus dieser Stelle geht klar hervor, daß die wirkliche Schöpfung vollständig geistig ist. Im 27. Vers heißt es: „Gott schuf den Menschen ihm zum Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn”. Und obgleich diese Offenbarung des wahren Wesens des Menschen neben dem Bericht über die falsche körperliche Auffassung der Schöpfung vorliegt, wurde der Zwiespalt zwischen beiden erst ernstlich in Betracht gezogen, als Mary Baker Eddy, die Entdeckerin und Gründerin der Christlichen Wissenschaft, die unumschränkte geistige Wahrheit des Seins auf den Gegenstand anwandte.
Man kann ruhig sagen, daß mit der Entdeckung der Christlichen Wissenschaft eine neue Zeitrechnung begann. Genau wie die Propheten und Christus Jesus erkannte unsere Führerin Gott als den großen Ich Bin. Sie sah Ihn als den unendlichen Geist oder das unendliche Gemüt. Und da sie Ihn als Geist oder Gemüt verstand, erkannte sie, daß Seine Schöpfung aus Ideen bestehen muß. So offenbarte sie die Wahrheit, daß Gottes Schöpfung aus unsterblichen, geistigen Ideen besteht, weil Gott der unendliche Geist und ewig ist.
Als Mrs. Eddy verstand, daß Gott der unendliche Geist ist, erkannte sie ferner, daß das Körperliche unwirklich sein muß: sie sah, daß Gott, der Geist, unmöglich Sein Gegenteil schaffen konnte. So war sie zu dem Schluß gezwungen, daß der Bericht von einer körperlichen Schöpfung, wie wir ihn im 2. Kapitel des 1. Buchs Mose finden, eine Sage ist; und sie wurde zu der Entdeckung geführt, daß das 1. Kapitel die Wahrheit über die wirkliche Schöpfung enthält, nämlich, daß der Mensch und das Weltall nicht körperlich sondern geistig sind.
Kann man nun, da Gott das unendliche Gemüt ist und Seine Schöpfung aus Ideen besteht, sich eine Zeit vorstellen, wo die aus Ideen bestehende Schöpfung Gottes nicht bestand? Nein, denn man kann sich nicht vorstellen, wie das Gemüt besteht, ohne sich auszudrücken oder zu bekunden. Folglich besteht die Schöpfung zugleich mit Gott. Wie Gott nie einen Anfang genommen hat, so hat auch die Schöpfung, die aus Ideen bestehende wirkliche, geistige Schöpfung, nie einen Anfang genommen. Und da sich das Gemüt immerdar durch oder in Ideen weiter ausdrücken oder bekunden wird, wird die Schöpfung nie aufhören: ihre Fortdauer ist durch die Tatsache der Ewigkeit Gottes — des Gemüts — unbedingt verbürgt.
Wie verhält es sich nun aber in diesem Zusammenhang mit dem Menschen? Der Mensch ist das Bild Gottes, die Widerspiegelung Gottes, der Ausdruck oder die Kundwerdung Gottes. „Er [der Mensch] ist die zusammengesetzte Idee Gottes und schließt alle richtigen Ideen in sich”, erklärt Mrs. Eddy auf Seite 475 in „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift”. Folglich besteht der Mensch zugleich mit Gott. Unsere Führerin schreibt (in dems. Buche, S. 557): „Die göttliche Wissenschaft vertreibt die Wolken des Irrtums mit dem Licht der Wahrheit, lüftet den Vorhang und zeigt, daß der Mensch nie geboren wird und niemals stirbt, sondern mit seinem Schöpfer zugleich besteht”.
Haben wir die Wahrheit über den Menschen erkannt, so werden wir sofort von seiner Unsterblichkeit und derjenigen aller anderen „richtigen Ideen” überzeugt. Nichts Wirkliches kann umkommen; nur was unwirklich ist, ist zerstörbar. Dies erklärt die Flüchtigkeit, die Vergänglichkeit aller materiellen Dinge: sie nehmen ein Ende, weil sie unwirklich sind, weil sie nur irrige oder nachgeahmte Begriffe sind. Aber das geistige Weltall ist ewig; daß es zugleich mit Gott besteht, verbürgt seine Unsterblichkeit.
Wenn man versteht, daß der Mensch zugleich mit Gott besteht, erfaßt man die Wahrheit über das Vorherbestehen. Die Vorstellung, daß der Mensch mit der körperlichen Geburt ins Dasein trete, ist durchaus trügerisch. Daß dies nicht allgemeiner verstanden wird, rührt daher, daß der Mesmerismus des körperlichen Sinnes die Sterblichen gegen die Wahrheit, daß das wirkliche, geistige Selbst des Menschen zugleich mit Gott besteht, blind macht. Da der Mensch zugleich mit Gott besteht, war seine Eigenart stets vollkommen festgelegt und wird es auf ewig bleiben.
Wir sollten den Begriff des geistigen Vorherbestehens nicht vernachlässigen; es wird den Traum der Körperlichkeit vertreiben helfen. Fürchten wir nicht, daß wir dadurch etwas verlieren! Mrs. Eddy schreibt (Miscellaneous Writings, S. 181): „Die Sterblichen verlieren den Sinn der Sterblichkeit — des Siechtums, der Krankheit, der Sünde und des Todes — in dem Maße, wie sie verstehen lernen, daß der Mensch als Kind Gottes, als der Sprößling des Guten, nicht des Gegenteils Gottes — des Bösen oder als gefallener Mensch — geistig vorherbestanden hat”.
Beim Ausüben der Christlichen Wissenschaft ist es zuweilen sehr hilfreich, sich die Wahrheit über das Vorherbestehen des Menschen zu vergegenwärtigen, z.B. wenn jemand infolge des Glaubens an Vererbung leidet. Die Annahme kann eine Krankheit sein, die mit der leiblichen Geburt begann. Was wird aber aus dieser Annahme, wenn man erkennt, daß der Mensch zugleich mit Gott besteht, daß Gott sein Schöpfer, sein Vater-Mutter ist? Sie wird vernichtet. Und mit dieser Vernichtung sollte die Krankheit, die vermeintlich durch den Glauben an Vererbung entstand, verschwinden. Was für ein herrlicher Gedanke, daß der Mensch stets die vollkommene Idee Gottes gewesen ist, und daß nichts diese Tatsache ändern kann!
Wir sollten uns über noch etwas klar sein, nämlich darüber, daß das geistige Heilen leichter wird, wenn wir besser verstehen, daß der Mensch zugleich mit Gott besteht und vorherbestanden hat. Denn was muß die Folge dieses besseren Verständnisses sein? Ein klareres Erkennen, daß der Mensch mit dem allmächtigen Guten und dem ewigen Leben immer eins gewesen ist und immer eins sein wird. Und diese klarere Erkenntnis sollte rascheres Heilen zur Folge haben.
Keine der vielen großen und ewigen Wahrheiten, die die Christliche Wissenschaft den Menschen offenbart, kann die Wahrheit übertreffen, daß der Mensch zugleich mit Gott besteht. Denn durch sie kann man die Unwirklichkeit und Vergänglichkeit einer körperlichen Auffassung der Schöpfung einsehen und sich über die durch diese trügerische Auffassung hervorgerufenen Gebrechen erheben. Der Christliche Wissenschafter kann der Zeit entgegensehen, wo jede Lüge des sterblichen Sinnes durch die göttliche Wissenschaft weggefegt sein wird und erkannt wird, daß der Mensch das vollkommene Bild Gottes ist und in Wirklichkeit immer gewesen ist, und ewig zugleich mit seinem Schöpfer besteht.
