Wenn man in Betracht zieht, daß überall Liebe not tut, denkt man mit inniger Andacht an jenen denkwürdigen Morgen, als „Jesus sich abermals den Jüngern an dem Meer bei Tiberias offenbarte”. Nachdem sie das Mahl gehalten hatte, fragte er Petrus: „Hast du mich lieber, denn mich diese haben?” Petrus antwortete: Ja, Herr, du weißt, daß ich dich liebhabe”. Dann kam das Gebot: „Weide meine Lämmer!” Der Meister fragte zum zweitenund drittenmal: „Hast du mich lieb?” Und zum zweitenund drittenmal erging das liebreiche Gebot: „Weide meine Schafe!” Hätte der Meister seinen höchsten Wunsch bedeutungsvoller einprägen können? Wie ansprechend einfach das Gebot auf den ersten Blick erscheint! Wie seine unermeßliche Bedeutung den Christlichen Wissenschafter allmählich ganz erfüllt!
Kein Wunder, daß die Schüler der Christlichen Wissenschaft grenzenlose Liebe und Dankbarkeit gegen ihre Führerin Mrs. Eddy empfinden, die durch ihr Erschauen und ihren Gehorsam den Menschen jene unschätzbare Entdeckung geben konnte, die die Schätze der Heiligen Schrift reichlich erschließt! In ”Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift” (S. 113) schreibt sie: „Das Lebenselement, das Herz und die Seele der Christlichen Wissenschaft ist Liebe”.
Eine Schülerin der Christlichen Wissenschaft hatte, als sie sich von den falschen Einflüsterungen des Mangels und der Begrenzung zu befreien suchte, Gelegenheit, in gewissem Maße die Macht der Worte unserer Führerin in Wissenschaft und Gesundheit (S. 242) zu beweisen: „Laßt uns in geduldigem Gehorsam gegen einen geduldigen Gott daran arbeiten, daß wir mit dem universalen Lösungsmittel der Liebe das harte Gestein des Irrtums — Eigenwillen, Selbstgerechtigkeit und Eigenliebe — auflösen, welches gegen die Geistigkeit ankämpft und das Gesetz der Sünde und des Todes ist”. Zur Bezahlung einer Schuld sollte plötzlich eine Geldsumme aufgebracht werden, und es schien damals unmöglich, einen so hohen Betrag zu erhalten. Als die Wolken des Sinnes dunkler als je schienen, dämmerte ihrem beunruhigten Bewußtsein die Wahrheit der angeführten Worte auf und offenbarte die große Tatsache, daß die Liebe zu allen Zeiten und unter allen Umständen das wahre Lösungsmittel ist. Sofort fragte sich die Schülerin, ob sie genug Rücksichtnahme gegen ihre Mitmenschen übe; ob sie jede sich ihr bietende geringste Gelegenheit bis zum äußersten ausnütze, ohne Ausnahme alle, mit denen sie in Berührung kommt, zu lieben und zu ermutigen; ob ihr ganzes Denken, Reden und Handeln von Zärtlichkeit und liebendem Mitgefühl durchdrungen sei. Durfte sie, wenn es nicht der Fall war, auch nur einen Augenblick verlieren, diese wichtigen Gebote zu erfüllen? Schon dieser Schimmer der wahren Idee vertrieb rasch das Furchtgefühl, und an Stelle der dunklen Vorahnungen trat ein gelassenes Vertrauen auf des Vaters liebende Fürsorge, die unfehlbar für Seine Kinder sorgt, die Ihm stets nahe und teuer sind. Selbstverständlich wurde die Schuld bezahlt und zwar ganz ohne menschliches Planen.
Ein Wörterbuch erklärt das Wort „Lösungsmittel” u.a. als „genug haben, alle Schulden zu bezahlen; ... die Kraft haben, aufzulösen”. Fangen wir nicht an, das universale Mittel zur Überwindung alles Gott, dem Guten, Entgegengesetzten zu finden? Wir sehen klar, daß wir mit Geld allein unsere Schulden nicht bezahlen können. Liebe ist erforderlich, um unsere Verpflichtungen vollständig zu tilgen. Christus Jesus, unser Beispielgeber für alle Zeiten, erschloß die Schätze des unbegrenzten Guten, und er sagte: „Trachtet am ersten nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch solches alles zufallen”. Prüfen wir seine Worte sorgfältig, so erkennen wir, daß er nicht zu verstehen geben wollte, wir sollen nach den zeitlichen Dingen trachten, die wir durch einen falschen Begriff von echtem Wohlergehen für nötig halten. Vielmehr befähigt uns das fleißige Trachten nach den stets gegenwärtigen, zur Verfügung stehenden geistigen Ideen Gottes, die Wahrheit des Seins zu verstehen und infolgedessen die Früchte eines von der göttlichen Liebe harmonisch regierten Denkens im täglichen Leben zu genießen. Nur so werden wir wahrhaft bereichert, und unser Gedankenhimmel hellt sich auf.
Vielleicht langsam, aber doch sicher liefert der Christliche Wissenschafter den Beweis der Erfüllung des Gesetzes, der vollständigen Bezahlung aller seiner Schulden; und im Bewußtsein des heutigen Jüngers Christi Jesu erwacht das wahre Verlangen, seinen Mitmenschen beizustehen, die durch weltliches Denken auferlegten Lasten vermindern zu helfen, die durch falschen Glauben anscheinend niedergedrückten Verzagten zu trösten. Wenn wir im Gehorsam gegen des Meisters Gebot: „Weide meine Schafe!” darauf achten, daß wir gegen menschliche Not nie gleichgültig sind, beweisen wir, daß das universale Lösungsmittel, die göttliche Liebe, die „nimmer aufhöret”, allgegenwärtig ist.
