Wer aufrichtig bestrebt ist, die Christliche Wissenschaft zu verstehen und anzuwenden, sollte bestimmt denken lernen. Dies gilt für alle, vom Anfänger bis zum weitest vorgeschrittenen Schüler; denn kein Christlicher Wissenschafter lernt in dieser Hinsicht aus. Jeder kann über die unbegrenzbaren Gegenstände wissenschaftlichen Denkens immer genauer und bestimmter denken lernen. Mrs. Eddy wies auf die Notwendigkeit bestimmten Denkens hin, als sie schrieb: „Geist benennt und segnet alles. Ohne ausdrücklich bestimmte Naturen wären Dinge und Gegenstände dunkel, und die Schöpfung wäre voll namenloser Sprößlinge—Wanderern gleich, die von dem elterlichen Gemüt abirrten, wie Fremdlinge in einer verworrenen Wildnis” (Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift, S. 507).
Für Christliche Wissenschafter ist Gott der Hauptgegenstand des Denkens; und wir sind der Ansicht, daß man Gott verstehen—tatsächlich verstehen, nicht bloß an Ihn glauben oder Ihn anbeten—muß. Über diese beiden Punkte hat sich der Meister selber geäußert: „Das ist aber das ewige Leben, daß sie dich, der du allein wahrer Gott bist, und den du gesandt hast, Jesum Christum, erkennen” (Joh. 17, 3; vgl. auch 1. Petr. 1, 2–4). Und es sollte einleuchten, daß man einen Gegenstand und namentlich den allerwichtigsten Gegenstand nur durch besonderes Nachdenken kennen lernt. Daher sollten wir uns nicht damit zufrieden geben, daß wir immer oder nur erklären: Gott ist das All. Nicht einmal mit den bestimmtesten Namen für die Gottheit allein sollten wir uns zufrieden geben.
Wie können wir nun Gott erkennen? Eine Antwort auf diese Frage haben die meisten Gläubigen vernachlässigt. In neuerer Zeit haben nur Mary Baker Eddy und ihre Nachfolger sie erläutert, die Antwort nämlich, daß Gott durch das verstanden werden kann, was Er für den Menschen und demgemäß für die Menschheit tut. Mose, der Gründer des besten vorchristlichen Glaubens, verstand Gott hauptsächlich auf diese Art. Er hatte keinen bestimmten Namen für die Gottheit (vgl. 2. Mose 3, 13–15; 6, 1–8). Ebenso machten die hilfreichsten Verfasser im Alten Testament, wie die Dichter des 23. und des 91. Psalms, Gott hauptsächlich auf die soeben dargelegte Art verständlich. Auch Jesus, die erhabenste Gestalt in der Geschichte religiösen Denkens, lehrte, obgleich er über Gott besonders ausführlich sprach, hauptsächlich und vielleicht am wirkungsvollsten dadurch, daß er erklärte und bewies, was Gott für den Menschen und die Menschheit tut.
Nächst Gott ist der Mensch der wichtigste Gegenstand des Denkens. Daher sollten wir über den Menschen im allgemeinen und über uns selber im besonderen bestimmt denken. Mrs. Eddy sagt, daß „der Mensch so bestimmt und ewig ist wie Gott” (Unity of Good, S. 49). Daher können wir den Menschen genau so bestimmt kennen, wie wir Gott kennen können; und wir sollten dies aus den allerpraktischsten Gründen tun lernen. Der wirkliche Mensch ist das wirkliche Selbst; daher müssen wir den Menschen und das Selbst besonders und ausdrücklich kennen, um die Wahrheit des Seins im menschlichen Leben zu beweisen—um zu sein und zu tun, was wir für das persönliche und das Allgemeinwohl können und sollten. Die täuschendsten Einwände des Irrtums richten sich unmittelbar oder mittelbar gegen den Menschen oder die Menschheit und am häufigsten gegen einen selber. Hierher paßt der vorhin angeführte Ausspruch Jesu; denn er war ein Mensch, der Sohn einer Jungfrau und der Erlöser der Menschen; er veranschaulichte, was für die Menschheit möglich ist.
Wir müssen nicht nur erkennen lernen, was tatsächlich ist, wir müssen auch eine wissenschaftliche Anschauung dessen erlangen, was zu sein scheint, aber nicht ist. Die menschliche Lage ist derart, daß wir nicht nur die tatsächliche Wahrheit des Seins erkennen und zwar genau erkennen lernen müssen, sondern daß wir auch fähig werden müssen, verneinend und bestimmt über den Widerspruch, das scheinbare Gegenteil der Wahrheit zu sprechen (vgl. „The First Church of Christ, Scientist, and Miscellany” 235:1–13). Wie wir also wissen müssen, was die Wahrheit tut, so müssen wir uns auch vollständig darüber klar sein, was der Irrtum zu tun scheint oder droht. Dies ist in der Tat die allerwichtigste Seite dieses negativen Gegenstandes. Der untätige Irrtum oder das untätige Böse ist verhältnismäßig harmlos. Vermutlich aus diesem Grunde gab Mrs. Eddy „der willkürlichen oder unwillkürlichen Tätigkeit des Irrtums in allen seinen Formen” (Wissenschaft und Gesundheit, S. 484) einen Namen (tierischer Magnetismus) und sah besondere Belehrung über mentale Malpraxis, das aggressivste Vorgehen des Irrtums vor (vgl. Kirchenhandbuch, Art. XXVI, Abschn. 3; Art. XXX, Abschn. 2).
Kurzum, als keine bloßen Träumer oder Theoretiker, sondern als zweckmäßig handelnde Christliche Wissenschafter müssen wir lernen, die unbedingte Wahrheit des Seins in ihrer Anwendung auf die menschlichen Bedürfnisse zu erkennen und zwar bestimmt zu erkennen. Wir müssen also verstehen lernen, was Mrs. Eddy geschrieben hat: „Gott tut alles, und in der entgegengesetzten Waagschale ist nichts” (Miscellaneous Writings, S. 280). Dies alles verlangt bestimmtes Denken.
