Die Welt schuldet der geliebten Führerin der Christlichen Wissenschaft Mary Baker Eddy unermeßlichen Dank schon allein dafür, daß sie den Begriff Gott so herrlich erklärt. Für die Bereicherung des Denkens der Menschen durch ihre erleuchtete Offenbarung dessen, was Gott tatsächlich ist, verdient sie unsere dankbare Liebe und unsere ehrlichste Hingebung an ihre Lehren.
Während der Ausdruck „Gott” an sich uns vielleicht nicht sehr über das Wesen der Gottheit aufklärt, übermittelt uns die Erklärung der Mrs. Eddy sofort den wahren Begriff: „Gott ist unkörperliches, göttliches, allerhabenes, unendliches Gemüt, Geist, Seele, Prinzip, Leben, Wahrheit und Liebe” (Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift, S. 465). Gott ist somit unkörperlich und ewig gegenwärtig und bekundet sich in liebevoller Intelligenz, höchster Weisheit und unendlicher Güte.
Das christlich-wissenschaftliche Heilen erfolgt durch Widerspiegeln der göttlichen Eigenschaften, und dieses Widerspiegeln wird dadurch möglich, daß man durch die geistige Bedeutung der oben erwähnten sieben sinnverwandten Ausdrücke eine höhere Auffassung von der Gottheit erlangt. Die Vorstellung, daß Gott das unbegrenzte Gute ist, befreit das menschliche Denken von Furcht und ermöglicht das fortschreitende Entfalten der Güte im menschlichen Leben.
In dem Maße, wie man verstehen lernt, daß Gott vollständig liebenswert und lieblich ist, erweitert sich das Denken zum Erfassen der Tatsache, daß Gottes Schöpfung auch liebenswert und lieblich sein muß, und gewisse Bibelstellen über Gott und den Menschen gewinnen eine neue Bedeutung. Erkenntlich und ehrerbietig danken wir der Frau, die unserem Zeitalter einen Gott geoffenbart hat, den wir verstehen können, und der nicht nur das göttliche Prinzip, sondern auch unser barmherziger Vater-Mutter, die Liebe, ist. Durch die Lehren in Wissenschaft und Gesundheit können wir das biblische Gebot befolgen: „So vertrage dich nun mit ihm [Gott] und habe Frieden”.
Christus Jesus, unser Wegweiser, der Gott völliger als irgend jemand anders verstand, war der einzige Glaubensoder Sittenlehrer, der darauf bestand, daß seine Nachfolger die Kranken heilen, bis Mrs. Eddy durch ihre Entdeckung und Erläuterung der Wissenschaft des Christentums die Aufmerksamkeit der Welt wieder auf diese wichtige Seite der Lehre und des Beispiels Jesu hinlenkte.
Es herrscht zuweilen der Glaube, daß die Christlichen Wissenschafter dem körperlichen Heilen zuviel Aufmerksamkeit schenken; aber dies beruht auf einer falschen Vorstellung vom wahren Zweck christlich-wissenschaftlicher Behandlung, die in erster Linie das Heilen seelischer und sittlicher Gebrechen bezweckt, und was dem Körper zugute kommt, ist das natürliche Ergebnis und der äußere Ausdruck eines verbesserten Bewußtseinszustandes. In der Christlichen Wissenschaft verstehen wir, daß jeder sogenannte materielle Zustand mental ist und durch geistiges Verständnis gemeistert werden kann.
Erfaßt man die Tatsache, daß Gott der Geist ist, und daß alle Seine Kundwerdungen geistig sein müssen, so sieht man ein, daß das Sicheinschleichen jeder Weltlichkeit, jedes persönlichen oder gewinnsüchtigen Beweggrundes in die Ausübung das wahre christlich-wissenschaftliche Heilen in dem Maße verhindert, wie solche Beweggründe beherbergt werden. Scheint die Krankheit durch Willenskraft oder durch des Kranken Glauben an den Ausüber zu weichen, so ist dieser falsche Denkvorgang von geistigem Heilen so weit entfernt wie die Arzneiheilverfahren.
Gedankeneinflüsterung oder falsche Beeinflussung der Gesinnung eines andern ist kein Teil einer christlich-wissenschaftlichen Behandlung. Das Verfahren geistigen Heilens besteht darin, daß man von der Materie und allen körperlichen Zuständen wegsieht und sich um Hilfe an Gott, die unendliche Quelle alles Guten, wendet. Behandlung ist Gebet in dem Sinne, daß Gebet Gemeinschaft mit Gott ist. Jede Behandlung sollte den Ausüber und den Patienten sittlich und geistig heben. Mrs. Eddy schildert auf Seite 251 in Wissenschaft und Gesundheit den Vorgang des geistigen Heilens überaus klar, indem sie schreibt: „Das göttliche Gemüt macht vollkommen, es wirkt durch die Wahrheit auf das sogenannte menschliche Gemüt und bringt es dazu, allen Irrtum aufzugeben und zu erkennen, daß das göttliche Gemüt das einzige Gemüt ist, sowie der Heiler von Sünde, Krankheit und Tod. Dieser Vorgang des höheren geistigen Verständnisses bessert die Menschheit, bis der Irrtum verschwindet und nichts übrig bleibt, was Untergang oder Strafe verdient”.
Es ist das Verlangen der Christlichen Wissenschafter, im Gottesverständnis so zu wachsen, daß sich in ihnen und in ihren Patienten höhere Ideale und größerer Charakteradel entfalten können. Sie wollen alles aufgeben, was kleinlich und des höchsten Menschentums unwürdig ist. Damit entfernen sie von ihren Gedankenfenstern alles, was das heilende Licht der Güte und Herrlichkeit Gottes trüben würde.
Die verborgenen Schätze der Weisheit und Offenbarung in der Bibel und in Wissenschaft und Gesundheit sind bis jetzt noch kaum berührt. Menschlicher Wille und rein verstandesmäßiges Forschen werden sie nicht ans Licht bringen. Das demütige Verlangen nach mehr Licht beim täglichen Sichvertiefen im Verein mit selbstlosem, geistigem Lebenswandel öffnet die Tür zu einem tieferen Verständnis der Dinge Gottes.
Alles in unserer Umgebung kann als Mittel zu geistigem Wachstum dienen, wenn wir die Dinge um uns her nehmen wollen, wie Jesus sie nahm. Er glaubte nicht an den Augenschein der materiellen Sinne. Für ihn war die heilende Gegenwart Gottes wirklicher als die Trübsale derer, die zu ihm kamen, um sich heilen zu lassen. Er zog sich von der Volksmenge und sogar von seinen geliebten Jüngern und Freunden zur Gemeinschaft mit Gott und zur Erfrischung ans Meer oder in die Berge zurück. Seine Lehren sind voller Beispiele, die er sowohl den niederen als auch den höheren Gebilden der Natur entnahm.
Mrs. Eddy fand in der sogenannten Natur erfrischende und erhebende Freude. Ihr Aufsatz „Frühlingstimmen” (Miscellaneous Writings, S. 329) und ihr Gedicht „Die Eiche auf dem Bergesgipfel” (in dems. Buche, S. 392; Gedichte, S. 20) lassen uns einigermaßen erkennen, wie sie sie betrachtete. Sie fand auch im Leben der Propheten und der Apostel Anregung und empfahl uns, uns darein zu vertiefen, und sie sprach mit höchster Anerkennung von den tapferen Männern und Frauen späterer Zeiten, deren Leben wie Bergesspitzen über die Niederungen sterblichen Denkens emporragen.
Der Neuling in der Christlichen Wissenschaft ist vielleicht geneigt, viel Gutes und Nützliches wegzufegen. Zuschauern mag das Leben der Apostel und ihr einfaches, bescheidenes Auftreten eintönig geschienen haben; aber ihr wahrer Begriff von Gott befähigte sie, die Kranken zu heilen, und verlieh ihren Worten eine unvergängliche Schönheit und Kraft.
Wir werden mit Johannes erklären: „Meine Lieben, wir sind nun Gottes Kinder; und es ist noch nicht erschienen, was wir sein werden. Wir wissen aber, wenn es erscheinen wird, daß wir ihm gleich sein werden; denn wir werden ihn sehen, wie er ist”; und eingedenk der am Anfang dieses Aufsatzes erwähnten inspirierten Auslegung des Begriffs Gott von Mrs. Eddy werden wir für die Erfüllung dieser Erklärung arbeiten.
