Was uns als Christlichen Wissenschaftern am meisten not tut, ist, die Wahrheit über Gott und den Menschen verstehen zu lernen, sie uns zu eigen zu machen und im Alltagsleben anzuwenden. Der Meister verhieß: „So ihr bleiben werdet an meiner Rede, so seid ihr meine rechten Jünger und werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch freimachen”. „Bleiben” und „erkennen” bedeuten beide handeln. Nicht nur das Verständnis der Wahrheit und die unwiderlegliche Erkenntnis des Irrtums als Fehler ist notwendig, sondern auch die unaufhörliche, tatsächliche und praktische Anwendung dieses Verständnisses. Erkennen und handeln können nicht voneinander getrennt werden.
Unsere Gottesdienste, die Lektionspredigten, die Zeitschriften, die Vorträge und das Liederbuch, die treuen Ausüber und Lehrer helfen uns, die Wahrheit verstehen zu lernen; aber anwenden müssen wir dieses Verständnis selber. Andere können uns helfen und uns durch Unterweisung und Beispiel zeigen, wie wir arbeiten müssen; aber die tatsächliche Anwendung auf das einzelne Bedürfnis liegt jedem von uns selber ob. Zweifellos gibt es Heilungen, bei denen es auf den ersten Blick den Anschein hat, daß der Beteiligte nichts oder wenig getan habe, sich selber zu helfen. Ist aber in solchen Fällen nicht anzunehmen, daß das Denken aufnahmefähiger und empfänglicher wurde? Empfänglichkeit ist kein untätiger sondern ein tätiger Bewußtseinszustand.
Man kann sich in die Lehrbücher vertiefen und über das Gelernte nachdenken; will man aber körperlich und seelisch geheilt werden, so muß man seinen Glauben unbedingt auch anwenden, in die Tat umsetzen, dartun, beweisen. Jesus ging umher und tat Gutes, und Mrs. Eddy schrieb (Botschaft an Die Mutterkirche für das Jahr 1900, S. 2): „Das Lied der Christlichen Wissenschaft ist: ‚Arbeite — arbeite — arbeite — wache und bete‘”. Das Wort „Lied” im Zusammenhang mit Arbeit ist beachtenswert; denn es bedeutet, daß freudige Tätigkeit am schnellsten zu Ergebnissen führt.
Fleißiges Sichvertiefen, Überlegen und Nachdenken ist nötig, wenn wir die Wahrheit in uns aufnehmen wollen; aber wir müssen unser Gottesverständnis zum Ausdruck bringen. Verständnis ist notwendig, und wir müssen immer mehr Verständnis erlangen. Aber wenden wir denn das schon erlangte Verständnis auch an? Übung macht den Meister, und Geduld im Gutestun führt zu Ergebnissen.
Nur durch Anwendung des bereits Erlangten wächst unser Verständnis. Der Knecht, der seinen einen Zentner vergrub, verlor ihn, während der Knecht, der zwei Zentner hatte, und der andere, der fünf Zentner hatte, ihre Zentner weise anlegten und verdoppelten. Man kann ein Schulkind wiederholen lehren, daß zweimal zwei vier ist; aber ein weiser Lehrer hilft ihm durch handgreifliche Beispiele, es zu verstehen. Es kann nötig sein, die Veranschaulichung oft und auf verschiedene Arten zu wiederholen, bis das Kind die Wahrheit so gründlich erkennt und versteht, daß es sie nicht mehr vergessen kann, sondern sie sofort als Tatsache erkennt, wann und wo sie anzuwenden ist.
Als Christliche Wissenschafter können wir die Tatsache wiederholen lernen, daß der Mensch geistig ist; um aber uns selber und andere zu überzeugen, daß es tatsächlich, wirklich so ist, müssen wir uns über das, was die Materie behauptet, erheben und unsere geistige Herrschaft beweisen. Behauptet das Sinnenzeugnis, daß wir müde, krank, begrenzt, freundlos seien? Die Christliche Wissenschaft lehrt, daß Gottes Kind die Eigenschaften Gottes bekundet. Daher wissen wir, daß der wirkliche Mensch im Besitze von Kraft, Gesundheit, Fülle, Liebe ist. Diesem Wissen entsprechend müssen wir handeln und bestrebt sein, Gottes Eigenschaften in den Einzelheiten des menschlichen Daseins auszudrücken. Gerade dort, wo wir jetzt sind, müssen wir beginnen und beim Ausarbeiten unseres Daseinsproblems mit den einfacheren Dingen anfangen. Und wie wir einen Beweis nach dem andern erbringen, wächst unser Vertrauen und Verständnis, und wir beschleunigen das Kommen jenes frohen Tages, wo wir die von Jesus verheißenen „größeren Werke denn diese” vollbringen werden.
Das Heilen oder Berichtigen des Irrigen in unserem Leben, welcher Art es auch sei, geschieht nicht auf geheimnisvolle Art, wie manche, die von der Christlichen Wissenschaft erst wenig verstehen, wohl glauben. Wenn das Denken durch Sichvertiefen und Nachdenken vergeistigt wird, verdrängen die Ideen der Wahrheit die irrigen Annahmen; das Verlangen wird geläutert. In Erkenntnis der Wahrheit der Worte unserer Führerin (Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift, S. 454): „Liebe inspiriert, erleuchtet, bestimmt und führt den Weg”, können wir die nötigen menschlichen Schritte tun und unsere Fehler berichtigen, und die Folge ist die bewiesene Wahrheit.
Mrs. Eddy erprobte die Wahrheit ihrer Entdeckung oft und auf viele Arten, ehe sie sie der Welt in ihrem Lehrbuch gab, worin sie schreibt (S. 233): „Jeder Tag fordert von uns höhere Beweise, nicht nur Bekenntnisse der christlichen Kraft. Diese Beweise bestehen einzig in der Zerstörung von Sünde, Krankheit und Tod durch die Kraft des Geistes, und zwar in der Weise, wie Jesus sie zerstörte”. Unser Meister lebte, was er lehrte, und wir müssen seine Mahnung befolgen: „So gehe hin und tue desgleichen”.
