Während das Böse in der Welt weit verbreitet ist und oft offen in Erscheinung tritt, ist es in dem Versuch, der Menschheit zu schaden, manchmal auch sehr heimtückisch. Einige kriminelle Tätigkeiten sind heute offensichtlich die Folge direkter Unterwerfung unter böse Annahmen. Wie groß ist z.B. die Zahl derer, die der Eifersucht, dem Haß, dem Zorn und der Rache erliegen und Gewalttaten begehen! Wie viele gibt es auch, die den erniedrigenden Antrieben der Sinnlichkeit gehorchen und anderen bitteres Unrecht zufügen, nur um sich selber nachher in Verzweiflung zu finden!
Die sogenannten gewöhnlicheren Erscheinungsformen des Bösen sind ganz nahe an der Oberfläche und werden daher leichter aufgedeckt; es gibt aber ein Verbrechertum, das, wenn es sich auch nicht so auffällig betätigt, der Gesellschaft oft gefährlicher ist,— das Verbrechertum, das in dem übel erzogenen menschlichen Intellekt seinen Ursprung hat und von ihm gehegt wird. Dieser oft in menschlicher Psychologie bewanderte Intellekt, der sich der habsüchtigen Neigungen der Sterblichen und ihres Verlangens nach angehäufter Materie, um gesellschaftlichen Vorrang und Macht zu erlangen, bewußt ist und weiß, wie schwach die ungeistige Mentalität ist, bösen Einflüsterungen zu widerstehen,— dieser übel erzogene menschliche Intellekt ist einer der heimtückischsten Feinde, die wir heute unter uns haben. Zahlreich sind die Unbedachtsamen, die er irreführt, zahlreich die Schwachen, die er an den Rand sittlicher Vernichtung zu bringen scheint. Die Sterblichen müssen unbedingt der Originalsünde widerstehen, müssen sich aber um ihrer eigenen Sicherheit, ihres Friedens und ihres Glücks willen auch gegen den mesmerischen Einfluß des übel erzogenen menschlichen Gemüts schützen.
Mrs. Eddy erkannte die unter den Menschen anscheinend wirkenden heimtückischen bösen Einflüsse. Oft warnt sie in ihren Schriften davor, und sie hat, was äußerst wichtig ist, klar und ausführlich gezeigt, wie man sie durch Vertrauen auf Gott, die Wahrheit, durchkreuzen kann. Auf Seite 115 in „Miscellaneous Writings” schreibt sie: „Die wachsende Notwendigkeit, uns darauf zu verlassen, daß Gott uns gegen die listigeren Formen des Bösen schützt, veranlaßt uns, rückhaltloser bei Ihm Hilfe zu suchen, und wird so ein Gnadenmittel”. Niemand konnte besser diese Warnung geben; niemand war besser geeignet, den Menschen zu zeigen, wie sie sie zu ihrem Schutz beachten müssen.
Das eine ist gewiß: die heute üblichen Verfahren, dem Verbrechen Einhalt zu tun, so wertvoll einige davon auf ihre Art auch sind, sind unzulänglich. Diese Verfahren führen wohl zur Festnahme gewisser Verbrecher und befreien so die Gesellschaft für kürzere oder längere Zeit von ihnen; aber sie werden nicht jener habhaft, die durch Anwendung böser Einflüsterungen in der Mentalität und am Körper ihrer Mitmenschen Verheerung anzurichten suchen und oft anrichten. Es ist klar, daß die modernen Verfahren, das Verbrechertum zu bekämpfen, an etwas kranken, an etwas, was das allgemeine menschliche Denken nicht kennt. Und dieses Etwas ist das Wesen des Bösen.
Was sagt nun die Christliche Wissenschaft über das Wesen des Bösen? Hier treten wir in die Betrachtung einer Frage ein, die für das Wohl des ganzen Menschengeschlechts äußerst wichtig ist. Die Christliche Wissenschaft führt uns zu Gott als der einzigen Grundlage alles richtigen Nachdenkens über dieses Thema. Und was lehrt sie uns über Gott? Daß Er gut — unendlich gut — ist. Mit dieser Erklärung werden nun viele sofort einverstanden sein. Was folgt aber dann daraus? Daß das Böse unwirklich ist. Kein anderer Schluß ist möglich, wenn angenommen wird, daß Gott, das Gute, unendlich ist. Welch herrliche Entdeckung Mrs. Eddy durch ihre Treue gegen Gott als den unendlich Guten machte! Wer ihre Entdeckung nicht annimmt, geht wohl zu seinem eigenen Schaden und zum Schaden der Welt leicht darüber hinweg. Wer weiß, daß sie wahr ist, freut sich auf die frohe Zeit, wo die ganze Welt sie anerkennen und sich in Ehrfurcht vor Gott, „dem Vater des Lichts, bei welchem ist keine Veränderung, noch Wechsel des Lichts und der Finsternis”, beugen wird.
Das Böse ist unwirklich, weil Gott das unendlich Gute ist. Wie kann uns aber das Verständnis der Nichtsheit des Bösen vor dem Verbrechen schützen? In folgender Weise: das Denken, das weiß, daß das Böse unwirklich ist, und sich daher geistiger Ideen oder Eigenschaften, die gut sind, bewußt ist, ist unanfechtbar, weil kein Raum für böse Annahmen darin ist. Es kann nicht verbrecherisch sein, weil nur das Gute darin wohnt. Das Böse kann keinen Raum darin finden, mögen die anstürmenden bösen Einflüsterungen noch so heimtückisch sein. Der echte Christliche Wissenschafter ist überzeugt davon, weil er die Macht des Guten und die Machtlosigkeit des sogenannten Bösen wahrscheinlich schon oft in der eigenen Erfahrung bewiesen hat.
Bloßes Behaupten, daß das Böse unwirklich sei, wird an und für sich keinen Schutz vor den falschen Ansprüchen des Bösen gewähren. Um Schutz zu gewährleisten, müssen das Leben derer, die die Behauptung äußern, und ihr Verständnis miteinander übereinstimmen; d.h. ihr Leben muß rechtschaffen sein. Unsere Führerin schreibt auf der schon erwähnten Seite in „Miscellaneous Writings”: „Wenn man recht lebt, wird jedes Bemühen, einem zu schaden, einem nur helfen; denn Gott wird die Fähigkeit geben, alles, was den Fortschritt aufzuhalten sucht, zu überwinden”. Wie einfach sie es faßte —„wenn man recht lebt”! Was heißt recht leben? Es heißt die Gebote des Wegweisers Christus Jesus halten, nämlich Gott über alles und unsern Nächsten wie uns selber lieben. Und wir tun es, wenn wir rein im Denken und aufrichtig im Handeln, reich in Güte, barmherzig und freundlich im Umgang mit unseren Mitmenschen sind, kurz, unsere Christlichkeit wird zeigen, wie groß unsere Treue gegen die Gebote des Meisters ist.
Wenn der Schüler der Christlichen Wissenschaft bewiesen hat, wie das Verständnis der Allheit Gottes, des Guten, und der Unwirklichkeit des Bösen ihn schützt, fühlt er sich veranlaßt, das gewonnene Wissen, vielleicht mit Hilfe der berechtigten christlich-wissenschaftlichen Literatur, mit seinen Mitmenschen zu teilen. Aber außerdem läßt er sein Verständnis des Guten auf menschliche Zustände und Probleme einwirken, indem er behauptet, daß das Gute allein des Menschen Erbteil ist, und daß der Mensch unter dem einen wirklichen Gesetz — dem Gesetz Gottes — steht. Er verneint, daß das Böse wirklich sei oder Macht habe, und behauptet, daß es kein Gesetz des Bösen gibt, das ihn beeinflussen oder schädigen könnte. Glaubt jemand, daß dies nutzlose Arbeit sei? Es ist die allerlieblichst wirkende Arbeit, womit man sich überhaupt beschäftigen kann. Ihre Kraft, die Menschheit zu segnen, ist unberechenbar. Der Christliche Wissenschafter ist überzeugt, daß sie fortdauern muß bis jeder Anspruch des Bösen auf Wirklichkeit, Gegenwart und Macht vernichtet ist.
Wir sollten das Böse nie fürchten; denn dadurch würden wir uns unfähig machen, seinen Einflüsterungen, wenn sie auch falsch sind, zu widerstehen. Vielmehr sollten wir, da wir die Allheit Gottes kennen, das Gute lieben und Gutes tun. Im 121. Psalm sagt der Psalmist: „Der Herr behüte dich vor allem Übel”. Wir sollten immer an die große Wahrheit denken, daß der Mensch nie von Gott getrennt ist, und daß daher Gott immer auf seiner Seite ist. Mrs. Eddy drückt es in „Pulpit and Preß” (S. 4) so aus: „Jedes der Kindlein Christi spiegelt den Unendlichen wider; daher ist des Propheten Behauptung wahr, daß ‚einer auf Gottes Seite eine Mehrheit ist‘”.
