Menschliches Urteil mag unsere Führerin mit Recht als große, hervorragende Frau würdigen und tut es auch; aber der Christliche Wissenschafter ist es, der durch den geistigen Sinn und durch Beweis ihre wirkliche Individualität und die Geistigkeit erkennt, die sie zur Führerin macht. Und wie verhält es sich mit dieser Führerschaft? Wohin ist sie gerichtet? Welche menschlichen Theorien verwirft sie, und welche neuen und noch unerforschten Ausblicke erschließt sie den bisher verschlossenen Augen? Unzweideutig bezeichnet unsere Führerin den Ausgangspunkt und das Ziel dieses ganzen geistigen Weges. Auf „die wissenschaftliche Erklärung des Seins” in „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift” (S. 468) gründet die Entdeckerin und Gründerin der Christlichen Wissenschaft zuversichtlich ihre geistige Entdeckung des wissenschaftlich Wirklichen und des materiell Unwirklichen.
Wie überraschend schnell antwortete der unserer Führerin und ihrer Botschaft anfangs entgegengebrachte Zweifel auf die Frage Jesu betreffs des zweiten Wahrheit: „Doch wenn des Menschen Sohn kommen wird, meinst du, daß er auch werde Glauben finden auf Erden?” Erst nach Jahren namenlosen Mühens und Kreuztragens hatte unsere Führerin Nachfolger, deren Denken so vergeistigt war, daß sie ihre Lehre erfassen und zum Teil beweisen konnten. Die dem Offenbaren der Wissenschaft des göttlichen Gemüts vorausgegangene Pionierarbeit, die uns die Augen öffnete, bewältigte sie allein. Und mit welch heiligem Glauben sie dann ihre von Gott verordnete Mission, die Christliche Wissenschaft zu lehren und zu beweisen, übernahm, als Gott ihr zeigte, daß sie diese Arbeit beginnen sollte!
Für den Schüler der Christlichen Wissenschaft ist es von höchster Wichtigkeit, daß er die Wahrheit in folgender Erklärung unserer Führerin (Miscellaneous Writings, S. 105) versteht: „Die Christliche Wissenschaft ist mein einziges Ideal, und eine Person und ihr Ideal können nie voneinander getrennt werden. Wird eines davon mißverstanden oder verleumdet, so verfinstert es das andere durch den Schatten, den dieser Irrtum wirft”. Diese Erklärung enthält für den Christlichen Wissenschafter keinen Stein des Anstoßes betreffs Persönlichkeit; denn er versteht, daß sowohl die Offenbarung der Christlichen Wissenschaft als auch ihre Offenbarerin in der göttlichen Ordnung in unserer Zeit erschienen ist. Wiederholt gab unsere Führerin ihren Nachfolgern zu verstehen, daß sie sie verlieren, wenn sie sie in der Materie suchen.
Hier fällt der Verfasserin eine Begebenheit ein, an die sie gern zurückdenkt. Eines Sonntags kam unsere Führerin gegen Schluß des Morgengottesdienstes unangemeldet in Die Mutterkirche und nahm bei den Lesern Platz. Unsere Bewegung hatte gerade eine ernste Krisis überstanden. Mrs. Eddy hielt die auf Seite 120 bis 125 in „Miscellaneous Writings” gedruckte Ansprache, die in der Verfasserin das stille Verlangen wachrief: „Wie werde ich sie je erreichen”? Die Antwort kam in dem Gedanken: „Nur dadurch, daß du in ihren Fußtapfen wandelst, wie sie in den Fußtapfen unseres Meisters wandelt”.
Die Verfasserin wurde einmal gefragt, ob sie Mrs. Eddy fürchtete. Sie antwortete wahrheitsgemäß, daß sie niemand auf Erden gegenüber je so unbefangen gewesen sei: ihre große Liebe und ihr Verstehen brachte einem die eigene Wesenseinheit zum Bewußtsein. Das Nachdenken über ihr Leben unter uns klärt oft den Blick und erhebt das Denken zu Gott, der unendlichen Lebensquelle. Ihr reines Leben war in großem Maße die Widerspiegelung des göttlichen Vater-Mutter, der Liebe, und konnte daher auf Gott zurückverfolgt werden, wie man den durch das Fenster scheinenden Sonnenstrahl auf seinen Ursprung, die Sonne, zurückverfolgen kann. Wir staunen über das Leben unserer Führerin und seine immer reicher werdende Ernte. Gehorsam gegen die Führung des göttlichen Gemüts ist die einzige und genügende Erklärung dafür.
Unsere Führerin nicht nur aus ihren Büchern kennen, sondern sie auch persönlich gekannt zu haben, lüftet ein Geheimnis, über das sie in einem Briefe vom Juni 1903 in „The First Church of Christ, Scientist, and Miscellany” (S. 133, 134) schreibt. Die Christlichen Wissenschafter begnügen sich nicht damit, daß sie die göttlich eingegebene Lehre ihrer Führerin bloß glauben; denn sie sagt ihnen wiederholt, daß sie geistiges Verständnis erlangen müssen, um deren Regeln zu beweisen. Sie sollen die Bibel, das Lehrbuch und die anderen Schriften ihrer Führerin nicht nur lesen, sondern auch darüber nachdenken. Durch tiefe Hingebung nehmen sie sowohl den Buchstaben als auch den Geist dieser Bücher in sich auf. In der Offenbarung des Johannes lesen wir die Engelsbotschaft: „Gehe hin, nimm das offene Büchlein. ... Nimm hin und verschling es!”. In Wissenschaft und Gesundheit (S. 559) lesen wir mit Bezug auf diese Stelle: „Nehmt die göttliche Wissenschaft. Leset dieses Buch von Anfang bis zu Ende. Studiert es, sinnt darüber nach”.
Wir Christlichen Wissenschafter machen daher unsere Lehrbücher zu unserem Führer auf diesem ganzen Wege aus der Finsternis sterblichen Glaubens in das Licht geistigen Verständnisses hinein. Unsere Führerin warnt uns davor, uns von bloßer persönlicher Ansicht beeinflussen zu lassen, und empfiehlt jedem Schüler, selber zu studieren und sich darauf zu verlassen, daß sich die Wahrheit in seiner eigenen Erfahrung dem göttlichen Gesetz gemäß entfalten wird. Sie schärft die Notwendigkeit großer Geduld beim Lösen der Lebensprobleme durch die Lehren der Christlichen Wissenschaft ein. „Jahrhunderte werden vergehen”, sagt sie, „ehe die Darlegung der unerschöpflichen Gegenstände jenes Buchs [Wissenschaft und Gesundheit] genügend verstanden wird, um unbedingt bewiesen zu werden” (Miscellaneous Writings, S. 92). Ist es uns vollständig klar, daß es keinen einzigen christlich-wissenschaftlichen Schritt auf unserem Wege gibt, den unser großer Beispielgeber Christus Jesus, dem unsere geliebte Führerin so demütig nachfolgte, nicht schon gemacht hat?
Als Mrs. Eddy ihren Erwartungen zuwider fand, daß die Christlichen Wissenschafter zur Regelung ihres Verhaltens als Mitglieder Der Mutterkirche Satzungen brauchten, verfaßte sie das Kirchenhandbuch und gab uns die frohe Verheißung, daß das Befolgen der darin enthaltenen Vorschriften größere Geistigkeit zur Folge haben würde. Sie wünschte immer, daß Liebe den Gehorsam begleite. Sie hatte das Empfinden, daß es ohne Liebe keinen Gehorsam gegen das Prinzip geben könne. Um ihr im Abweichen von weltlichen Mitteln und Wegen und auf dem steilen Aufstieg zu dem geistigen Ziel zu folgen, ist tiefste Liebe zu ihr und Verständnis für ihre Mission unerläßlich. Ihre Aufgabe, dieses „Volk des Eigentums” zu führen, ersparte ihr, wie sie der Verfasserin einst erzählte, das Kreuz nicht. Mit unendlicher Geduld Anordnungen treffend und aufhebend, sah sie Gefahren, die den Schülern und der Sache drohten, voraus und beugte ihnen vor.
Ihre Beschreibung des eigenen Lebens, „Rückblick und Einblick”, ist ein wahrheitsgetreuer Bericht über diese große Frau und ihr fortschrittliches Leben. Das Kirchenhandbuch weist in Artikel VIII, Abschnitt 6 klar darauf hin, daß Mitglieder Der Mutterkirche eine „Pflicht” gegen ihre Führerin zu erfüllen haben, und daß die Möglichkeit besteht, daß sie sie vergessen, wenn sie sich nicht gegen angreifende Gedankenbeeinflussung schützen. Wahrlich, unsere „Pflicht” gegen unsere Führerin fordert, daß wir alles, was sie uns gesagt hat und uns durch ihre Bücher immer noch sagt, liebevoll beachten und befolgen. Es ist unsere Pflicht und Freude, ihre Führerschaft heute eine lebendige Wirklichkeit in unserem Herzen sein zu lassen und unsere Tatkraft voll und ganz der Befolgung ihrer Anweisung zur Förderung der Sache der Christlichen Wissenschaft zu widmen. Unsere Führerin erwartete von ihren Nachfolgern, daß sie die Satzungen, die Die Mutterkirche und die Zweigkirchen regieren, verstehen und überdies auf der Höhe der Zeit bleiben. Wir werden gelehrt, die Direktoren und die anderen Beamten Der Mutterkirche bei ihren hingebungsvollen Beratungen und Entscheidungen durch rechtes Denken zu lieben und zu unterstützen. Es ist die Pflicht Christlicher Wissenschafter, alle Einrichtungen der Kirche einschließlich des mit Ermächtigung unserer Führerin gegründeten Wohltätigkeitsvereins durch Gedanken und Taten liebevoll zu unterstützen.
Mrs. Eddy war außerordentlich praktisch. Unsere Arbeitsgebiete, die für die Herausgabe und den Verkauf ihrer Bücher, für alle Verwaltungszwecke und für die Veröffentlichung der Zeitschriften — der Organe Der Mutterkirche — Sorge tragen, haben sich mit zunehmendem Bedarf erweitert. Unermeßlich viel Gutes fließt durch alle weiten Kanäle Der Mutterkirche, und dem Wunsche unserer Führerin gemäß versorgen Christliche Wissenschafter sich nicht nur selber in reichem Maße damit, sondern sie finden auch beständig Mittel und Wege, ihre geistigen Schätze mit anderen zu teilen.
Manche mögen fragen, warum sich unsere Führerin in späteren Jahren von Außentätigkeiten zurückzog. Eine Erklärung entnehmen wir ihren eigenen Worten (Sentinel, 9. Jahrg., S. 1004): „Kann man mich nicht in Ruhe lassen, um jene Mission weiter zu verfolgen, bei der ich das berufene Werkzeug des göttlichen Seins bin, in der ganzen Welt Wahrheit und Frieden und Freudigkeit zu verbreiten?”
