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Das Kind und die Tiere

Aus der Mai 1936-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Ein an der Höhle einer Giftschlange spielendes kleines Kind oder ein kleiner Knabe, der wilde Tiere und Haustiere miteinander treibt — würde ein solcher Anblick nicht fast jeden Zuschauer erschrecken und außer Fassung bringen? Dennoch ist dies das prophetische Bild, das Jesaja von der Zeit entwirft, wo die Wahrheit allgemein verstanden werden wird. Aber welche Macht wird den Schlangenbiß verhindern und den Rachen und die Klauen der Raubtiere in ihrer Gewalt haben? Etwas mehr als Waffen oder bloße Körperkraft ist nötig, die Erfüllung der prophetischen Vision der Zeit, wo alle lebenden Geschöpfe einträchtig beieinander wohnen werden, herbeizuführen.

Fraglos sind die Geschöpfe ohne die sie anregenden fleischlichen oder tierischen Triebe harmlos. Der Schlangenbiß und die Raubgier des Löwen sind Auswirkungen der Triebe des fleischlichen Sinnes — der Willenskraft und des tierischen Wesens. Die Handlung eines Sterblichen, die einen andern verletzt oder tötet, ist die Folge der vermeintlichen Gedankenkräfte der Furcht und der Selbsterhaltung: Zorn, Neid und Haß. Der Gedankenzustand des tierischen Wesens ist es, was zu der Handlung treibt, die vergiftet oder verschlingt. In „The People’s Idea of God” (S. 10) schreibt Mary Baker Eddy: „Der Gedanke ist das Wesentliche einer Handlung und der stärkere Teil des Handelns”. Wahre Sicherheit liegt daher nicht im Bekämpfen und Töten von Sterblichen und wilden Tieren, sondern im Überwinden des tierischen Wesens: der Welt, des Fleisches und des Teufels.

Im Reiche des Denkens also treten wir grundlegend und wirksam den sogenannten Kräften des fleischlichen Sinnes entgegen. Das Tierische wird weniger durch Ringen mit seinen Erscheinungsformen als durch geistige Mittel überwunden. Kann man daran zweifeln, daß das Göttliche über dem Tierischen steht? Ja, was ist unwissende, rohe Gewalt angesichts geistigen Verständnisses? Sollen Weisheit, Güte und Heiligkeit von blindem, ungestümem Willen beherrscht werden? Nein! Das Wesen des reinen Gemüts, die Geistigkeit, die den Gedanken belebt, kann gewiß alles Sinnliche der fleischlichen Natur vernichten. Wahrhaftigkeit, Zärtlichkeit und Sittenstärke sind lauter Gedankenwesenheiten der göttlichen Wissenschaft, die Kindidee, die das empfängliche Gemüt sanft über das Gemeine der menschlichen Natur emporführt.

Wie natürlich es also ist, daß das erlösende Wesen der Liebe böse Gedanken im Zaum hält und verhindert, daß sie zur Tat werden! In seiner Prophezeiung des Kommens der Christusidee, auf der der Geist der Weisheit und des Verständnisses ruhen sollte, und die mit Gerechtigkeit und Glauben gegürtet sein würde, erklärte Jesaja: „Er wird mit dem Stabe seines Mundes die Erde schlagen und mit dem Odem seiner Lippen den Gottlosen töten”. Göttliche Inspiration, das Wesen der Wahrheit, die dem menschlichen Bewußtsein durch Vergeistigung des Denkens zuteil wird, macht das Fleischliche, das über alles Reine und Heilige herfallen möchte, ganz gewiß wirkungslos. In „Unity of Good” (S. 39) schreibt unsere Führerin: „Fleischeslust und hoffärtiges Leben müssen durch das göttliche Wesen — jene allmächtige Liebe, die Haß vernichtet, jenes Leben, das keinen Tod kennt —überwunden werden”.

Daß geistiges Denken das Wesen mächtiger Kraft und Tätigkeit ist, hat die Welt wenig verstanden. Ja, die geistigen Kräfte Demut und Sanftmut sind als übersinnlich und unwirksam bezeichnet worden. Jemand, der einem einen Streich gibt, den andern Backen darbieten, oder sein Leben für einen andern aufgeben, ist als duldend und unterwürfig angesehen worden. Und dennoch ist es dieses erhabene Wesen der Liebe, das durch wissenschaftliches Christentum beschützt und befreit.

Als Petrus zur Verteidigung seines Meisters dem Landsknecht in menschlich rachsüchtiger Weise das rechte Ohr abhieb, befähigte mächtige Sanftmut und Selbstlosigkeit Christus Jesus, das Ohr wiederherzustellen. Dem mildernden Einfluß des göttlichen Wesens weichen die feindseligen Triebe des physischen Lebens. Rachsucht, Halsstarrigkeit und Eigenwille vergehen, die Zähne und Klauen des tierischen Wesens lösen ihren Griff; die Gesinnung, die sticht und vergiftet, vergeht. Die auf der menschlichen Denkart ruhende heilende Berührung des Wesens des Geistes wirkt dem Irrtum fraglos ganz besonders und mächtig entgegen. Dieses geistig beseelte Denken ist sein eigener wortloser Beweisgrund; ja, es ist das Wesen der den Irrtum zerstörenden Liebe. Wenn auch die sanftmütigen und liebreichen Dinge des Geistes die Weisen verwirren, so haben sie doch Macht und Kraft. Wer tierischen Trieben des fleischlichen Sinnes entgegentreten muß, braucht sich nicht zu fürchten, wenn er das Wesen der Göttlichkeit in sich aufnimmt.

Daniel erklärte seine Sicherheit in der Löwengrube, wo er die ganze Nacht unversehrt zugebracht hatte, damit, daß die Engel den Löwen den Rachen zuhielten, da er unschuldig erfunden war und nichts Unrechtes getan hatte. Die Engelnatur, das durch dreimaliges Beten am Tage erlangte geistige Denken, erwies sich als viel mächtiger als das tierische Wesen und der gegen ihn gerichtete Haß. Da in Daniels Herz weder Groll wohnte noch der Irrtum einen Widerhall fand, verband ihn nichts mit den zerstörenden Kräften des tierischen Wesens. Er machte keinen Versuch, sich dem König gegenüber zu rechtfertigen oder die Missetaten seiner Verfolger aufzudecken, noch suchte er seine Feinde vor menschliche Gerichtsbarkeit zu bringen. Zweifellos betrachtete er die Erfahrung weniger von dem Standpunkte aus, daß ihm die Löwen kein Leid getan hatten, als daß er die Macht Gottes bewiesen hatte. Nicht nur wurde durch das engelähnliche Denken, das Wesen der Göttlichkeit, den Löwen der Rachen zugehalten, sondern auch der Verrat, der Neid und die Eifersucht derer, die Daniels Fall geplant hatten, wurden unschädlich gemacht. Die mörderischen Triebe seiner Feinde waren dem raubgierigen tierischen Wesen der Löwen verwandt. Kein Wunder also, daß diese Männer nachher, als sie in dieselbe Grube geworfen wurden, keine Herrschaft über die Tiere hatten und sofort überwältigt wurden. Weder Waffen noch Körperkraft, sondern das mächtige Wesen der Gerechtigkeit und der Unschuld waren Daniels wunderbarer Schutz vor den boshaften Machenschaften seiner Feinde.

Bildlich gesprochen herrschen heute Zustände in der Welt, als ob im Reiche des Denkens wildes tierisches Wesen losgelassen worden wäre. Das menschlich Gemeine hat im sozialen, politischen und nationalen Leben überhand genommen. Habgier, Unehrlichkeit und Verrat, erniedrigende Gewohnheiten und Begierden, der Genuß von Tabak, geistigen Getränken und Betäubungsmitteln nagen wie Raubtiere an den Sitten und Idealen des Menschengeschlechts. Diese heimtückischen Annahmen tierischen Wesens möchten, wenn möglich, die Schönheit und Lieblichkeit des Charakters vergiften und edle Ziele und Sittenbestrebungen unterdrücken. Nichtsdestoweniger sind keine dieser erniedrigenden Lockungen dem wahren Menschentum angeboren; es sind Einimpfungen von Sinnlichkeit, von Geschäftsanpreisungen und Magnetismus, die die höher strebenden Neigungen der Menschheit zu verderben suchen.

Welchen Schutz hat der arglose junge Mensch, der in diese materialistische Welt hinaustritt? Trotz seiner angeborenen Reinheit läßt sich der junge Mensch leicht täuschen. Wenn ihm der Geist der Welt eingepflanzt wird, kann er der Versuchung leicht zum Opfer fallen. Im Zusammenhang mit gewissen üblen Neigungen der ansteckenden Einflüsterung, daß „alle es tun”, zustimmen, verrät einen empfänglichen Gedankenzustand, der heimtückischen Lockungen der Schlange gegenüber noch nicht auf der Hut ist.

Wie angebracht also folgende Mahnung unserer Führerin betreffs mindestens einer fleischlichen Leidenschaft unserer Tage ist (Miscellaneous Writings, S. 240): „Wenn sie [die Kinder] ihren Vater mit einer Zigarette im Munde sehen, dann gib ihnen zu verstehen, daß die Gewohnheit des Rauchens nichts Schönes ist, und daß nur ein häßlicher Wurm naturgemäß Tabak kaut. Sage ihnen ebenfalls in verständiger Weise, daß ‚Battle-Ax Plug‘ den Menschen den Kopf abhaut, oder wenn er ihnen den Kopf läßt, ihrem Körper etwas Liebliches nimmt, was der Natur angehört,— nämlich reinen Wohlgeruch”. Da das Jugendgemüt von den starren Annahmen der Leute in reiferen Jahren frei ist, findet bei der Jugend, selbst wenn sie nicht mit allen Sittenvorschriften einverstanden sein mag, natürlicherweise das reine Wesen der Liebe und die Einfachheit der Wahrheit Anklang. Ja, wenn das göttliche Wesen das Denken eines jungen Menschen schon berührt, kann dieser der Giftotter und den wilden Tieren sterblichen Denkens begegnen und dennoch, wegen der Reinheit seines Charakters, keinen Schaden nehmen.

Fraglos ist das dringende Bedürfnis der Stunde, mehr vom Göttlichen in sich aufzunehmen; aber wie geschieht das? Nehmen wir nicht schon durch die zarte Berührung der Liebe, die wir in der Gemeinschaft mit Gott gewinnen, tatsächlich wahre Geistigkeit in uns auf? Wenn wir den materiellen Sinn zum Schweigen bringen und in geweihter Betrachtung über das geistige Leben nachdenken, erhebt sich der Gedanke über das körperliche Bewußtsein, und das Wesen der Liebe teilt sich uns mit, Göttlichkeit und Heiligkeit strömt uns zu, und wir empfangen geistige Ideen, das Läuternde und Heiligende des göttlichen Charakters, das erlöst und heilt.

Auch wenn das Materielle und die Vollkraft des leiblichen Lebens, weltliche Neigungen und Begierden durch läuternde Erfahrungen zusammenbrechen, wenden wir uns an Gott und nehmen das Wesen der Liebe in uns auf. Wenn sich das menschliche Gemüt ganz hilflos und verlassen fühlt, ist es eher geneigt, seinen Sinn von Selbsterhaltung so weit aufzugeben, daß es sich auf geistigen Schutz verläßt. Dann beginnt das Denken in angeborener Kindlichkeit alles Reine und Gute willkommen zu heißen. Wenn christliche Liebe unser Bewußtsein durchdringt, atmen unsere Gedanken, Worte und Handlungen den beschützenden engelähnlichen Geist des göttlichen Wesens. In Gebetskämmerlein, in Löwengruben und gefährlichen Höhlen geben wir das Tierische des menschlichen Wesens für das geistige Wesen der göttlichen Wissenschaft bereitwilliger auf als in weltlichen Machtstellungen oder in menschlichem Behagen.

Begegnet der Christliche Wissenschafter der eigenmächtigen Angriffslust des fleischlichen Sinnes, so bemüht er sich, ihren Einfluß durch göttliche Eigenschaften auszuschalten. Er lernt verstehen, daß tierischen Magnetismus wissenschaftlich handhaben nicht heißt, sich mit Personen und Lagen befassen, sondern jeden Glauben an den Irrtum, jeden Widerhall, den der Irrtum in seinem eigenen Bewußtsein finden mag, überwinden. Wird seine Gereiztheit und Empfindlichkeit geweckt, so ist er eher bestrebt, sie durch Vergeistigung seines Denkens zu überwinden als sich um die Personen zu kümmern, die sie wecken. Gibt es ein ausdrücklicheres und unmittelbareres Handhaben des tierischen Magnetismus als sein böses Wesen ohne Kampf zu vernichten, ehe die boshafte Absicht zu lügen, zu betrügen oder zu morden zur Tat werden kann?

In Wissenschaft und Gesundheit (S. 234) schreibt Mrs. Eddy von Jesus: „Er legte großes Gewicht auf die für die Sinne unsichtbare Tätigkeit des menschlichen Gemüts”. Wie ungemein wichtig es also ist, in die innersten Verstecke des sterblichen Denkens einzudringen und zuzusehen, daß Reinheit, Liebe, Weisheit und Verständnis das Wesen unseres Bewußtseins sind! Durch Vergeistigung seines Denkens und nicht durch bloßes Behaupten und Erklären, daß es kein Übel gebe, macht der Christliche Wissenschafter den Furchtmagnetismus und die angreifenden Annahmen des fleischlichen Sinnes unwirksam. Seine Gedanken, die sich vom Selbst zu Gott erheben, sind von Güte beseelt, und als „der stärkere Teil des Handelns” geben sie ihm Herrschaft über jede Lage; seine Freude und seine Freiheit werden unangreifbar. So schließt sein wahres Leben — der geistige Sinn seines Bewußtseins — das vollkommene Handhaben des tierischen Magnetismus in sich. Das von geistiger Liebe erfüllte Denken ist für den Materialismus undurchdringlich; es ist das Gesetz des Geistes, das das mutmaßliche Gesetz tierischen Wesens umkehrt. Nichts von Leidenschaft, Begierde oder Unreinheit kann dem überwindenden Wesen der Heiligkeit, der wahren Natur des Menschen, widerstehen.

Unauffällig flößt die göttliche Wissenschaft dem menschlichen Bewußtsein den Atem der Göttlichkeit ein, den Antrieb des Christuswesens, das die Welt erlöst und die Unwirklichkeit der angreifenden, boshaften Annahmen, die die Sterblichen und die Tiere anzuregen suchen, beweist. Wenn sich das allgemeine Denken vergeistigt und Nächstenliebe als Hauptgegenstand annimmt, erscheint dem menschlichen Verständnis eine neue Welt, und die Menschen werden sich eines neuen Lebens bewußt. Kein Sterblicher steckt so tief im Irrtum, daß sein Denken nicht von der tiefsten Stufe tierischen Wesens zu den höchsten Höhen des reinen Gemüts emporgehoben und durch sein eigenes Widerspiegeln des göttlichen Wesens umgewandelt werden kann. Durch geistiges Denken findet er seinen Weg aus dem körperlichen Bewußtsein heraus zum wissenschaftlichen Sein, wo es kein tierisches Wesen, kein fleischliches Denken, nichts gibt, was zum Verletzen oder Vernichten antreibt.

Hier in dem hoch über allen fleischlichen Annahmen stehenden geistigen Bewußtsein werden die Völker nicht nur die Waffen niederlegen, sondern auch ihr rassenbekämpfendes Wesen überwinden; und das mit der ganzen Schöpfung übereinstimmende ursprüngliche Wesen wahren Menschentums wird bewiesen werden. Schon wird das Zeichen des Tieres ausgelöscht, und die Kindidee der göttlichen Wissenschaft führt alle Völker in das Reich Christi, wo die allgegenwärtige Liebe alles allerhaben regiert.

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