Mary Baker Eddy, die Entdeckerin und Gründerin der Christlichen Wissenschaft, schreibt in „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift” (S. 474): „Christliche Wunder (und Wunder ist die einfache Bedeutung des griechischen Wortes, das in der englischen Übersetzung des Neuen Testaments mit ‘miracle’ wiedergegeben ist) werden von vielen mißverstanden und mißbraucht werden, bis das glorreiche Prinzip dieser Wunder erlangt ist”.
Manchen Leuten ohne Kenntnis dieses Prinzips ist es schwer gefallen, die wahre Art dieser „christlichen Wunder” zu verstehen, weil sie sie lediglich als Fälle der Gesetzesverletzung durch eine nicht verstandene und, wie sie glaubten, nicht verständliche übermenschliche Macht ansahen. Andere sind über die Wunder im Zweifel gewesen, weil sie glaubten, daß sie nur in Übereinstimmung mit dem sogenannten materiellen Gesetz vollbracht werden konnten. Wieder anderen ist es schwer gefallen, diese „Zeichen und Wunder” mit dem menschlichen Verstand zu vereinbaren, und sie haben sich daher bemüht, die Gründe dafür in der Natur zu finden.
Ein Vorkommnis, das dem menschlichen Gemüt wegen seines begrenzten Begreifens geistiger Wirklichkeiten und des göttlichen Gesetzes wunderbar erscheint, kann jedoch ganz verständlich sein, wenn es vom Gesichtspunkt des unendlichen Gemüts oder des Prinzips aus betrachtet wird. Was demnach dem menschlichen Sinn wunderbar erscheint, kann eine vollkommen natürliche und gesetzmäßige Bekundung der göttlichen Intelligenz sein.
Wohl eines der Dinge, die die im Glauben au die Wirklichkeit der Materie und des materiellen Gesetzes Befangenen am wenigsten verstehen, ist das sogenannte Wunder von den Broten und den Fischen. Auf Seite 89 und 90 in Wissenschaft und Gesundheit wirft Mrs. Eddy folgende das Denken anregenden Fragen auf: „Wenn Same nötig ist, um Weizen hervorzubringen, und Weizen, um Mehl hervorzubringen, oder wenn ein Tier das andere erzeugen kann, wie können wir dann ihren ersten Ursprung erklären? Wie wurden die Brote und Fische am Ufer des galiläischen Meeres vermehrt — noch dazu ohne Mehl oder Monade, aus denen Brot oder Fisch entstehen konnten ?” Es wäre wahrlich unsinnig zu glauben, daß diese Fragen aufgeworfen wurden, weil die Verfasserin glaubte, sie könnten nicht beantwortet werden. Für den Schüler der Christlichen Wissenschaft enthalten diese Fragen durch Schlußfolgerung zugleich die Antwort.
Die Bibel sagt (1. Mose 2, 4. 5): „Gott der Herr machte ... jede Pflanze auf dem Felde, ehe sie auf der Erde war, und jedes Kraut auf dem Felde, ehe es wuchs” (engl. Bibel). Und Mrs. Eddy schreibt über diese Bibelstelle (Wissenschaft und Gesundheit, S. 520): „Hier haben wir die nachdrückliche Erklärung, daß Gott alles durch Gemüt und nicht durch die Materie schafft — daß die Pflanze nicht infolge des Samens oder des Bodens wächst, sondern weil Wachstum das ewige Geheiß des Gemüts ist”.
Jesus kannte die grundlegende geistige Wahrheit der Schöpfung, und er wußte auch, daß der menschliche gefälschte Begriff der geistigen Wirklichkeit selber im wesentlichen mental ist. Sein Verständnis der Unendlichkeit, der Unerschöpflichkeit und der Geistigkeit der Versorgung, die nur aus Ideen besteht, bekundete sich äußerlich als angemessene Versorgung mit Speise zur Befriedigung des Bedürfnisses der Stunde. Daher war dieses sogenannte Wunder nichts anderes als eine natürliche, ordnungsmäßige Kundwerdung der Fähigkeit und Bereitschaft des Geistes, der göttlichen Liebe, menschliche Bedürfnisse in Übereinstimmung mit ihrem eigenen wohltätigen, unparteiischen Gesetz zu befriedigen. Auch war es nicht ein Fall, wo der Geist Materie schafft — etwas Unmögliches aus dem einfachen Grunde, weil Gleiches Gleiches hervorbringt, sondern es war ein Beispiel der Fähigkeit eines Menschen, der genug geistiges Verständnis hatte, das menschliche Denken der göttlichen Tatsache anzupassen, daß Versorgung unendlich und daher immer gegenwärtig ist und immer zu Gebote steht. Unsere Führerin schreibt (Miscellaneous Writings, S. 307): „Gott gibt dir Seine geistigen Ideen und diese wiederum geben dir, was du täglich brauchst”.
Was dem Volk damals wirklich not tat, war, aus der Knechtschaft des Glaubens, daß Versorgung materiell und daher begrenzt sei, und von dem weiteren Glauben, daß man irgendwo sein könne, wo es keine Versorgung gibt, befreit zu werden. Des Meisters Verständnis der göttlichen Tatsache, daß die Ideen des Gemüts einschließlich der Idee, die dem menschlichen Begriff von Speise zugrunde liegt, allgegenwärtig sind und immer zu Gebote stehen, wurde menschlich in reichem Vorrat für das Volk bekundet, so daß ihr Hunger in einer Weise gestillt wurde, die gewöhnlich als die natürliche angesehen wird.
Etwas Wichtiges an diesem Wunder ist, daß Jesus, als die Versorgung mit Speise dem menschlichen Sinn nicht angemessen erschien, dankte, offenbar für sein Verständnis der Fülle des göttlichen Gemüts. Im Evangelium des Matthäus lesen wir: „Und er nahm die sieben Brote und die Fische, dankte, brach sie und gab sie seinen Jüngern; und die Jünger gaben sie dem Volk. Und sie aßen alle und wurden satt; und hoben aus, was übrig blieb von Brocken, sieben Körbe voll”.
Als Jesus die Kranken heilte und die Toten auferweckte, wurde die menschliche Not gestillt durch sein Verständnis der Allgegenwart des Lebens und der Gesundheit und der daraus folgenden Unwirklichkeit der Krankheit und des Todes. Dies wurde offenbar in der Wiederherstellung derer, die tot oder dem Tode nahe zu sein schienen. Als er auf dem Wasser wandelte, veranschaulichte er die Fähigkeit eines Menschen mit unbegrenztem Verständnis des geistigen Gesetzes, das scheinbare Wirken des sogenannten materiellen Gesetzes der Schwerkraft aufzuheben. Ms er dann mit seinen Jüngern im Schiff war, waren sie „alsbald ... am Lande, da sie hin fuhren”. So bewies Jesus, daß der Glaube an materiellen Widerstand und der endliche Sinn von Zeit und Raum machtlos waren, sie davon abzuhalten, augenblicklich dort zu sein, wo sie sein sollten.
Diese und viele andere wunderbare Werke Jesu waren also nicht wunderbar im allgemein gültigen Sinne dieses Wortes, sondern höchst natürlich, weil sie das Ergebnis seines beweisbaren Verständnisses des unendlichen göttlichen Prinzips, des Gemüts, und dessen unwandelbaren Gesetzes waren. Darum können diejenigen, die durch die göttliche Wissenschaft das Verständnis und die Geistigkeit erlangen, die der Meister in unbegrenztem Grade besaß, dieselben oder ähnliche Werke wieder tun. Und darum konnte Jesus auch sagen: „Wer an mich glaubt [wer den Christus, die Wahrheit, versteht] der wird die Werke auch tun, die ich tue”.
