Wie oft wir doch schmerzliche menschliche Erfahrungen in die Länge ziehen und die vollständige Lösung unserer Probleme verzögern, weil wir nicht vorwärts gehen und nicht durch unsere Handlungen unser Vertrauen auf die Wahrheit, die wir erklären, beweisen! Als Christliche Wissenschafter erklären wir wissenschaftlich, daß der Mensch Gottes Sohn ist, und daß er daher gegen Sünde, Krankheit, Mangel und Leid gefeit ist. Wir behaupten, daß der Mensch durch Widerspiegelung vollständig ist und Herrschaft hat, und dann können wir, wenn wir nicht wachsam sind, finden, daß wir auf das materielle Sinnenzeugnis achten und den Rat unserer Führerin, zu „handeln wie einer, der alle Macht von Ihm besitzt, in dem wir unser Sein haben”, vergessen (Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift, S. 264).
Wir erklären die Wahrheit nicht, um materielle Annahmen in geistige Tatsachen umzuwandeln, noch in der Annahme, daß Sünde, Krankheit und Mangel jetzt etwas sind, daß sie sich aber in nichts auflösen, wenn wir die Wahrheit nachdrücklich genug erklären. Der einzige Grund, warum wir die Wahrheit beharrlich behaupten, ist, sie in unserem Bewußtsein so fest zu begründen, daß wir durch den trügerischen Anspruch des Bösen auf Wirklichkeit nicht mehr irregeführt werden, sondern die geistigen Tatsachen des Seins so klar sehen, daß das Böse als falsche Annahme und daher als Kundwerdung in unserer Erfahrung verschwindet-— gerade wie ein Rechenfehler durch richtige Anwendung der Rechenregeln verschwindet.
Des Menschen Vollkommenheit ist eine gegenwärtige Tatsache, nicht bloß eine künftige Möglichkeit. Jesus gründete sein Denken so unbedingt auf die Grundlage des Geistes, daß er mit der Materie überhaupt nicht rechnete. Am Grabe des Lazarus war er sich der Allheit des Lebens und der völligen Gewißheit der Unzertrennlichkeit des Menschen vom Leben so tief bewußt, daß er sich nicht veranlaßt fühlte, in das Grab hineinzusehen, um sich über den körperlichen Zustand seines Freundes zu vergewissern, ehe er ihm gebieterisch befahl: „Komm heraus”. Er wußte gewiß, daß gerade dort, wo Tod und Verfall sich zu behaupten suchten, das allgegenwärtige, ewige und unzerstörbare Leben war. Er machte der Annahme Zeit kein Zugeständnis und verordnete keine Wiederherstellungs- oder Erholungszeit zur Vervollständigung der Heilung. Er handelte wie einer, der alle Macht von Gott besitzt.
Diese Haltung müssen wir ungelösten Problemen gegenüber einnehmen. Untätiges, theoretisches Annehmen der Wahrheit genügt nicht. Es befähigt uns nicht, „unberührt inmitten des mißtönenden Zeugnisses der materiellen Sinne” (Wissenschaft und Gesundheit, S. 306) zu bleiben. Tiefe geistige Überzeugung ist erforderlich, unser Denken über das Sterbliche zu erheben und uns zu befähigen, mit dem klaren Blick geistiger Erkenntnis die Dinge so zu sehen, wie sie in dem Weltall des Gemüts wirklich sind.
Als die Kinder Israel auf ihrer Wanderung aus der Knechtschaft Ägyptens in das verheißene Land, wo Freiheit ihrer wartete, vor dem Roten Meer standen, wurden sie so von Furcht überwältigt, daß sie entschlossen waren, zurückzukehren. Aber Mose, der Gott um Führung bat, wurde ermahnt: „Was schreist du zu mir? Sage den Kindern Israel, daß sie ziehen”. Und erst, als sie sich nicht mehr vom äußeren Anschein der Lage schrecken ließen, als sie Gottes Gebot gehorchten und vorwärts zogen, teilten sich die Wasser, und sie zogen trockenen Fußes hindurch.
Liegt vor uns das Rote Meer in Gestalt von drohendem Mangel, Stellungsverlust oder einer schrecklichen Geschäftslage, so dürfen wir uns nicht mesmerisieren lassen durch das, was das Auge sieht oder das Ohr hört, deren Zeugnis nie zuverlässig ist. Laßt uns lieber über das Endliche hinausblicken, da wir doch wissen, daß die unendlichen Hilfsquellen des Gemüts der Idee des Gemüts, dem Menschen, stets zu Gebote stehen. Da der Mensch nie von dem Gemüt getrennt werden oder getrennt von dem Gemüt bestehen kann, kann er nie von seinem rechten Platz getrennt sein oder der Intelligenz, der Fähigkeit, des Muts oder der Weisheit ermangeln, die zur Lösung irgend eines Problems nötig sind. Nachdem diese geistigen Tatsachen in unserem Bewußtsein festgegründet sind, sind wir bereit, den nächsten und ebenso wichtigen Schritt zu machen: vorwärtszugehen und in die Tat umzusetzen, was wir als wissenschaftlich wahr erkennen. Was ist das Ergebnis? Nun, daß auch wir die herrliche Erfahrung machen, zu sehen, wie die Wasser des sterblichen Gemüts sich teilen, so daß wir „trocken”, d.h. auf der festen Grundlage wissenschaftlichen Beweises zu einer höheren Stufe der Erkenntnis und des Handelns vorwärtsgehen können.
Manchmal stehen wir beim Ausarbeiten eines Krankheitsproblems vor dem Roten Meer. Trotz unseres unerschütterlichen Festhaltens an der Wahrheit behauptet sich der Irrtum immer aufdringlicher, bis die Wasser sogar schon unsere Füße zu umspülen scheinen. Sollen wir der Einflüsterung des Irrtums Gehör schenken und glauben, daß sich die Wasser in diesem Falle wohl überhaupt nicht teilen werden, oder daß es vielleicht besser wäre, unsere Zuflucht zu einem andern Heilmittel zu nehmen? Nein! Dann ist es Zeit, des Vaters Hand noch fester zu fassen und das liebevolle Gebot vorwärtszugehen, zu befolgen, eingedenk, daß wir als die Söhne und Erben Gottes ermächtigt sind, zu „handeln wie einer, der alle Macht von Ihm besitzt, in dem wir unser Sein haben”.
Ein solcher Fall war ein sehr heiliges Erlebnis. Ein kleines Kind wurde von einer sogenannten akuten Krankheit befallen. Die Mutter und ein christlich-wissenschaftlicher Ausüber taten viel hingebungsvolle Arbeit; aber der Zustand des Kindes schien sich zusehends zu verschlimmern. Auf eindringliches Beharren anderer wurde etwa am dritten Tage ein Arzt gerufen. Nach seinem Urteil war der Fall hoffnungslos. Hier war in der Tat das Rote Meer! Aber die treuen Arbeiter gingen vorwärts, indem sie sich weigerten, an ein Gesetz außer dem Gesetz Gottes zu glauben, und standhaft von der Materie weg nach dem Geist sahen. Wieder einmal teilten sich die Wasser der Furcht und falscher Annahme, und es wurde bewiesen, daß der Weg vorwärts zu Sicherheit, Gesundheit und Freiheit führt.
Das Wunderbare beim Vorwärtsgehen ist, daß es jedesmal leichter wird, die Vorwände des Irrtums, die uns einzuschüchtern und unsere Schritte durch Furcht zu lähmen suchen, zum Schweigen zu bringen; denn durch jedes Erlebnis, das man richtig ins Auge faßt, wächst man mächtig im Glauben, in Sanftmut und Demut. Man lernt, daß man nur dann sicher geht, wenn man sich ganz an Gott hält, im Denken beständig das Gemüt widerspiegelt, der Wahrheit gehorcht, sich der Liebe ergibt. Diese Bekehrung des menschlichen Denkens zum Evangelium bringt den wirklichen Menschen ans Licht, von dem der Vater immerdar sagt: „Dies ist mein lieber Sohn, an welchem ich Wohlgefallen habe”.
