Skip to main content Skip to search Skip to header Skip to footer

Petrus der Ungestüme

Aus der Oktober 1940-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Unter den Jüngern Jesu, die während der drei denkwürdigen Jahre seines Wirkens bei ihm waren, schien Petrus beständig mit gewissen unglückseligen Charaktereigentümlichkeiten zu kämpfen, die seinem Fortschritt anscheinend immer im Wege standen. Denn menschlich gesprochen war Petrus einer von denen, die, wie die Welt sagt, eine natürliche Neigung zu haben scheinen, Fehler zu machen. Er könnte „Petrus der Ungestüme” genannt werden, da er impulsiv handelte, voreilige Schlüsse zog, immer versuchte, Stellungen einzunehmen, denen er nicht gewachsen war. Dies mag gut auf manche jener späteren Nachfolger Christi passen, die heute denselben unweisen Eifer bekunden, der Petrus zu kennzeichnen schien.

Leiden manche, die dies lesen, vielleicht noch unter der Erinnerung an einen unweisen impulsiven Schritt, den sie schnell als falsch erkannten, so können sie Trost darin finden, daß sie daran denken, wie Jesus diesen ungestümen Jünger Petrus liebte. Denn bei seinem außergewöhnlichen geistigen Scharfblick sah Jesus, was vielleicht anderen entging, daß unter der Oberfläche dieses zuweilen so schwierigen vielseitigen Charakters ein gut Teil unerschütterlicher und herrlicher Standhaftigkeit lag.

Denn Petrus war gelehrig. Sobald er seine Fehler einsah, begann er mit gleichem Ungestüm alles zu tun, was er konnte, sie zu verbessern. Als unser Meister bei dem letzten Abendmahl jenen letzten Beweis seiner Liebe und Demut gab, indem er den Jüngern die Füße wusch, nahmen alle dies an außer Petrus, der heftig protestierte: „Nimmermehr sollst du mir die Füße waschen!” Mit der vorbildlichen Geduld, die ihn immer kennzeichnete, erklärte Jesus: „Werde ich dich nicht waschen, so hast du kein Teil mit mir”. Und wie plötzlich Petrus dann seine vorherige Haltung änderte! Er wollte nicht nur die Füße, sondern auch die Hände und das Haupt gewaschen haben. Ist es da zu verwundern, daß Jesus ihn liebte? Wer könnte zögern, einen zu lieben, der seinen Fehler so schnell zugibt und sofort gutzumachen sucht! Das mentale Pendel mag manchmal, wie in diesem Falle, zu weit nach der andern Seite ausschlagen; aber dies ist wenigstens ein Zeichen der Willigkeit zuzugeben, daß man unrecht gehabt hat.

Leider mögen manche Petrusse von heute ihre Willigkeit, dies zu tun, nicht immer so klar zu erkennen geben. Sie haben bekanntlich manchmal, z. B. in einer Kirchenangelegenheit, einen Standpunkt vertreten, an dem sie um jeden Preis festhielten, obgleich sich später herausstellte, daß der Standpunkt falsch war. Vielleicht haben sie sich in den Kopf gesetzt, daß sie, da sie nun einmal für etwas „einen Standpunkt eingenommen” haben, daran festhalten müssen, sei er recht oder falsch. Dies schafft manchmal sehr schwierige Lagen für andere Arbeiter, die nicht immer jene erhabene Geduld besitzen mögen, die Jesus kennzeichnete. Solchen Leuten mag die Erkenntnis helfen, daß Jesus den Petrus nicht wegen seiner Fehler liebte, sondern wegen seiner Bereitschaft, sie einzugestehen, und wegen der wirklichen Gelehrigkeit und Demut, die ihn befähigten, im Herzen jene drei Worte zu sagen, die zu sagen uns manchmal als die schwersten in der Welt erscheinen, die drei Wörtchen: „Ich hatte unrecht”.

Petrus dachte immer schnell, und sein Denken war sofort vom Handeln begleitet. Als Jesus ihn zu ihm kommen und auf den Wellen gehen hieß, trat er ohne Zögern auf das Wasser hinaus. Zwar ergriff ihn Furcht; aber er ging doch einige Schritte, ließ sich wegen seiner Furcht zurechtweisen und kehrte, von dem Meister unterstützt, in das Schiff zurück. Und das ist mehr, als von den anderen Jüngern gesagt werden kann. Und wiederum an jenem Morgen, als die verzagten Jünger erfolglos gefischt hatten und eine Stimme ihnen vom Ufer zurief: „Kinder, habt ihr nichts zu essen?”, war es Johannes, der Jesus zuerst erkannte; aber es war Petrus, der „das Hemd um sich gürtete ... und sich ins Meer warf”. Obgleich er bei einer früheren Gelegenheit seinen Herrn in einer Stunde der Furcht und der Bedrängnis verleugnete, bereute er es sofort, wie berichtet ist. Die anderen Jünger mögen erst später die Ungeheuerlichkeit ihrer Abtrünnigkeit im entscheidenden Augenblick, als ihr Meister ihrer am meisten bedurfte, erkannt haben; aber Jesus brauchte sich nur umzuwenden und Petrus anzusehen, um ihn bitterlich weinend aus des Hohenpriesters Haus gehen zu lassen.

Wenn ihm damals jemand gesagt hätte, daß er einmal in einen dunkeln „Söller” hinaufgehen und dort eine Tote auferwecken würde, hätte er es wohl nicht für möglich gehalten. Wenn ihm jemand gesagt hätte, daß er von dem geliebten Meister, den er verleugnet hatte, in verhältnismäßig kurzer Zeit den heiligen Auftrag: „Weide meine Schafe”, erhalten würde, hätte er wohl sagen können, daß ein solches Vergeben dem menschlichen Sinn unfaßlich sei, und mit Recht. Aber bei seinem geistigen Scharfblick muß Jesus gesehen haben, daß Petrus trotz seiner vielen Fehler vorbereitet war, die Lehren jener denkwürdigen drei Jahre in standhafter Treue weiterzuverbreiten. In jener bitteren Stunde der Schande und der Demütigung mag sich Petrus erinnert haben, daß Jesus auch einmal zu ihm gesagt hatte: „Simon, Simon, siehe, der Satanas hat euer begehrt, daß er euch möchte sichten wie den Weizen; ich aber habe für dich gebeten, daß dein Glaube nicht aufhöre. Und wenn du dermaleinst dich bekehrst, so stärke deine Brüder”.

Was für ein Lichtstrahl jene Versicherung gewesen sein muß, die Finsternis seiner Traurigkeit und Selbstverdammung zu vertreiben! Jesus hatte ihn geheißen, die Brüder zu stärken! Er, der überhaupt keine Stärke, keine Standhaftigkeit, keinen sittlichen Mut zu haben schien, wenn diese Eigenschaften am nötigsten waren, sollte andere stärken! Geistige Wahrnehmung wie die seine war der „Fels”, auf dem das Christentum stehen sollte. Sein Meister vertraute ihm!

Daß er dieses Vertrauens würdig war, ist bewiesen; denn an diesen ungestümen Petrus wandte sich eine trauernde kleine Gruppe Leute in der Stunde der Not. In Joppe war viel später ein gewisses Weib namens Tabea gestorben, und ihre Freunde ließen Petrus holen. Er fand sie auf dem Söller versammelt, wohin sie sie gelegt hatten, und bei seiner Ankunft zeigten sie ihm weinend die „Röcke und Kleider”, die sie gemacht hatte, und erzählten ihm von ihren „guten Werken und Almosen, die sie tat”. Ein gutes Weib war Tabea! Aber menschliche Güte genügte nicht, sie von „dem letzten Feind” zu erretten. Das Verständnis des Lebens, der Wahrheit und der Liebe und nichts anderes kann es. Daher „trieb er sie alle hinaus” mit ihren Klagen, die vielleicht die Wehklage in sich schlossen, daß jemand so gut und fromm wie Tabea hätte nicht sterben sollen. Und als alle hinausgegangen waren, begann Petrus zu beweisen, daß sie nicht nur nicht hätte sterben sollen, sondern daß sie in Wirklichkeit nicht tot war. Er „kniete nieder und betete”. Und da Petrus bei Jesus gewesen war, verstand er zu beten. „Und sie tat ihre Augen auf; und da sie Petrus sah, setzte sie sich wieder”.

Wenn ein Petrus von heute vielleicht einen früheren Fehler nicht vergessen kann, sollte er daran denken, daß unsere geliebte Führerin Mary Baker Eddy geschrieben hat (Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift, S. 324): „Die Freudigkeit, die falschen Marksteine zu verlassen, und die Freude, sie verschwinden zu sehen—eine solche Gesinnung beschleunigt die endgültige Harmonie”. Ein Fehler ist immer ein falscher Markstein. Er weist auf einen falschen Sinn des Menschen hin, auf etwas, was in der göttlichen Wirklichkeit unbekannt ist. Wenn jemand gründlich bereut und alles getan hat, was möglich ist, um es wiedergutzumachen, sollte er dann sein ganzes irdisches Leben lang traurig auf den falschen Markstein blicken? Das ist sicher nicht Gottes Weg. Gottes Gesetz fordert, daß wir uns von allem abwenden, was je einen falschen Sinn des Daseins hat erkennen lassen, anstatt wehmütig, nutzlos, scheinbar endlos darüber nachzugrübeln, wodurch wir seinen Anspruch, Leben und Wirklichkeit zu haben, seinen Anspruch, daß er uns elend machen könne, verlängern.

Die Christliche Wissenschaft gibt nicht zu, daß es zwei Arten Mensch, einen vollkommenen und einen unvollkommenen, geben könne. Das ist die falsche Gotteslehre, die lange Gesichter, schwere Herzen, langsame und müde Schritte zur Folge hat. Laßt uns wissen, daß keine boshafte Anstrengung des sogenannten fleischlichen Sinnes die Macht hat, uns unserer Freude in Christo zu berauben! Gab es einmal einen feurigen Ofen? Wir sind daraus heraus. Gab es einmal eine lange Strecke Wüstensand? Wir haben die Erfahrung hinter uns. Warum sollen wir dann zurückgehen und sie noch einmal machen? „Gott fordert, was vergangen ist”. Laßt uns doch nicht mehr eine Welt sehen, in der Unvollkommenheit Raum hat oder je Raum hatte oder je Raum wird haben können! Mrs. Eddy schreibt (Miscellaneous Writings, S. 130): „Wo der Beweggrund besteht, recht zu tun, und die Mehrzahl unserer Handlungen recht ist, sollten wir vermeiden, vergangene Fehler zu erwähnen”. Warum die falschen Marksteine nicht jetzt, heute, verlassen? Was für eine Erleichterung es sein wird, jene nutzlosen, quälenden, verfolgenden Erinnerungen an das, was die Welt „die Vergangenheit” nennt, nicht mehr zu sehen und gerade heraus aus dem Schatten in Gottes herrlichen Tag zu gehen und den Frieden zu erleben, der das Verständnis jenes Lebens begleitet, das keine „Vergangenheit” kennt, eines „Lebens, das alle Dinge neu macht”!

Der Petrus, der jene bescheidene Wohnstätte damals verließ, wo die Allgegenwart des Christus der Menschheit wahrnehmbar gemacht worden war, war nicht Petrus der Ungestüme, sondern Petrus der Demütige, der Gemäßigte, der Geläuterte. Wir können auch nicht annehmen, daß er nur an den glücklichen Haushalt, den er soeben verlassen hatte, oder an Tabea dachte. Als er still nach Hause ging, leuchtete sicher aus dem rauhen Gesicht eine Freude, die es verschönte, und in seinem Herzen mag etwas immer wieder gesungen haben: „Er vertraute mir. Der Meister vertraute mir. Er wußte, ich würde ihn nicht enttäuschen”!

Wenn Sie mehr Inhalte wie diese erforschen möchten, können Sie sich für wöchentliche Herold-Nachrichten anmelden. Sie erhalten Artikel, Audioaufnahmen und Ankündigungen direkt per WhatsApp oder E-Mail. 

Anmelden

Mehr aus dieser Ausgabe / Oktober 1940

  

Die Mission des Herolds

„... die allumfassende Wirksamkeit und Verfügbarkeit der Wahrheit zu verkünden ...“

                                                                                                                            Mary Baker Eddy

Nähere Informationen über den Herold und seine Mission.