Als Mary Baker Eddy, die Entdeckerin und Gründerin der Christlichen Wissenschaft, vor mehr als 60 Jahren über das Thema Versöhnung schrieb, erklärte sie: „Die Zeit ist nicht fern, wenn die herkömmlichen theologischen Ansichten über die Versöhnung eine große Wandlung erfahren werden — eine ebenso durchgreifende Wandlung, wie die öffentliche Meinung in Bezug auf Gnadenwahl und zukünftige Strafe erfahren hat” (Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift, S. 24). Daß diese Prophezeiung in Erfüllung gegangen ist, ist daran zu sehen, daß seither viele Taufende erkannt haben, daß Versöhnung nicht eine Erfahrung ist, die einer für einen andern machen kann, sondern eine solche, die jeder einzelne in dem Maße seiner Erkenntnis der göttlichen Tatsache der Einheit des Menschen mit Gott macht, daß der Mensch — der Sohn Gottes — kein von dem unendlichen göttlichen Prinzip, dem Leben, der Wahrheit und der Liebe getrenntes Dasein oder Bewußtsein hat.
Die Christliche Wissenschaft hat unzählige Tausende erkennen gelehrt, daß kein Opfer, so groß es auch sei, von jemand, so gut er auch sei, an sich genügen könnte, andere von Sünde zu erlösen, selbst wenn es mit ehrfurchtsvoller Dankbarkeit anerkannt würde. Und der Grund hiefür ist, daß Erlösung von Sünde nur durch eine gründliche Änderung im eigenen Denken und Betragen kommt. Keiner kann diese Änderung für einen andern bewirken, so gern er es auch möchte, weil man nicht für einen andern denken kann. Man kann einem andern zeigen, wie er wahrhaft denken kann; aber der andere muß früher oder später seine Gedanken und Handlungen selber verbessern. Da Mrs. Eddy dies als Tatsache erkannte, schrieb sie (Wissenschaft und Gesundheit, S. 24): „Betrachtet die scholastische Theologie die Kreuzigung Jesu hauptsächlich als ein Mittel zur Verzeihung, das stets bereit ist für alle Sünder, die darum bitten und willens sind, sich vergeben zu lassen?” Und sie beantwortet diese Frage auf derselben Seite wie folgt: „Die Wirksamkeit der Kreuzigung lag in der praktischen Liebe und Güte, die sie für die Menschheit demonstrierte”. Der praktische Wert des Opfers, das der von Gott gesalbte Lehrer Christus Jesus darbrachte, lag also in dem von ihm erbrachten Beweis der Kraft des Geistes, des Lebens, der Liebe, die sterblichen Annahmen Materie, Böses, Haß und Tod zu überwinden. Aber seine Nachfolger müssen wie er die Allmacht des göttlichen Gemüts selber beweisen und dadurch zeigen, daß sie seine Gebote verstehen und aus seinem Beispiel Nutzen ziehen.
Vermöge ihrer scharfen Wahrnehmung der genauen, wissenschaftlichen Art der Versöhnung Jesu und in wahrer Würdigung der wunderbaren Bedeutung seiner Versöhnung für die Menschheit schreibt unsere Führerin auf Seite 18 in Wissenschaft und Gesundheit: „Die Versöhnung ist die Veranschaulichung der Einheit des Menschen mit Gott, wodurch der Mensch göttliche Wahrheit, göttliches Leben und göttliche Liebe widerspiegelt. Jesus von Nazareth lehrte und demonstrierte des Menschen Einssein mit dem Vater, und dafür schulden wir ihm endlose Ehrfurcht. Seine Mission galt sowohl ihm selber als auch der Gesamtheit. Er erfüllte sein Lebenswerk in der rechten Weise, nicht nur um sich selber gerecht zu werden, sondern auch aus Erbarmen mit den Sterblichen — um ihnen zu zeigen wie sie ihr Lebenswerk zu erfüllen hätten, nicht aber, um es für sie zu tun oder sie einer einzigen Verantwortlichkeit zu entheben”.
Daß Jesus die unendliche, allumfassende und ewige Art der Versöhnung — der Einheit oder des Einsseins des geistigen Menschen mit dem göttlichen Gemüt — verstand, geht klar aus seinem Gebet im 17. Kapitel des Evangeliums des Johannes hervor, wo er sagt: „Und nun verkläre mich du, Vater, bei dir selbst mit der Klarheit, die ich bei dir hatte, ehe die Welt war. Ich habe deinen Namen offenbart den Menschen, die du mir von der Welt gegeben hast. Sie waren dein, und du hast sie mir gegeben, und sie haben dein Wort behalten. ... Ich bitte aber nicht allein für sie, sondern auch für die, so durch ihr Wort an mich glauben werden”. Diese Worte des Meisters zeigen, daß die Klarheit, um deren Offenbarwerdung er betete, kein persönlicher Besitz ist. Sie ist im Gegenteil eine allumfassende geistige Eigenschaft des göttlichen Gemüts, die nicht nur Jesus und seinen unmittelbaren Jüngern zur Verfügung stand, sondern jetzt allen zur Verfügung steht, die durch seine Lehren den Christus, die Wahrheit, verstehen können.
Die Christliche Wissenschaft befähigt diejenigen, die ernstlich bestrebt sind, den Christus — die geistige Idee Gottes — zu verstehen und zu beweisen, in dem Grade ihres Verständnisses darzutun, daß die Klarheit, die Christus Jesus bei dem Vater hatte, „ehe die Welt war”, hier und jetzt bei den Menschen gegenwärtig ist und ihnen zu Gebote steht. Mrs. Eddy hat der Welt in ihrem Lehrbuch und in ihren anderen veröffentlichten Werken die göttliche Tatsache enthüllt, daß das geistige Selbst jedes einzelnen wie das geistige Selbst Christi Jesu die Klarheit, die Vollkommenheit, die Heiligkeit des Seins ausdrückt, das die wahre Art oder das wahre Wesen Gottes kundtut — verkündigt oder veranschaulicht.
Durch diese unschätzbare Enthüllung beweisen die Christlichen Wissenschafter täglich, daß bewußte Einheit mit Gott, dem unendlich Guten, die Möglichkeit des Glaubens an die Wirklichkeit des Bösen ausschließt. Sie beweisen auf praktische Art, daß die Vergegenwärtigung des unzerstörbaren Einsseins des Menschen mit dem Geist den Glauben an die Materie und ihre sogenannten Gesetze und die Furcht davor zerstört. Sie finden, daß die Erkenntnis der Unzertrennlichkeit des Menschen von Gott, dem einen Leben oder Sein, sie von den sogenannten Gesetzen der Sünde und des Todes befreit. So erfahren die Schüler der Christlichen Wissenschaft durch deren Lehren stufenweise die Ergebnisse rechten Wissens und beweisen auf praktische Art, daß die Versöhnung, recht betrachtet, sowohl eine persönliche als auch eine fortdauernde Erfahrung ist.
Die Christlichen Wissenschafter anerkennen dankbar, daß die Versöhnung Jesu wirksam war, weil sie der Menschheit die unzerstörbare Einheit oder das unzerstörbare Einssein des geistigen Menschen mit seinem unendlichen göttlichen Prinzip, der Liebe, auf praktische Art bewies. Durch diesen Beweis der göttlichen Einheit Gottes und des Menschen als Ursache und Wirkung zeigte Christus Jesus, daß er in der Tat der Wegweiser war, durch dessen Beispiel alle Menschen die vollständige Unwirklichkeit der Sünde, der Krankheit und des Todes beweisen können und schließlich beweisen müssen. Alle müssen früher oder später vollständige Befreiung von Krankheit, Sünde, Armut, Begrenzung und anderen unharmonischen Erscheinungsformen der menschlichen Erfahrung erlangen, und dies kann nur durch Erkenntnis der ewigen Einheit des Menschen mit dem Leben, der Wahrheit und der Liebe geschehen.