Nichts ist heute und jeden Tag für die Menschheit wichtiger als das Wesen Gottes und des Menschen Beziehung zu Ihm zu verstehen und dies in allen Dingen vor Augen zu behalten. Gott ist in einem Zeitalter nicht anders als in einem andern; der einzige mögliche Unterschied ist im menschlichen Begriff von Ihm. Es gibt Zeiten, wo die Menschen Gott ganz zu vergessen scheinen, wo der Glaube, daß es etwas neben Ihm gebe, ihre ganze Aufmerksamkeit in Anspruch nimmt? aber das ist ein Gedankenzustand, der früher oder später berichtigt werden muß.
Jesu Wirken bestätigte die Tatsache, daß die Anwendung seiner Lehren die einzige Pforte zum Himmelreich ist. Seine einzige Tätigkeit auf Erden war, wie er zu Pilatus sagte, „für die Wahrheit zu zeugen”. Und hieraus folgt, daß es auch unsere Tätigkeit ist, wenn wir seine Jünger sein wollen. Seine Gedanken wurden nicht von den Übeln befleckt, die ihn zu umgeben schienen, weil er sich immer seiner Einheit mit dem Vater bewußt war und wußte, daß das Böse nicht besteht, weil Gott unendlich ist. Ist dieselbe bewußte Haltung den Christen nicht auch heute möglich?
Da so viel von unserem Leben Plattheit ist und in Materialität gehüllt zu sein scheint, denken manche, es sei unpraktisch, beständig an Gott zu denken. Wenn wir uns aber vergegenwärtigen, daß es getrennt von Ihm kein wirkliches Dasein oder Bewußtsein gibt, sollten wir bestrebt sein, die mentale Haltung zu erlangen, die alles wirkliche Sein als von Gott und des Menschen ununterbrochene, unzerstörbare göttliche Sohnschaft erkennt. Wenn wir sehen, daß nur unsere geistige Wesensübereinstimmung wirklich ist, werden wir es möglich finden, uns immer als das zu erkennen, was wir wahrhaft sind —Gottes Kinder.
Wenn unsere Gedanken gut sind, „ist jede Stätte geheiligter Boden”. Die nötigen Alltagsaufgaben, wenn liebevoll erfüllt, werden an der Art göttlichen Dienens teilnehmen, und dieser Geist der Dienstbereitschaft wird alles, was wir recht tun, verherrlichen. So bietet die Runde der täglichen Angelegenheiten immer Gelegenheiten, Gott besser zu erkennen und Ihm mehr zu vertrauen. Das göttliche Prinzip alles wirklichen Seins ist immer gegenwärtig zu helfen, was auch unsere materielle Beschäftigung sein mag, ob sie für einen hohen oder einen geringeren Dienst gehalten wird. Der Meister lehrte seine wunderbaren Lehren Männer und Frauen, wie wir heute sind—die Hohen und Niederen, die Reichen und Armen—ohne Unterschied. Ebenso verhält es sich mit der Offenbarung der Christlichen Wissenschaft, welche unmittelbar allen zugänglich ist, die mit den der Menschheit gemeinsamen Problemen und Versuchungen ringen, und in jeden Augenblick ihres Lebens aufgenommen werden kann.
Der menschliche Sinn des Daseins besteht nicht bloß aus den großen Dingen. Die sogenannten Großtaten der Welt werden nicht die ganze Zeit ausgeführt. Die Menschen werden nach ihrem Charakter beurteilt, nach dem, was sie in ihrem Denken sind, wie sie ihre täglichen Erfahrungen, die Verdrießlichkeiten, die Versuchungen und die fast endlose Reihe weltlicher Forderungen meistern. Das Betragen des einzelnen in diesen Dingen wird durch sein Denken regiert, das seinen Fortschritt himmelwärts fördert oder hindert. Aufreizungen gegenüber geduldig und liebevoll sein, in den Reibungen der täglichen Beziehungen liebenswürdig freundlich und rücksichtsvoll sein, tagaus, tagein Gottes Gedanken ausdrücken, trägt zur Bildung eines christlichen Charakters bei und bereitet einen so auf die gelegentlichen großen Dinge vor, die zu tun man Gelegenheit haben mag.
Seine Gedanken oder seine Gesinnung in irgend einem Augenblick vom Bösen zum Guten ändern, ist, abstrakt betrachtet, ein einfacher und leichter Vorgang, so einfach und leicht, daß er allzuoft vernachlässigt wird. Dennoch ist dieses Ersetzen des Bösen durch Gutes in jedem Augenblick das einzige Mittel, wodurch wir unser gewöhnliches tägliches Leben göttlich machen können. Meint unsere Führerin dies nicht, wenn sie schreibt (The First Church of Christ, Scientist, and Miscellany, S. 160): „So leben, daß das menschliche Bewußtsein in beständiger Beziehung zu dem Göttlichen, dem Geistigen und dem Ewigen bleibt, heißt sich die unendliche Kraft zu eigen machen; und dies ist die Christliche Wissenschaft”?
Was wir in unseren täglichen Erfahrungen mit dem tun, was wir von der Christlichen Wissenschaft wissen, ist der wirkliche Prüfstein unserer Treue gegen ihre Lehren. Die Unendlichkeit des Guten ist die wesentliche Tatsache des Seins, die ohne Rücksicht auf Umgebung oder Umstände angenommen werden muß. Wegen dieser geistigen Tatsache gehört der Augenblick, in dem wir jetzt leben, denken und arbeiten, nur der Gottheit; und diese geistige Tätigkeit wird in alle Ewigkeit fortdauern. Die Annahme, daß es ein Bewußtsein neben dem unendlichen göttlichen Bewußtsein gebe, ist nur die eitle Einbildung der Unwissenheit und des Irrtums.
Der Platz, den wir in aller Aufrichtigkeit Gott in unserem täglichen Leben einräumen sollten, läßt für nichts anderes Raum übrig, da wir Christliche Wissenschafter behaupten, daß es nichts anderes gibt. Es ist nicht vernünftig, die Lehre zu verdammen, daß Gott das Böse bestehen und in der Welt wirken lasse, wenn wir dessen Gegenwart und Tätigkeit in unserem eigenen Leben zugeben. Wie können wir, wenn wir davon überzeugt sind, daß Gott das einzige Gemüt ist, zu gleicher Zeit so denken, als ob wir ein von dem göttlichen Gemüt getrenntes eigenes Gemüt hätten? In „Miscellaneous Writings” (S. 196, 197) schreibt Mrs. Eddy: „Die Heilige Schrift fordert mehr als ein einfaches Zugeben und ein oberflächliches Annehmen der darin dargebotenen Wahrheiten; sie fordert einen lebendigen Glauben, der ihre Lehren unserem Leben so einverleibt, daß diese Wahrheiten die treibende Kraft zu jeder Handlung werden”.
Man hat das Grundwesentliche wahren Lebens erst erfaßt, wenn man erkennt, daß man ohne Gott nichts tun kann. Alles, was auszudrücken oder zu tun recht ist, ist nur auf Grund dessen, was Gott ist, möglich. Dieses unendliche Prinzip ist jeden Augenblick, unter allen Umständen, in jeder Beziehung, in allen unseren Obliegenheiten allgemein zugänglich, immer bereit, die Kraft, die Weisheit, die Intelligenz, den Mut, die Stärke und die Anmut mitzuteilen, deren wir bedürfen.
Paulus schrieb den Christen zu Korinth: „Was ihr tut, so tut es alles zu Gottes Ehre”. Man sollte sehen, daß alles, was nicht von diesem Standpunkte aus getan werden kann, nicht wert sein kann, getan zu werden. Wie kann man nur denken, Gott aus seinem Geschäftsleben, aus seinen häuslichen und gesellschaftlichen Angelegenheiten auszuschließen, und etwas von Wert übrig haben? Gott und den Eigenschaften, die Ihn ausdrücken, nicht ihren rechtmäßigen Platz in dem einräumen, was wir denken oder sagen oder erstreben, würde geistige Verarmung bedeuten. Wenn wir die bewußte Freiheit der Kinder Gottes erlangen wollen, müssen wir in unserer Erfahrung an den Punkt kommen, wo wir unsere Tätigkeiten so zu führen und unsere Interessen so zu verfolgen beginnen, als ob wir tatsächlich glauben, daß Gott für uns alles ist, was wir sagen, daß Er sei.
Jeder Mensch hat immer das Beste in sich, das zu denken und zu tun er fähig ist; und das mindeste, was Gott von uns fordern kann, ist, daß wir diesem Besten treu sind. Denn in dieser Weise nähern wir uns dem Göttlichen. Weniger als dies wäre nicht gerecht gegen Gott oder gegen uns selber. Jeden Augenblick das Beste geben, das wir kennen, ist menschenmöglich, und dies Tag für Tag fortsetzen, ist der sicherste Weg zum Himmelreich. Was für eine andere Haltung oder ein anderes Ziel im Leben ist des Besitzens oder Erstrebens wert?
