Nicht selten kommt es vor, daß einer, der sich eine Zeitlang in die Christliche Wissenschaft vertieft hat und, nachdem er ihre heilende und erneuernde Kraft erfahren hat, demütig und dankbar bestrebt gewesen ist, diese gesegnete Wahrheit immer besser zu verstehen, plötzlich zu der Erkenntnis erwacht, daß es sein sehnlichster Wunsch ist, sich völliger in den Dienst der Sache zu stellen, der er sich angeschlossen hat. Er hat schon begonnen zu sehen, daß er in seinem wahren Sein ein wesentlicher Teil des göttlichen Plans ist; daß er besteht, weil er als geistige Idee für Gott notwendig ist, da der Mensch Gottes Ausdruck ist. Er erkennt ferner seine wahre Arbeit nicht einfach darin, daß er jeden Tag die ihm zugewiesene Arbeit tut, sondern daß er die unaufhörliche Tätigkeit des Gemüts ausdrückt.
Vielleicht beginnt der Wissenschafter, nicht mehr durch Selbsucht so verblendet, an diesem Punkte sich umzusehen und in zunehmendem Maße das große Bedürfnis nach Heilung gewahr zu werden, das überall—im Familienkreise, im Geschäft und in der übrigen Welt—zu bestehen scheint. Vielleicht überwältigt ihn das Verlangen, der verwirrten, leidenden Menschheit aus den Irrgängen herauszuhelfen, in denen sie hilflos zu wandern scheint. Angesichts solcher Gedanken mag sich der Wissenschafter wohl manchmal fragen: Was kann ich tun, wo die Not so groß ist?, und dann versucht sein zu wünschen, daß er vielleicht eine bessere Schulbildung gehabt hätte, oder daß schlummernden Talenten mehr Gelegenheit zur Entwicklung gegeben worden wäre, oder daß er mehr Güter dieser Welt hätte, womit er Gottes Werk fördern könnte. Denkt er aber andächtig über die Geschichte von Petrus und Johannes an der schönen Tür des Tempels (Apg. 3, 1–10) nach, so lernt er verstehen, daß diese göttlich inspirierten Apostel ohne das „Silber und Gold”, das der Lahme für sein Haupterfordernis hielt, dessen wirkliches Bedürfnis erkennen und ihn augenblicklich heilen konnten. So dämmert in seinem Denken immer mehr die große Tatsache, daß unsere Fähigkeit, Gott zu dienen und die Menschheit höherzuheben, nicht von materiellen Besitztümern oder bloßen Gelehrtenbefähigungen abhängt. Wir alle haben die von Gott verliehene Fähigkeit, die Christliche Wissenschaft zu verstehen und zu beweisen, wenn wir es tun wollen. Wir müssen das bleibend Gute jedes rechten Gedankens und jeder überwundenen Versuchung und auch die Notwendigkeit erkennen, daß wir unser Denken beständig der göttlichen Wahrheit unterordnen. Jedem Erwachen zu den Forderungen der Liebe folgt unvermeidlich eine erneute Heiligung des Denkens und ein tieferes Dürsten nach Gerechtigkeit.
Eine Christliche Wissenschafterin fand große Hilfe, als sie sich in die bekannte biblische Geschichte von den Broten und Fischen vertiefte. Sie sah, daß sie mit ihrem falschen Sinn, so wenig an Talenten oder Reichtümern oder geistigem Verständnis bieten zu können, in genau derselben Lage war wie die Jünger, die nur „fünf Gerstenbrote und zwei Fische” zur Speisung des Volks hatten. Die Frage: „Aber was ist das unter so viele?” hallte in ihrem Denken wider, und die Bemerkung, daß nicht einmal für zweihundert Groschen—eine beträchtliche Summe für Menschen mit ihren einfachen Bedürfnissen—genug Brot für so viele gekauft werden konnte, kennzeichnete ihren Sinn der Hilflosigkeit und der Unzulänglichkeit angesichts der sittlichen Forderungen, die auf sie zu drücken schienen.
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