Die Christliche Wissenschaft lehrt, daß die Sünde sich selber straft, und daß der Glaube an Strafe aufhört, wenn der Glaube an Sünde zerstört ist. Und sie lehrt auch, daß die Sünde, die bekannt, bereut und aufgegeben ist, keine Macht mehr über einen hat. In „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift” schreibt Mary Baker Eddy (S. 404): „Wenn das Böse in dem reuigen sterblichen Gemüt vorüber ist, während seine Wirkungen noch an dem Individuum haften bleiben, kannst du diese Störung nur beseitigen, wenn das Gesetz Gottes erfüllt wird und Umwandlung das Verbrechen tilgt”.
Mögen manche der Heilungen Jesu nicht solcher Art gewesen sein? Das klare Bewußtsein, das Christus Jesus durch sein Verständnis der sündlosen Vollkommenheit des Menschen als Gottes Gleichnis hatte, befreite diejenigen, denen er half, von der Annahme der Strafe. Vor dem liebevollen, erbarmenden Christus, den Jesus so herrlich ausdrückte, verging der Sinn der Sünde, der Last, der Bedrückung, der Strafe.
Das Gesetz Gottes, der göttlichen Liebe, schließt keine Strafe in sich. Denn die göttliche Liebe kennt nichts, was Strafe verdient, weil alles, was Gott machte, gut und vollkommen ist. Die göttliche Liebe erlöst und segnet immer. Der Glaube, daß Sünde, die bekannt, bereut und aufgegeben ist, immer noch die Macht haben könne, Strafe in Gestalt von Reue oder Krankheit aufzuerlegen, ist eine gefährliche Lehre. Die Christliche Wissenschaft hebt das Denken höher, indem sie zeigt, daß es in dem von der göttlichen Liebe regierten und überwachten wirklichen Weltall keine Verdammung oder Strafe gibt. Paulus schreibt in seinem Briefe an die Römer: „So ist nun nichts Verdammliches an denen, die in Christo Jesu sind, die nicht nach dem Fleisch wandeln, sondern nach dem Geist”. Demnach ist es klar, daß die einzige Verdammung, die es je geben kann, ihren Ursprung in dem fleischlichen Sinn hat und daraus hervorgeht. Die Christlichen Wissenschafter lernen die Unwirklichkeit des fleischlichen Sinnes erkennen und können daher sehen, daß dessen sogenannter Augenschein in Gestalt von Sünde, Krankheit und Strafe ebenfalls unwirklich ist.
In „Nein und Ja” (S. 6) gibt uns unsere Führerin folgende Anweisung: „Auf Grund der Lehre, daß Gottes Schöpfungen geistig, harmonisch und ewig sind, und daß Gott der alleinige Schöpfer ist, widerlegt die Christliche Wissenschaft die Gültigkeit des Zeugnisses der Sinne, die von ihren eigenen Erscheinungen—Siechtum, Krankheit und Tod—Kenntnis nehmen. Diese Widerlegung ist für die Zerstörung des falschen Augenscheins und für die daraus folgende Heilung der Kranken unumgänglich,— was alle verstehen, die die wahre Wissenschaft des Gemüts-Heilens ausüben”. Diese wichtige Erklärung kann ebensogut auf die Heilung von Sünde wie von Krankheit angewandt werden. Wir können Sünde nicht heilen, wenn wir trotz unserer Erklärung der Unwirklichkeit des Bösen glauben, daß ein Augenschein von ihr in Gestalt von Leiden zurückbleibe. Sünde straft sich selber; aber es kann keine Strafe für das geben, was aufgegeben ist.
Die Christliche Wissenschaft zeigt uns, wie das sterbliche Gemüt geltend macht, durch den persönlichen Sinn zu verdammen, und wie das göttliche Gemüt die Sterblichen von Sünde und Verdammung errettet. Wie sehr es doch der Mühe wert ist zu arbeiten, diesen Anspruch des fleischlichen Sinnes als nichts zu sehen! Wenn das Wirken der Wahrheit irriges Denken und Handeln im menschlichen Bewußtsein aufdeckt, können wir jeden Sinn der Sünde und der Last, der Verdammung, der Strafe oder der Schuld, den uns das Böse aufzuerlegen sucht, gern als wertlos und unwirklich aufgeben. Sünden, Fehler und Widerwärtigkeiten der Vergangenheit werden getilgt, wenn wir unser gottgegebenes Wissen, daß wir in unserem wahren Sein Gottes Widerspiegelung oder Ausdruck sind und immer gewesen sind, bestimmter erfassen.
Einen klaren Hinweis auf die Nichtsheit der Sünde und ihrer Strafe finden wir im Gleichnis vom verlorenen Sohn. Nachdem der jüngere Sohn „sein Gut mit Prassen” umgebracht hatte und in Mangel und Erniedrigung gesunken war, „schlug er in sich”. Mit der Reue kam die Sinnesänderung und der Entschluß, zu seinem Vater zu sagen: „Ich bin hinfort nicht mehr wert, daß ich dein Sohn heiße”. Er konnte nur hoffen, zum Tagelöhner gemacht zu werden. Aber was geschah? Sein Vater sagte kein verdammendes Wort zu ihm, dachte nicht daran, ihn zum Tagelöhner zu machen, sondern empfing ihn als seinen Sohn und gab ihm „das beste Kleid” und einen Ring.
Ein Christlicher Wissenschafter erinnert sich dankbar der Heilung, durch die er Sünden und Fehler, die er bereut und aufgegeben hatte, vergessen konnte. Kurz nachdem er begonnen hatte, sich mit der Christlichen Wissenschaft zu befassen, bat ihn eine Bekannte, die sich auch erst der Wissenschaft zugewandt hatte, ihr eine Krankheit bei einem ihrer Kinder überwinden zu helfen. Sein erstes Gefühl war, die Bitte abzuschlagen, weil er sich der Aufgabe nicht würdig erachtete. Aber nachdem er Gott um Führung gebeten hatte, wurde er geleitet, für das Kind zu arbeiten, dem es am nächsten Morgen besser ging.
Als er über diese Erfahrung nachdachte, sah er, daß er geglaubt hatte, es sei von früher noch so viel Irrtum in seinem Bewußtsein, daß er noch nicht bereit sei, seinen Platz in dem großen Heilungswerk der Christlichen Wissenschaft einzunehmen. Dann sah er, daß er in seinem Denken zurückgegangen war und frühere Sünden, Fehler und Irrtümer als wirklich angesehen hatte. Seitdem hat sich dieser Wissenschafter, sooft er versucht war, in der Vergangenheit zu verweilen, sich selbst zu verdammen usw., immer dankbar der Worte des Meisters erinnert: „Wer auf dem Felde ist, der kehre nicht um, seine Kleider zu holen”. Nach der Christlichen Wissenschaft hat die Vergangenheit keine Macht über einen.
Wir sollten immer von dem Standpunkt aus arbeiten, daß der Mensch als Gottes Bild und Gleichnis ewig vollkommen ist. Wir sollten uns darüber freuen, daß wir die Söhne unseres himmlischen Vater-Mutter, der göttlichen Liebe, sind, und sollten es beständig bejahen. Dann können wir als Belohnung für das Aufgeben der Sünde Freiheit für uns und für andere beanspruchen, indem wir es ablehnen, die falsche Einrede des persönlichen Sinnes zu glauben, daß wir durch Furcht vor der Vergangenheit zu Leiden, Qual oder Krankheit verdammt werden können. Und wir werden nicht nur des Apostels Paulus Worte: „So ist ... nicht Verdammliches an denen, die in Christo Jesu sind”, sondern auch seine bestimmte Erklärung: „Das Gesetz des Geistes, der da lebendig macht in Christo Jesu, hat mich frei gemacht von dem Gesetz der Sünde und des Todes” wiederholen können.
