Niemand kann aufhören zu denken und braucht es auch nicht. Aber man muß dem Denken eine intelligente Richtung geben und es unterlassen, bei jeder Veranlassung alles zu reden, was man denkt. Denn wenn „ein Wort, geredet zu seiner Zeit, wie goldene Äpfel auf silbernen Schalen ist”, ist es ebenso wahr, daß „wer seinen Mund und seine Zunge bewahrt, seine Seele vor Angst bewahrt”.
Der verschwiegene Mensch sagt gewöhnlich anderen nichts über seine Pläne und Bestrebungen. Indem er sich auf die göttliche Intelligenz und auf bewährte Erfahrung verläßt, formuliert er seinen Plan, führt ihn aus und erfüllt seinen Zweck, ehe seine Freunde Gelegenheit haben, weisen Rat durch Worte ohne Kenntnis zu verdunkeln. Es mag sich z.B. nur um Ferien oder um eine Reise nach der Hauptstadt handeln. Bei jedem Vorhaben finden sich immer Leute, die bereit sind, einem in bester Absicht ihre Meinungen und Ansichten betreffs des besten Vorgehens aufzudrängen. Überdies hat das unpersönliche Böse, in gewöhnlicher Rede der Teufel, eine geschickte Art, Hindernisse in den Weg zu legen, sobald ein Vorhaben bekannt wird.
Das Volk verlangt dringend, ins Vertrauen der Regierung oder des Heeres gezogen zu werden; aber nach reiflicher Überlegung erwartet es wohl niemand. Jedermann erkennt heute die damit verbundene Gefahr. Der Oberbefehlshaber mit seinem Stab oder der Ministerpräsident mit seinem Kabinett muß mit der besten Staats- oder Kriegskunst, die er mit göttlicher Hilfe entwickeln kann, Erfolg haben oder versagen. Der großen Masse bleibt, wenn es zur Entscheidung kommt, nichts anderes übrig, als den Führer zu unterstützen. Fast jeder Vorschlag, so begründet er auch sein mag, verliert schnell an Achtung und Stärke, wenn er auf den Kampfplatz öffentlicher Erörterung geworfen wird. Natürlich darf kein Volk seinen Kriegsplan wissen lassen. Und ein besonnener Mensch redet auch nicht oft über sein Streben oder seine Absicht. Denn dadurch wird das Unternehmen der Spielball des Zufalls. Goethe faßt die Lage in seiner meisterhaften Art zusammen:
Geheimnis nur verbürget unsre Taten:
Ein Vorsatz, mitgeteilt, ist nicht mehr dein;
Der Zufall spielt mit deinem Willen schon.
Selbst wer gebieten kann, muß überraschen.
Der unreife Christliche Wissenschafter, der einen Schimmer der Wirklichkeit gewonnen hat, teilt allzugern seine Erfahrung sofort anderen mit. Er nennt es: die Wahrheit mit ihnen teilen. Gewöhnlich ist er überrascht zu sehen, wie wenig sich seine Zuhörer für die Mitteilung interessieren. Ja, ihre Gleichgültigkeit oder ihr tätiger Widerstand in manchen Fällen kann ihm kaum entgehen. Was mag das Ergebnis des begeisterten Mitteilens sein? Seine eigene Inspiration kann abflauen, und bald mag sein letzter Zustand nicht besser werden als der erste. Die Vögel unter dem Himmel haben die köstlichen Schößlinge abgerupft. Man sollte sich neue Ideen gründlich zu eigen machen, ehe man sie äußert. Shakespeare sagt:
Gib den Gedanken, die du hegst, nicht Zunge,
Noch einem ungebührlichen die Tat.
Die frohlockende Stimmung ist von Fallgruben umgeben. Es ist ein gut fundiertes Geschäft, das Bemerkungen des Geschäftsführers wie: „Dies ist das beste Jahr gewesen, das wir je gehabt haben”, überlebt. Es ist ein kräftiger Junge, dessen Wiederherstellung nicht gefährdet wird, wenn Eltern den Nachbarn oder in einer Zeugnisversammlung freudig erzählen: „Der Junge ist außer Gefahr”. Welch unnötiger Gefahr einer sich aussetzt, wenn er sich brüstet, daß er mit Arznei oder mit dieser Begierde oder mit jener Versuchung nichts mehr zu tun habe! Ein Mann in vorgerückten Jahren fördert die Langlebigkeit nicht, wenn er aufgeblasen darauf aufmerksam macht, wie stark er ist. Warum können wir nicht in stiller Dankbarkeit für die Segnungen, die Gott uns gewährt hat, zufrieden sein? Es gibt Vögel, die ungestraft umherstolzieren können. Von den Menschen wird eine höhere Verantwortlichkeit gefordert.
Mancher Christliche Wissenschafter, der der Kirche beitreten möchte, macht seinen Wunsch bekannt, nur um gewarnt zu werden: „Eilen Sie lieber nicht! Sind Sie gewiß, daß Sie ein genügend guter Wissenschafter sind? Sie wissen, die Prüfungen sind eingehend und gründlich”. (Und wie bedauerlich wahr es ist, daß mancher Mitgliedschaftsfragebogen gerade solche Fragen enthält, wenn doch von den Bewerbern nur eine einfache Kenntnis der Wissenschaft und die aufrichtige Willigkeit, sie zu leben, gefordert werden sollte!) Aber abgewiesen, wenn sie ein Recht auf Ermutigung haben, geben sie ihre löbliche Absicht vielleicht auf unbestimmte Zeit auf, wenn sie die Kirche brauchen, und die Kirche sie braucht. Ein ermutigendes Wort an junge Leute, die soeben die Sonntagsschule verlassen haben, über den Beitritt zur Kirche genügt oft, ihren ganzen Lebensweg zu ändern.
Beim Durchschnitts-Christlichen Wissenschafter kommt die Zeit, wo er Klassenunterricht ins Auge faßt. Jedermann kennt die Einwendungen, die ihm wahrscheinlich entgegengehalten werden, sobald er seinen Entschluß äußert: „Nimm dir Zeit! Du kannst nur einmal Klassenunterricht haben. Sei sicher, daß du bereit bist, sonst wird der Unterricht über deine Fassungskraft gehen”. So schiebt er ihn vielleicht jahrelang auf, wenn es doch offenkundige Tatsache ist, daß man Klassenunterricht wie jeden andern Unterricht möglichst frühzeitig in seiner Laufbahn nehmen und dadurch seiner Segnungen ohne unnötige Verzögerung teilhaftig werden sollte. Zwei oder drei Jahre gründliche geistige Arbeit ist gewöhnlich genug Vorbereitung.
Wer von einer schweren Krankheit geheilt worden ist, mag sich vor Freude über die Wiederherstellung natürlich veranlaßt fühlen, am nächsten Mittwochabend darüber zu sprechen. Hier ist Vorsicht das bessere Teil der Tapferkeit. Gewiß sollten die Leute ihre Heilungen bereitwillig und aus eigenem Antrieb in den Zeugnisversammlungen erzählen. Trotzdem ist es gut, einige Wochen zu warten, bis einem die Erfahrung nicht mehr so lebendig ist, ehe man sie einer mehr oder weniger ungläubigen Öffentlichkeit übergibt. Man sollte weder voreilig widrige mentale Strömungen unter zweifelnden Kleingläubigen erregen, noch zurückhalten, zur rechten Zeit für die Wahrheit zu zeugen.
Eine Mittwochabendversammung wird belebt und würdig, wenn sich tätige Teilnehmer im voraus die Zeit nehmen, ihre Bemerkungen auszudenken und zu ordnen. Dadurch werden unweise, abschweifende und übertriebene Erklärungen vermieden. Der Erfolg der Gelegenheit liegt hauptsächlich bei denen, die sprechen. Gesundes Urteil und liebevolle Rücksicht verbürgen erfreuliche Ergebnisse. Die Leute werden erleuchtet, ermutigt, wiederhergestellt weggehen. Sie werden andere einladen, künftigen Versammlungen beizuwohnen. Wie viele in einem erheiternden Mittwochabendgottesdienst durch das Lesen einer Stelle wie der folgenden von Mary Baker Eddys Schriften aus Müdigkeit, Mutlosigkeit oder Schmerzen herausgehoben worden sind: „Das menschliche Gemüt wird sich einst über allen materiellen und physischen Sinn erheben, diesen gegen die geistige Wahrnehmung und menschliche Begriffe gegen das göttliche Bewußtsein austauschen. Dann wird der Mensch seine gottgegebene Herrschaft und sein gottgegebenes Sein erkennen” (Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift, S. 531).
Wie viele mit erneuerter Hoffnung und Stärke eine Versammlung verlassen haben, in der sie ein Zeugnis gehört haben, das Bemerkungen enthielt wie die folgenden: „Ich habe gefunden, daß es gut ist, zwei- oder dreimal täglich innezuhalten und über das Leben nachzudenken, wie es ist—kein Kommen und Gehen, keine Abnahme oder Auflösung, kein Schwächer- oder Langsamerwerden, keine Knappheit oder Verarmung; und dann einige der vornehmsten Kennzeichen des Lebens—seine Intelligenz, seine Ständigkeit, seinen Reichtum, seine Anmut, seine Tatkraft, seine Heiterkeit und sein müheloses Funktionieren—durch Beweis zu stützen und natürlich nicht zu vergessen, dankbar zu sein, daß diese Merkmale ewig und unantastbar mir gehören”.
