Beim Zergliedern ihres Denkens fand eine Christliche Wissenschafterin, die täglich über die Gewißheit ihres gegenwärtigen Erbes als Kind Gottes frohlockte, daß sie oft voll Bedauern an die Disharmonie ihrer Kindheit zurückdachte. Viel Licht gewann sie durch andächtiges Nachdenken über den 15. Vers des 3. Kapitels des Predigers Salomo: „Was geschieht, das ist zuvor geschehen, und was geschehen wird, ist auch zuvor geschehen; und Gott sucht wieder auf, was vergangen ist”. Die Wissenschafterin dachte ernstlich darüber nach, wie Gott wiederaufsuchen könnte, was vergangen ist, und lernte ihre Segnungen, vergangene so gut wie gegenwärtige, als ununterbrochen anerkennen. Gerade wie man manchmal ein gewisses Einkommen irrtümlich als seine einzige Versorgungsquelle ansieht, fand sie, daß sie ihre Erwartung der Liebe und Freundschaft auf gewisse menschliche Beziehungen begrenzt hatte. Daher überblickte sie die Vergangenheit und ersetzte Schritt für Schritt Zorngedanken durch Mitgefühl, Eifersucht durch Liebe und Selbstbedauern und Entmutigung durch Dankbarkeit. Dann fiel eine große Last Groll, die sie jahrelang getragen hatte, von ihr ab. Und in ihr Denken und ihre Erfahrung kam von unerwarteten Quellen die verstehende Liebe, von der sie in ihrer Jugend geträumt hatte, aber auf einer lieblicheren, höheren Grundlage geistiger Dienlichkeit, als sie früher gehofft hatte.
Laßt uns vergangene Kränkungen, Mißverständnisse und Unglückseligkeiten vergessen! Wenn die Fenstervorhänge beiseitegezogen werden, strömt das helle Sonnenlicht in das finstere Zimmer. Wenn wir das Licht hereinlassen, klagen wir nicht, daß das Zimmer doch sehr finster war, solange die Vorhänge zugezogen waren.
Tägliches Frohlocken und tägliches Anerkennen der immergegenwärtigen Güte Gottes sind unschätzbar. Dankbarkeit und Mutlosigkeit können in unserem Bewußtsein nicht beieinander wohnen. Wir können selbst für die einfachen Dinge des Alltagslebens wie z.B. das frohe Lachen eines spielenden Kindes, die treue Anhänglichkeit eines Hundes, die Abendröte eines prächtigen Sonnenuntergangs, kleine Liebesdienste von anderen dankbar sein. So können wir vermeiden lernen, falsches Zeugnis gegen eine sogenannte sterbliche Vergangenheit abzulegen; denn sie verschwindet im herrlichen Licht der immergegenwärtigen Liebe.
Paulus hat uns in seinem Briefe an die Philipper die schöne Botschaft gegeben: „Eines aber sage ich: Ich vergesse, was dahinten ist, und strecke mich zu dem, das da vorne ist und jage — nach dem vorgesteckten Ziel — nach dem Kleinod, welches vorhält die himmlische Berufung Gottes in Christo Jesu”. Nur falsches Denken kann Disharmonie in unsere Erfahrung zu bringen scheinen. Wenn wir aber glauben, daß diese Disharmonien in der Vergangenheit Wirklichkeit hatten, wie können wir dann sicher sein, daß die Gegenwart von ihnen frei sein wird?
Hinsichtlich einer Luftspiegelung in der Wüste wissen wir, daß in der Ferne gesehenes Wasser nicht dort ist, und wir sind nicht überrascht, wenn wir nur dürres Land vorfinden. Wäre es dann nicht töricht anzunehmen, daß wir am Ende doch durch Wasser fuhren und vielleicht sogar etwas Schmutz an den Rädern unseres Wagens mitbrachten? Mary Baker Eddy schreibt (Wissenschaft und Gesundheit, S. 538): „Ehe das, was der Wahrheit des Seins widerspricht, auf den Kampfplatz tritt, hat das Böse keine Geschichte und wird nur als das Unwirkliche im Gegensatz zum Wirklichen und Ewigen zur Anschauung gebracht”.
Vielleicht hat das Problem, das damals entmutigend schien, dazu gedient, unser Denken der Christlichen Wissenschaft zuzuwenden. Sollten wir dann nicht auf diese Erfahrungen nur als Anlaß zur Freude zurückblicken? Wenn wir zugeben, daß die gegenwärtige Stunde alles zur Befriedigung unseres Bedürfnisses nötige Gute enthält, und anerkennen, daß Gott gestern und heute und auf immer derselbe ist, nehmen wir wahr, daß wir immer eins mit dem Vater gewesen sind, daß Er uns immer treu geführt hat.
Selbst dort, wo für den menschlichen Sinn die Dinge am schwärzesten aussehen, führt und schützt uns die Liebe. Mrs. Eddy hat uns die herrliche Verheißung hinterlassen (The First Church of Christ, Scientist, and Miscellany, S. 149, 150): „Bedenke, daß du in keine Lage kommen kannst, sei sie auch noch so ernst, wo die Liebe nicht schon vor dir gewesen ist, und wo ihre zärtliche Lehre dich nicht erwartet”. Wenn wir unser Bewußtsein dem ewigen Erbe öffnen, das unser liebender Vater-Mutter uns verliehen hat, lernen wir die geistige Tatsache schätzen, daß nur die Ewigkeit der Schöpfung Gottes die Wirklichkeit bildet, und daß Seine Schöpfung sich ewig entfaltet. Wir als Seine Kinder haben das Vorrecht, diese sich ewig entfaltende Schöpfung auszudrücken.
