Zwei voneinander abweichende Lebensweisen sind durch das Bild des Jochs veranschaulicht, wie Paulus es im 5. Kapitel seines Briefs an die Galater und Christus Jesus im 11. Kapitel des Evangeliums des Matthäus gebraucht. „Lasset euch nicht wiederum in das knechtische Joch fangen”, warnt Paulus, während uns Jesus mit unwiderstehlicher Aufforderung dringend bittet: „Nehmet auf euch mein Joch und lernet von mir; denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig; so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen. Denn mein Joch ist sanft, und meine Last ist leicht”.
Tragen wir das „knechtische Joch”, so denken wir materiell, kommen auf dem Wege geistigen Fortschritts nicht weiter, wobei wir Zeit und Richtung verlieren, und werden durch das Gefühl der Vereitelung und Verwirrung beunruhigt. Dies sind die Bande, die uns an materielle Annahme und Begrenzung binden. Nehmen wir das Joch auf uns, das unser geliebter Wegweiser uns anempfahl, das Joch, das er so unbeirrt und triumphierend trug, so erfahren wir nicht das falsche Behaglichkeitsgefühl, das die Materie manchmal gewährt, sondern die Einheit, die Gelassenheit und die Freiheit, die unmittelbar aus dem Geist, aus Gott hervorgehen. Wir sind mit Ihm durch das unverbrüchliche Joch der Liebe verbunden. Wir tragen das Joch der Befreiung, nicht der Sklaverei, und sind dadurch auf unserem geistigen Wege ungehemmt.
Als ernste Christliche Wissenschafter haben wir das von Christus Jesus angebotene Joch angenommen, und es ist für uns das Mittel der Hingebung und des Gehorsams geworden. Unser Denken paßt sich einem neuen Muster an, das durch unser wachsendes geistiges Verständnis geformt wird. Beständig fühlen wir, wie angebracht die Worte des Apostels Paulus sind: „Lasset euch nicht wiederum fangen”, Worte, denen die Ermahnung vorausgeht: „So bestehet nun in der Freiheit, zu der uns Christus befreit hat”. Es ist unser höchster Wunsch, die Wahrheiten der Christlichen Wissenschaft so klar wahrzunehmen, daß wir sie recht und aus eigenem Triebe anwenden, um die Wirkungen der Materialität von unserem Leben zu beseitigen.
Es dürfte hilfreich sein, zu erwägen, worin die materielle Knechtschaft besteht, von der wir Befreiung suchen. Auf Seite 226 in „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift” beschreibt Mary Baker Eddy die mißliche Lage der Menschheit mit den Worten: „Ich sah vor mir die Kranken jahrelange Knechtschaft unter einem unwirklichen Herrn in dem Glauben erdulden, daß der Körper statt des Gemüts sie regiere”. In diesen wenigen Worten haben wir den Kern der ganzen Schwierigkeit. Die Sterblichen haben die Voraussetzung angenommen, daß der Mensch in einem materiellen Körper lebe, von einer materiellen Welt umgeben und sogenannten materiellen Gesetzen unterworfen sei — widersinnigen Gesetzen, die behaupten, daß Wachstum in Verfall, Leben in Tod aufgehe. Einen physischen Zustand für sich zugebend, gibt der irregeführte Sterbliche auch alle Gefahren zu, die jene Annahme begleiten — Verletzung, Krankheit, Sünde, Armut, falsche Ausgleichungen, Alter und Tod.
Infolge des Glaubens, daß der Mensch einen materiellen Körper und eine von diesem Körper abhängige Persönlichkeit habe, fallen die Sterblichen unzähligen tückischen Versuchungen zur Beute. Durch den Irrtum materiellen Glaubens von Gott getrennt, wandelt der Sterbliche auf den Wegen materieller Frönung, seichter Vergnügungen, sorgenvoller und furchterfüllter Ahnungen. Der falsche Sinn des Selbst läßt das Denken für aggressive mentale Suggestion offen, die sich an eine geheime Furcht wendet und ein Durcheinander falscher Handlungen und physischer Schwierigkeiten aufwühlt. Tragisch ist die fatale Lage selbstauferlegter Knechtschaft materiellen Glaubens, von der die Materie kein Befreiungsmittel bietet.
Auf Seite 403 in Wissenschaft und Gesundheit finden wir eine befreiende Erklärung für die in der Sklaverei des sterblichen Glaubens Gefangenen: „Du bist Herr der Lage, wenn du verstehst, daß das sterbliche Dasein ein Zustand der Selbsttäuschung und nicht die Wahrheit des Seins ist”. Diese Worte geben uns einen wahren Sinn der Erleichterung. Wir erfahren, daß wir keinen materiellen Annahmen nachzugeben brauchen, sondern den unwirklichen Traum sterblichen Daseins zurückweisen können.
Wenn wir den Glauben, daß das Dasein materiell sei, aus unserem Denken ausrotten können, sind wir vorbereitet, es mit den mannigfaltigen Angriffen des sterblichen Gemüts auf den Frieden der Menschheit anzunehmen. Wir dürfen aber Christi Jesu Worte nicht vergessen: „Diese Art fährt nicht aus denn durch Beten und Fasten”.
Welches Joch tragen wir, das Joch der Unterdrückung oder das Joch der Freiheit? Das Joch der Freiheit repräsentiert die Einheit, die zwischen Gott und dem Menschen besteht, das Einssein des geistigen Menschen mit seinem Schöpfer, dem unendlichen und allmächtigen Geist. Es veranschaulicht die zwischen Gott und Seinem Weltall einschließlich des Menschen bestehende ewige Einheit.
Wie können wir unsern Eigenwillen, unsere persönlichen Wünsche, unsern falschen Sinn des Selbst ablegen und dieses vollkommen angepaßte Joch auf uns nehmen und dadurch mit dem göttlichen Geist wandeln? Wir müssen die geistige Einheit mit Gott höher schätzen als alles andere, höher als liebgewonnene menschliche Beziehungen und uns ganz in Anspruch nehmende Beschäftigungen. Indem wir uns beständig an Gott als den einen geliebten und vertrauten Freund, Ratgeber und Führer wenden, pflegen wir Treue gegen Ihn und werden uns Seiner zärtlichen Güte und Fürsorge bewußt. Gebet ist das Glied des Verständnisses, das uns mit dem göttlichen Prinzip verbindet, von dem die Antwort zu jeder erdenklichen menschlichen Not kommt. Indem wir diese bewußte Einheit mit dem göttlichen Gemüt gewahr werden, entdecken wir unsere ewige Gottgleichheit in Neigung, Zweck und Art. „Mögen auch zwei miteinander wandeln, sie seien denn eins untereinander?”
Indem wir wünschen, andere zu führen, nach bewußer Einheit mit Gott zu trachten, werden wir beständig daran erinnert, daß wir zuerst selber in Einheit mit Gott sein müssen. Unsere irrende menschliche Art muß unbedingt mit der reinen Geistigkeit der Wahrheit in Übereinstimmung gebracht werden. Uns nach der Erlösung der Menschheit sehnend, muß jeder für sich beweisen: „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von einem jeglichen Wort, das durch den Mund Gottes geht”. Wir wandeln im Gehorsam gegen das göttliche Prinzip, wenn wir in unser Denken die Lehre Christi Jesu aufnehmen, der des Menschen unerläßliche ewige Einheit mit Gott vollständig bewies.
„O geh den ganzen Weg mit Gott,
Er wird erneuern deine Kraft.
Vertraue stets dem ew’gen Gott,
Und Er wird geh’n mit dir”.
