Viele Menschen haben den Wunsch, ihr Leben umzuwandeln, es umzugestalten in eine befriedigerende und harmonischere Existenz. Instinktiv sehnen sie sich nach Freiheit von Furcht und Kleinlichkeit, nach einem weiteren Wirkungskreis, nach tieferen Neigungen und höheren Leistungen. Diejenigen, deren Bewußtsein von der Gegenwart des Geistes erleuchtet worden ist, wissen gar wohl, daß keine Mühe zu viel, kein Preis zu hoch ist, für das Vorrecht, in die Harmonie des Himmelreichs einzugehen und auch anderen dazu zu verhelfen.
Die Christliche Wissenschaft führt die Menschen zu der Erkenntnis, daß der Geist ihre einzige wahre Umwelt ist, indem sie ihr Bewußtsein über die Materie erhebt in die Gegenwart der göttlichen Wirklichkeit. Sie erklärt die Heilungen des Meisters und seine eigene Auferstehung und Himmelfahrt als Umwandlungen des individuellen Bewußtseins. Sie erläutert seine Gebote als Lehren, die uns dahin lenken sollen, die Gegenwart eines Weltalls des Guten zu erkennen, und einer Selbstheit, die sich keiner Sünde bewußt ist — als Kind des Vaters. Mary Baker Eddy sagt in ihrem Buch „Unity of Good“ (Die Einheit des Guten, S. 17): „Ein rechtes Verständnis der wunderbaren Äußerungen dessen, der, redete wie nie ein Mensch geredet hatte', würde den Irrtum seiner geborgten Federn berauben und das Universum in ein Heim herrlichen Lichtes verwandeln, —, ein Ziel, aufs Innigste zu wünschen'.“
Wie weltlich unser Leben auch zu sein scheint, oder wie eingeschränkt es scheinen mag durch Hemmungen, eintönige Pflichten oder Mangel an Gesundheit, die christusähnliche, heilende Berührung der Wissenschaft vermag es umzugestalten. Wenn jemand sich inmitten einer Wüste verirret hätte und von aller menschlichen Hilfe abgetrennt zu sein schiene, so könnte er dennoch sein menschliches Leben umgestalten durch ein Verständnis von Gott als der Quelle seines wahren Seins und von der Funktion des Menschen als Entfaltung seines unsterblichen Prinzips. Dies finden wir veranschaulicht in der alten Erzählung von Hagar, die verzweifelnd in der Wüste weinte, doch den rettenden Wasserbrunnen fand, sobald sie auf Gottes Geheiß hin die Augen öffnete (1. Mose 21:16–19).
Die Wissenschaft öffnet uns die Augen und weckt unsren geistigen Sinn, so daß dieser das „Heim herrlichen Lichtes“ erschauen kann, das des Menschen ewige Umwelt darstellt. Dann lernen wir erkennen, daß es ein Wandel des Denkens ist, und nicht ein Wandel der materiellen Umgebung und der materiellen Umstände, was uns not tut. Christus Jesus muß dies wohl gerade seinen Jüngern erklärt haben, als er inmitten seiner Reden über die Wirrsale, die das Erscheinen der göttlichen Wirklichkeit begleiten, sagte (Luk. 21:19): „Fasset eure Seelen mit Geduld.“
Der Seelensinn offenbart, daß der wahre Mensch im Geist, in Gott, lebt. Der Geist ist sein Heim, seine Substanz, seine Atmosphäre — sein Alles. Doch sich selbst als diesen Menschen zu erkennen und als Einwohner des Geistes Befriedigung in dieser Wissenschaft zu demonstrieren, erfordert weit mehr als eine bloße Behauptung absoluter Tatsachen. Es erfordert Liebe, die tief genug ist, um haßerfüllte, selbstsüchtige Impulse zu überwinden, und Reinheit, die geistig genug ist, um die Animalität und Habgier zu besiegen, die den irdischen Sterblichen kennzeichnen. Es erheischt eine Wiedergeburt des Charakters und positive Beweise davon, daß diese neue Geburt stattgefunden hat und in einem gesunderen Körper und in beständiger Herrschaft über das Böse Ausdruck findet. Es verlangt die Erkenntnis von der Unwirklichkeit der Materie und von der Falschheit des sogenannten Gemüts, das die Materie hervorbringt und behauptet, sie sei Substanz.
Unser scheinbar menschliches Leben wird in einem neuen Licht gesehen, wenn wir verstehen lernen, daß die materiellen Gegenstände und Umstände, die sich den körperlichen Sinnen zeigen, keine Wirklichkeiten sind, sondern Formen des sterblichen Denkens. Dann erfassen wir die Tatsache, daß wir Herrschaft über die materiellen Begriffe erlangen in dem Maße unsrer Bereitwilligkeit, allen Glauben an dieselben aufzugeben, sie nicht mehr als wirklich anzusehen, sondern ihre geistigen Gegentatsachen, wie sie im göttlichen Gemüt existieren, ausfindig zu machen. Mrs. Eddy sagt in ihrer Botschaft an Die Mutterkirche für das Jahr 1901 (S. 20): „Der Christliche Wissenschafter ist allein mit seinem eigenen Sein und mit der Wirklichkeit der Dinge.“ Dies deutet weder Isolierung noch Einsamkeit an, denn der Mensch schließt durch Widerspiegelung alle göttlichen Ideen in sich; doch weist es darauf hin, daß ein jeder vor der unabwendbaren Verantwortlichkeit steht, seinen eigenen individuellen Daseinsbegriff umzuwandeln, indem er materielle Begriffe durch Ideen Gottes ersetzt.
Der Befehl des Moses an die furchterfüllten Israeliten am Meeresstrand, stillzustehen und die Erlösung Gottes zu sehen, veranschaulicht die Methode der Christlichen Wissenschaft. Man braucht niemals außerhalb seines eigenen Bewußtseins nach Erlösung von irgendeiner Beschwerde zu suchen. Eine Umwandlung der eigenen Einstellung, von der Unwirklichkeit zur Wirklichkeit, vom Sterblichen und Vergänglichen zum Unsterblichen und Unvergänglichen, ist die Forderung der Wahrheit.
Die Materie ist des Irrtums falsche Auffassung von Substanz. Der wahre Mensch ist sich ihrer nicht bewußt, und sie verschwindet in dem Maße, wie der wahre Mensch erscheint. Mrs. Eddy sagt in ihrem Buch „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift“ (S. 281): „Unsre falschen Ansichten über die Materie vergehen in dem Maße, wie wir die Tatsachen des Geistes erfassen. Die alte Annahme muß ausgetrieben werden, sonst wird die neue Idee verschüttet, und die Inspiration, die unsern Standpunkt ändern soll, wird verloren gehen. Heute wie vor alters treibt Wahrheit die Übel aus und heilt die Kranken.“
Wie charakteristisch für die Lehre unsrer Führerin ist dieser letzte Satz, der die Notwendigkeit menschlicher Besserung anzeigt, als Beweis für ein Verständnis von den Tatsachen des Geistes. So lebenskräftig war ihr Begriff von Liebe, daß sie die absolute Wissenschaft, die sie entdeckt hatte, nicht im Reich des Abstrakten und Theoretischen lassen konnte. Sie erkannte die Wahrheit als eine umwandelnde, vergeistigende Kraft, welche die menschlichen Begriffe berichtigt und bessert, bis sie verschwinden.
Obwohl der Wissenschafter an der absoluten Vollkommenheit als der einzigen Wirklichkeit des Seins festhält, wandelt sich sein ganzer Daseinsbegriff allmählich um, vom Materiellen zum Geistigen. Er beweist seine im wahren Leben bestehende Vollkommenheit immer mehr, Schritt für Schritt, und freut sich über jeden Schritt vorwärts. Um von der Materie in das Gemüt versetzt zu werden, muß er göttliche Wahrheiten mit größter Sorgfalt ausarbeiten. Durch die Umwandlung seines eigenen Bewußtseins erreicht er die Unsterblichkeit.
Die Wissenschaft des Lebens ist wirksam im menschlichen Bewußtsein, und ihre Macht ist unwiderstehlich. Gott, die Wahrheit, wandelt die Menschheit um und offenbart Sein eigenes Ebenbild. Wenn wir stille stehen in der Zuversicht von der Gegenwart und Allheit der Liebe, so werden wir sehen, wie ein jeder sterbliche Begriff verschwindet und unser Weltall in ein Heim herrlichen Lichtes umgewandelt wird.
