„Alle Geschichte ist eine Bibel.“ Diese Worte von Thomas Carlyle bringen eine große Wahrheit zum Ausdruck. Die Bibel ist das Buch der Bücher. Vom literarischen Gesichtspunkt aus betrachtet schließt sie Allegorien, Biographien, Geschichte, Gesetze, Briefe, Dichtung und Gleichnisse in sich. Der literarische Gesichtspunkt ist jedoch nicht derjenige, der den Christlichen Wissenschafter besonders interessiert. In dem Bericht über eine Predigt von Mary Baker Eddy lesen wir (Miscellaneous Writings, S. 170): „Die materielle Geschichtsschreibung der Bibel, sagte sie, hat nicht mehr Bedeutung für unser Wohlergehen als die Geschichte von Europa und Amerika; doch die geistige Anwendbarkeit der Bibel hat eine Beziehung zu unserm ewigen Leben.“
Geistige Erfahrungen gehören nicht ausschließlich der Vergangenheit an, auch sind sie nicht auf die Zukunft beschränkt. Sie gehören der Gegenwart an, dem ewigen Jetzt. Der Grund hierfür liegt in der Tatsache, daß die geistigen Erfahrungen Gott angehören, und da Gott immer gegenwärtig ist, müssen die geistigen Erfahrungen ebenfalls stets gegenwärtig sein. Mrs. Eddy mag sich auf unsere geistigen Erfahrungen bezogen haben, als sie schrieb (The First Church of Christ, Scientist, and Miscellany, S. 12): „Uns gehört keine Vergangenheit, keine Zukunft, wir besitzen nur das Jetzt.“
Die Bibel — sowohl das Alte wie das Neue Testament — verzeichnet, geistig verstanden, unsere geistige Geschichte. Die Wahrheit, die sie enthält, ereignet sich in dem immer gegenwärtigen Jetzt. Die Christliche Wissenschaft offenbart die geistige Auslegung der Bibel, von dem ersten Buch Mose an bis zur Offenbarung; doch um diesen Punkt zu veranschaulichen, wenden wir uns nun dem Neuen Testament zu.
Wenn wir die traute Geschichte von der Geburt Jesu lesen, so werden wir nicht nur zurückversetzt zu einem Ereignis, das Jesus, den Christus, vor etwa zweitausend Jahren in die menschliche Geschichte brachte. Das Ereignis hat, geistig verstanden, Beziehung zu allen Zeitaltern und ist anwendbar auf unser eigenes Erleben. Jede Einzelheit dieser Erzählung hat eine geistige Bedeutung und ist direkt anwendbar auf unsere gegenwärtigen Bedürfnisse. Selbst der Ort, an dem Jesus geboren wurde, hat eine geistige Bedeutung. Das Wort Bethlehem bedeutet in seiner Ursprache „Haus des Brotes“, und Brot wird überall in der Heiligen Schrift als ein Symbol für Wahrheit gebraucht. Wenn der Christus oder die Wahrheit sich zuerst im Bewußtsein geltend macht, so wird es uns klar, daß wir in einer Umgebung der Wahrheit existieren, und nicht in einer Wohnung des Irrtums. Diese Erkenntnis macht die schöne und historische Ankunft des Kindleins von Bethlehem zu einem Ereignis, das, geistig verstanden, heute und täglich bei allen denen stattfindet, die ihre neue Geburt als das Erscheinen des von Gott erschaffenen Menschen begreifen lernen.
In dem Maße wie die Ankunft des geistigen Seins in unserem Bewußtsein stattfindet, nimmt die Wahrheit, die wir gefunden haben, immer mehr zu an Gnade und Kraft. Wir können diese Wahrheit mit größerer Gewißheit beweisen in dem Verhältnis, wie wir „alle hinankommen zu einerlei Glauben und Erkenntnis des Sohnes Gottes und ein vollkommener Mann werden, der da sei im Maße des vollkommenen Alters Christi“ (Eph. 4:13). Wenn wir zuerst die geistige und vollkommene Natur des Menschen als des Kindes Gottes erkennen, so mag diese Erkenntnis uns wie ein Kindlein erscheinen. Die Vollständigkeit und Vollkommenheit des geistigen Seins sind anfangs nur wenig entwickelt. Daher fühlen wir, daß es notwendig ist, unser schwaches Verständnis von der Wissenschaft zu beschützen, damit es uns nicht geraubt wird durch boshafte Malpraxis oder verdrehende mentale Propaganda. Die modernen Heroden sind nicht weniger eifrig bei der Verfolgung des Christus als ihr Vorgänger im ersten Jahrhundert, der König von Judäa. Sie möchten die Heilkraft der Christlichen Wissenschaft leugnen und die krummen und dunklen Seitenwege des Materialismus erwählen an Stelle der geraden und offenen Hauptstraße des Christus. Wir müssen daher unser neu erwachtes Verständnis behüten, und weise und bescheiden von unseren geistigen Errungenschaften sprechen.
Hier wendet sich der Gedanke natürlich der heiligen Geschichte zu, und wir erinnern uns an den Traum Josephs, des Gatten von Maria, der von Gott dazu geführt wurde, das Kindlein nach Ägypten zu bringen, wo er blieb bis nach dem Tode des Herodes. In dem Maße, wie wir in der Christlichen Wissenschaft gefestigt werden und sie immer klarer als die Wahrheit erkennen, fürchten wir uns nicht mehr vor den Argumenten des Irrtums, die uns unseres neu erwachten Verständnisses zu berauben drohen. Dann können wir ganz offen als Christliche Wissenschafter sprechen, Der Mutterkirche und einer Zweigkirche beitreten und freudig beginnen, unsere Aufgaben zu erfüllen, das Evangelium zu predigen und unser geistiges Verständnis zu demonstrieren.
Hier wenden wir uns von neuem der Bibel zu, und wundern uns nicht zu entdecken, daß die Taufe des Johannes eine notwendige Vorstufe für das Heilungswerk des Meisters war. Die geistige Auslegung dieses Ereignisses deutet ganz klar hin auf die Wichtigkeit der Buße und Reinigung als einer Vorstufe für den Fortschritt eines Christlichen Wissenschafters. So können wir über die Evangelien nachdenken und unseren geistigen Fortschritt in diesen Seiten widergespiegelt finden. Wenn wir den Christus lieben und hegen, wird er in all unseren Angelegenheiten wirksam; er nimmt zu an Alter und Gnade. Er wird zu unserem täglichen und stündlichen Ratgeber, Führer, Beschützer und Freund. Wenn der Christus besser verstanden wird, so erkennen wir seine Übereinstimmung mit dem Menschen und daher mit uns selbst. Unsere Beweggründe und Handlungen werden immer mehr von seinen liebevollen Lehren regiert. Seine Barmherzigkeit durchdringt unser Leben. Er lenkt uns, diejenigen zu erkennen und heranzuziehen, die uns in unserem Heim, in unserem Geschäftsleben und in unseren allgemeinen Beziehungen hilfreich zur Seite stehen können. Er führt uns dazu, die Ansprüche des Fleisches zu überwinden — die Annahmen von Leben, Substanz und Intelligenz in der Materie. Er lehrt uns, die Wahrheit in all ihren schönen und mannigfachen Möglichkeiten anzuwenden.
Fangen wir nun nicht an zu erkennen, wie der Christus der Bibel uns durch seine Widerspiegelung in unserem eigenen Leben lehrt? Die biblische Geschichte ist unsere Geschichte. Geistig gesprochen findet sie da statt, wo wir sind, und in was wir tun. Wenn wir finden, daß nicht alles richtig geht in unseren Angelegenheiten, so tun wir wohl daran, unsere Bibel und das christlich-wissenschaftliche Lehrbuch „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift“ von Mary Baker Eddy zur Hand zu nehmen, und zu ermitteln, wo wir bei unserer Anwendung der Christlichen Wissenschaft einen Fehler gemacht haben. Vielleicht hatten wir unsere neu erwachte Erkenntnis des Christus nicht richtig beschützt. Vielleicht hatten wir uns nicht genügend der Taufe der Widergeburt unterworfen. Mit anderen Worten, wir mögen versucht haben, eine Lage zu heilen, indem wir nur die absoluten Wahrheiten behaupteten, während wir versäumten, uns vor den Verführungen der Sünde zu hüten. Wenn das der Fall war, so haben wir uns womöglich selber die wissenschaftliche Entfaltung des göttlichen Erlösungsplanes, wie er im Evangelium erscheint, verdunkelt. Und wenn dem so war, so werden wir sicherlich geleitet werden, unseren Weg von neuem zu gehen.
Wir suchen in der Heiligen Schrift, um die Erkenntnis Gottes und Seines Christus zu finden, ebenso wie unsere Führerin danach suchte. Sie war ein Bahnbrecher auf diesem Wege. Sie bezeichnete den Weg für uns und gab uns die Offenbarung der Christlichen Wissenschaft. Laßt uns die wunderbare Bedeutung der ganzen Bibel als unseres Führers zum ewigen Leben erkennen und so die Vorstellung aufgeben, daß sie eine zeitliche Sammlung von Schriften ist, oder nur ein Hilfsmittel zum Verständnis von Gott, der göttlichen Wahrheit, wie diese in der Christlichen Wissenschaft offenbart wird. Sie ist unsere Landkarte, unser Führer, und sie sollte stets unser unzertrennlicher Begleiter sein.
