Es ist erwiesen, daß die Christliche Wissenschaft Hoffnungslosigkeit und Traurigkeit heilt. Weil sie zur Lösung aller Schwierigkeiten angewandt werden kann, bringt sie Zuversicht und Freude. Dies ist in Übereinstimmung mit der Heiligen Schrift. „Freue dich und sei fröhlich von ganzem Herzen“, ermunterte der Prophet Zephanja (3:14). Christus Jesus lebte in der Atmosphäre geistiger Glückseligkeit, und er lehrte seine Jünger und Zuhörer, wie auch sie an dieser seiner Freude teilhaben könnten. Wir finden dies bestätigt in Jesu Erklärung (Joh. 15:11): „Solches rede ich zu euch, daß meine Freude in euch bleibe und eure Freude vollkommen werde.“
Manchmal begegnet man Menschen die nicht wagen, sich zu freuen, die Angst haben vor dem Fröhlichsein. Die Verfasserin fand diese Einstellung bei Menschen, die in ihrem Bewußtsein vergangenes Leid, vergangene Schicksalsschläge in einer selbstquälerischen Weise lebendig erhielten. Das führte zu einer latenten Furcht, die sie nicht froh werden ließ, sondern in ihnen die Annahme nährte, Freude und Fröhlichsein könnte für sie die Quelle neuen Kummers werden. Diese Art der Furcht findet keine Rechtfertigung in den Worten Salomos: „Nach Freude kommt Leid“ (Spr. 14:13). Ein sorgfältiges Durchlesen dieses Kapitels läßt bald erkennen, daß Salomo in ihm das Verhalten der Gottlosen mit dem der Frommen und das Benehmen der Unverständigen mit dem der Klugen vergleicht. Die Freude, die Traurigkeit nach sich zieht, ist die Freude der Gottlosen, nicht die Freude der Weisen, die Christus-ähnliche Freude, die nicht von uns genommen werden kann.
Wahre Freude hat aber mit der Freude, wie die Welt und ihre Kinder sie lieben, nichts Gemeinsames. Wahre Freude ist bleibend, ist geistig, weil sie im Vater-Mutter Gott ihren Ursprung hat. Gott ist die Liebe, und keins Seiner Kinder kann aus dieser Liebe ausgestoßen werden, weil es keinen Platz gibt, wo Liebe nicht wäre. Die Liebe, das schöpferische Prinzip alles Seins, bildet ihr Ebenbild, den Menschen, aus Freude. Wahre Freude ist selbstlos. Sie ist für die ganze Menschheit da, und wir Menschen können zu allen Zeiten daran teilhaben.
Das sterbliche Gemüt hat scheinbar den irrigen Begriff von Freude geschaffen, weil es an intelligente, belebte Materie glaubt und die Quelle der Freude in die Materie verlegt. Dazu kommt der Betrug der körperlichen Sinne durch das falsche Gesetz der Gegensätze. So scheint die menschliche Annahme zwischen Gut und Böse, zwischen Freude und Leid, hin und her zu pendeln. Um mit bleibender Freude erfüllt zu werden, muß man diesen Betrug einsehen und die Ansprüche der Materie leugnen. Dann wird die falsche Annahme der Gegensätze allmählich ihren Einfluß verlieren. Wahre Freude kann nicht in Leid verwandelt werden, weil sie eine Eigenschaft der Seele ist. Der Mensch muß begreifen lernen, daß Gott Alles-in-allem ist, ein Gott, ein Ursprung, ein Sein. Diese Erkenntnis gewinnt in dem Grade an Wert, wie sie nutzbar gemacht wird. Die Allheit, die Einheit ist ewig, ist bleibend; sie ist keinen Veränderungen unterworfen. Dasselbe gilt für alle geistigen Eigenschaften: Güte, Harmonie, Glückseligkeit, Freude und dergleichen sind unvergänglich. Dies Wissen zerstört die Furcht, und ersetzt sie mit dem Bewußtsein des Himmelreichs.
Nichts, was Gott, dem Guten, unähnlich ist, kann ein Teil des von Gott erschaffenen Menschen sein. Glück und Freude werden nicht durch materielle Mittel gewonnen. Sie sind nicht von materiellen Bedingungen abhängig, man darf sie nicht von materiellen Bindungen erwarten und erst recht nicht mit der Befriedigung menschlichen Verlangens verknüpfen. Wer Trügerische materieller Freuden eingesehen hat, der verlangt nach dem, das beständig ist. Freude kommt nur mit der Erkenntnis der Wahrheit, daß alles Leben geistig ist, ebenso alle Freude. Laßt uns nie vergessen, daß wir Kinder des Lichts sind, Kinder der Wahrheit und der Liebe, Kinder, die im ewigen Strahlenglanz des Lebens weilen. Nur in der Müdigkeit verdunkelter Anschauungen ist Kummer und Weinen. Mit dem Aufdämmern der Wahrheit kommt Offenbarung und Fortschritt.
Die Christliche Wissenschaft hilft dem verlangenden Herzen in dem Streben, mit einem materiellen Sinn vom Leben zu brechen und wahre Freude mit andern zu teilen. Mary Baker Eddy gibt in ihrer Predigt, “Christian Healing“ (Christliches Heilen, S. 10) allen den Rat: „Wenn du glücklich sein willst, plädiere innerlich auf der Seite des Glücks; tritt für die Seite ein, der du zum Siege verhelfen willst und achte darauf, daß du nicht für beide Seiten sprichst oder dem Leid mehr als der Freude das Wort redest. Du bist der Anwalt in dem Fall, und du wirst ihn je nach deiner Verteidigung gewinnen oder verlieren.“
Laßt uns sogleich damit beginnen, den Rat unsrer Führerin zu befolgen. Ernstes Forschen in dem christlich-wissenschaftlichen Lehrbuch „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift“ von Mary Baker Eddy führt ganz gewiß zum Erfolg, wenn sich mit dem Suchen das ernste Streben verbindet, sich die Wahrheit, die das Lehrbuch offenbart, zu eigen zu machen und im Bewußtsein an ihr festzuhalten, auch wenn die materiellen Sinne das Gegenteil aufdrängen wollen. Auf diese Weise werden die Gedanken gereinigt und erneuert. Diese Umwandlung schafft den guten Boden, aus dem Taten der Liebe und Güte aufsprießen können. Aus dem Gutestun erwächst Freude, selbstlose Freude. Dieses Ziel mag nicht immer gleich erreicht werden. Ernste Arbeit ist erforderlich, verbunden mit Geduld und Demut. Die Resultate, die die Wissenschaft verheißt, erlangt man nur, wenn man ihre Regeln anwendet und zwar beständig, tagaus, tagein.
Kontrolle der eigenen Gedanken darf nicht nachlassen. Es heißt, darauf zu achten, daß man keine andre Freude sucht als die, die aus Gott kommt, und kein ernstlicheres Streben kennt, als zur Erkenntnis des wahren Seins zu gelangen. Wer noch einen materiellen Daseinsbegriff hegt und nicht versucht, sich von ihm frei zu machen, der wird getäuscht in seinen Eindrücken, Erlebnissen und Vorstellungen. Seine Freuden sind illusorisch und darum voll Unheil. Nur wer beharrlich im Geiste der Wissenschaft vorwärts geht, weder zur Rechten noch zur Linken schaut, der wird die Freude finden, die er sucht. Wer die Regeln der Christlichen Wissenschaft zu seinen Lebensregeln macht, der wird mit Freude erfüllt werden. Treue läßt siegen über jede Versuchung, die uns vom rechten Wege ablenken will. Siegen stärkt die moralische Spannkraft, erhöht den Mut und vergrößert die Freude. Wie im Himmel „Freude ist über einen Sünder der Buße tut“ (Luk. 15:7), so wird auch gewiß Freude sein über jede Vernichtung einer falschen Annahme durch eine göttliche Idee und über jedes Austauschen Irriger Gedanken gegen wahre Tatsachen. Diese Freude belebt uns, denn das Himmelreich ist in uns.
Wem Geduld und Beharrlichkeit fehlen, der darf nicht die Christliche Wissenschaft verantwortlich machen, wenn seine Freude nicht beständig bleibt. Unsre Führerin erklärt dies in einem leicht verständlichen Vergleich in „Miscellaneous Writings“ (Vermischte Schriften, S. 340): „Eine Hochschule der Rechtswissenschaft ist nicht verantwortlich, wenn ein Rechtsanwalt von ihr ausgeht, der niemals eine Klageschrift zustande bringt! Warum nicht? Weil er sich, statt sich dem Studium der Prozeßführung zu widmen, mit der Landwirtschaft beschäftigte; statt die Schriften Blackstones zu studieren, nach grauen Steinen grub; sich mit der Bodenbeschaffenheit befaßte, statt sich in die Prozesse zu vertiefen; Kartoffeln zog, statt Verteidigungsschriften auszuarbeiten, und Holz aufstapelte, statt Mietsverträge auszustellen. Er ist nicht über wenigem getreu gewesen.“ Für den Christlichen Wissenschafter gibt es kein größeres Betätigungsfeld als sein eigenes Bewußtsein. Hier hat er zu berichtigen, zu klären und auszuscheiden. Das menschliche Bewußtsein ist wie ein Garten, den man getreulich pflegen muß, wenn er Blumen und Früchte tragen soll.
Wer sollte da ungeduldig werden? Wer sollte verzagen? Sollten wir nicht erst recht nach der Freudenkrone streben? Wer hat nicht Freude erlebt, wenn die Wahrheit ihn von einer Krankheitsannahme befreite? Wie groß ist die Freude, wenn es uns durch die Anwendung der Christlichen Wissenschaft gelingt, häßliche Charaktereigenschaften durch Eigenschaften der Seele zu ersetzen. Die Freude ist unerschöpflich für alle, die sich nicht von ihrer Quelle abwenden.
Ist diese Freude nicht Dankbarkeit und ist Dankbarkeit nicht Freude? Sie lassen sich nicht voneinander trennen. Man kann nicht sagen, wo das Eine beginnt und das Andre aufhört? Mrs. Eddy macht diesen Vergleich in ihrem Werk „The First Church of Christ, Scientist, and Miscellany“ (Die Erste Kirche Christi, Wissenschafter, und Verschiedenes, S. 164): „Was ist Dankbarkeit anders als eine mächtige Camera obscura, etwas, das Licht auf die Stätte konzentriert, wo Liebe, Erinnerung und alles Gute im Menschenherzen gegenwärtig ist, um Licht zu bekunden.“ Freude kommt mit dem Licht der Erkenntnis, der Inspiration und der Offenbarung. Durch unsere Demonstration der Wahrheit wird dies Licht widergespiegelt in einer veredelten Lebensweise, die nicht das Ihre sucht, sondern das, was des andern ist. Es ist das Austrahlen der Freude durch Liebe und Güte. Es ist das christusähnliche Verstehen unseres Nebenmenschen, das tief unter allem die große Sehnsucht der Menschheit nach Vollkommenheit, nach Freude wahrnimmt. Wenn wir das Licht der Wahrheit pflegen, so kann nichts uns die wahre Freude rauben. Und so verbleibt auch uns Jesu Verheißung (Joh. 16:22) „Euer Herz soll sich freuen, und eure Freude soll niemand von euch nehmen.“