Mehr oder weniger befinden wir uns wohl alle noch in der Knechtschaft von Sinnlichkeit, Sünde, Leiden und Furcht, obwohl uns Jesus vor nunmehr fast zweitausend Jahren durch Lehre und Beispiel zeigte, was wir tun und lassen sollten, um den Übeln des sterblichen Daseins zu entrinnen. Den meisten Menschen erscheinen jedoch die Schritte, die zur Erlösung führen, zu mühsam, denn sie erfordern viel Selbstlosigkeit und Selbstüberwindung.
Tief im Herzen tragen alle Menschen ein Sehnen nach etwas Reinerem und Heiligerem, ein Heimweh, das sich durch nichts Geringeres stillen läßt, als durch das klare Verständnis von unserem Vater-Mutter Gott. Denn bedeutet nicht Ihn finden, die Quelle aller Versorgung, aller Gesundheit und Glückseligkeit finden und volle Genüge haben? Intelligenz und Verstand sind so lange umnachtet, bis die Versuchungen und die falschen Annahmen einer von Gott getrennten Auffassung des Daseins überwunden werden.
Wie froh und dankbar können wir sein, daß Gott jener edlen, selbstlosen Frau, Mary Baker Eddy, die Augen öffnete, so daß sie die Täuschungen und Torheiten der Sterblichen durchschauen konnte! Ihr verdanken wir die inspirierte Lehre der Christlichen Wissenschaft. Sie gab uns nützliche Anweisungen, wie wir die Forderungen unseres Wegweisers erfüllen und das Christus-Bewußtsein, die Erkenntnis der Wahrheiten des Seins, erlangen können, die allein völlige Erlösung bringt.
Durch diese Wissenschaft lernen wir verstehen, daß Gott, das Gute, und Seine vollkommene geistige Schöpfung Alles-in-allem sind, und daß daher das Böse und die Materialität nicht wirklich existieren. Die Christliche Wissenschaft erklärt, daß das sogenannte sterbliche Gemüt behauptet, das Wirkliche und Wahre zu entstellen und zu verbergen, Leben und Empfindung im materiellen Körper vorzutäuschen und sowohl dem Guten wie dem Bösen, Wirklichkeit zu verleihen. Da das Reich Gottes inwendig in uns ist, wie Jesus offenbarte (Luk. 17:21), kann es nicht durch die sterblichen Sinne erkannt werden, sondern allein durch den geistigen Sinn, der für die Tatsache zeugt, daß unser wirkliches Sein geistig und in vollkommener Einheit oder Verbundenheit mit Gott ist.
Haben wir diese Einstellung erreicht, dann können wir alle Geschöpfe in ihrer reinen, geistigen und vollkommenen Natur wahrnehmen — wir können sie sehen, wie Gott sie erschaffen hat. Es war ein solcher Lichtschimmer, der einen Christlichen Wissenschafter einmal befähigte, eine Frau, die an so schmerzhaftem Rheumatismus litt, daß sie kaum ein Glied bewegen konnte, in sehr kurzer Zeit zu heilen und nach schweren Schickschalsschlägen ihr inneres Gleichgewicht wiederherzustellen.
Die Erfahrung lehrt, daß es von größter Wichtigkeit ist, bei unserem Bemühen, menschliche Wesen zu heilen und umzuwandeln oder zur Erlösung der Welt beizutragen, in erster Linie darauf bedacht zu sein, die geistige Vollkommenheit des Menschen und der Schöpfung da zu sehen, wo Unvollkommenheit sich zu behaupten scheint. Es bedarf äußerster Wachsamkeit, um in der Wahrheit fest zu stehen. Wir müssen Trost in dem geistigen Verständnis finden, daß der Mensch, der allzeit die Widerspiegelung des unendlich guten und vollkommenen Gottes ist, nie Schmerz empfunden hat noch je empfinden kann, daß er weder krank ist noch einen Unfall erleidet, daß ihm weder ein Unrecht noch eine Kränkung zugefügt werden kann.
In ihrem Buch „Rückblick und Einblick“ schreibt Mrs. Eddy (S. 67): „Das Selbst zum Schweigen bringen, mit andern Worten, sich über die Körperlichkeit erheben, wandelt den Sünder um und zerstört die Sünde.“ In dem Maße also, wie wir alle an Verständnis und Beweisen der sündlosen Selbstheit des Menschen zunehmen, werden Sünde und Krankheit, Uneinigkeit und Streit aus der Welt verschwinden.
Um diese Beweise erbringen zu können, ist es nötig, uns mit unserer wahren Selbstheit, dem Christus-Ideal, dem vollkommenen Menschen, sowie mit der wahren Selbstheit anderer vertraut zu machen. Da der Mensch „der Ausdruck vom Wesen Gottes“ ist, wie Mrs. Eddy im christlich-wissenschaftlichen Lehrbuch „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift“ (S. 470) schreibt, müssen wir uns immer mehr unserer eigenen geistigen Einheit mit dem Göttlichen bewußt werden. Erst wenn unser Bewußtsein von den irrigen Gedanken über uns selbst und andere gereinigt ist, kann das Licht und die Wärme der allumfassenden Liebe, die Schönheit der Seele und die Allmacht des Gemüts durch uns in vollerem Maße zum Ausdruck kommen und die Mühseligen und Beladenen erquicken und heilen.
Der einzelne muß erst in gewissem Grade seine eigene Gotteskindschaft bewiesen haben, bevor er andere durch den Christusgeist vom Irrtum befreien kann. Erlösung ist individuell. Wir dürfen nicht hoffen und erwarten, daß ein anderer das Erlösungswerk für uns tun werde. Christus Jesus ist nicht gekommen, um den sündigen Sterblichen die göttliche Herrlichkeit und das ewige Leben zu bringen. Vielmehr war es seine Absicht, den Menschen zu zeigen, wie sie sich von Sterblichkeit, von Sünde, Krankheit und Tod befreien können. Wie der Meister für sich selbst die völlige Erlösung vollbrachte, so muß auch ein jeder von uns, entweder hier oder hiernach, seine eigene Erlösung vollbringen. Wenn wir weise sind, werden wir diese Arbeit nicht immer wieder auf den nächsten Tag oder eine spätere Zeit verschieben. Paulus sagte (2. Kor. 6:2): „Sehet, jetzt ist die angenehme Zeit, jetzt ist der Tag des Heils.“