Christus Jesus bediente sich vieler Gleichnisse, um uns die Natur des Himmelreiches klarzumachen. Eins dieser Gleichnisse im Matthäus-Evangelium beginnt mit folgenden Worten (20:1): „Das Himmelreich ist gleich einem Hausvater, der am Morgen ausging, Arbeiter zu mieten in seinen Weinberg.“
Jesus erzählt weiter, daß der Herr des Weinbergs abermals um die dritte, die sechste und die neunte Stunde ausging, um noch mehr Arbeiter zu dingen. Und noch einmal um die elfte Stunde zum gleichen Zweck. Als es dann Zeit war, sie zu entlohnen, erhielten die Arbeiter, die zuerst mit der Arbeit begonnen hatten, genau die gleiche Summe, wie die, die erst in der elften Stunde angefangen hatten. Diejenigen, die den ganzen Tag gearbeitet hatten, beklagten sich, als sie sahen, daß die zuletzt Gedungenen ebensoviel erhielten, wie sie selbst. Aber der Hausvater antwortete ihnen (Vers 14, 15): „Nimm, was dein ist, und gehe hin! Ich will aber diesem letzten geben gleich wie dir. Oder habe ich nicht Macht, zu tun, was ich will, mit dem Meinen? Siehst du darum scheel, daß ich so gütig bin?“
Jahrelang war die Verfasserin geneigt, mit jenen Arbeitern zu sympathisieren, die sich betrogen fühlten, weil die Spätgekommenen den gleichen Lohn empfingen, wie sie selbst, die sie vom frühen Morgen an gearbeitet hatten. Doch eines Tages, als sie dieses Gleichnis überdachte, dämmerte in ihrem Bewußtsein die Wahrheit auf, daß Jesus, wie er sagte, seine Nachfolger lehrte, die Natur des Himmelreiches und die Natur Gottes, der göttlichen Liebe, zu verstehen. Das Thema, das der Meister in dieser Geschichte und in all seinen Worten und Werken immer wieder behandelte, war die Unendlichkeit des Guten, die All-Umfassendheit der Liebe, die nichts kennt als ihre eigene Seligkeit, die jetzt und immerdar jedem unparteiisch alles Gute verleiht, unabhängig von Zeit und materiellen Umständen.
Mary Baker Eddy drückt in der folgenden inspirierenden Erklärung in „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift“ (S. 2) dieselbe geistige Wahrheit aus: „Gott läßt sich durch den Odem des Lobes nicht bewegen, mehr zu tun, als Er bereits getan hat, noch kann der Unendliche weniger tun als alles Gute spenden, da Er unwandelbare Weisheit und Liebe ist.“ Und auf Seite 494 sagt sie: „Das Wunder der Gnade ist kein Wunder für die Liebe.“
Es ist heute nicht mehr ungewöhnlich, jemand sagen zu hören: „Ich bin in der Christlichen Wissenschaft aufgewachsen.“ Zuweilen wird auch gesagt: „Meine Angehörigen sind schon seit mehreren Generationen Christliche Wissenschafter.“ Und noch ein anderer mag sagen: „Meine frühesten Erinnerungen sind die, daß ich die christlich-wissenschaftliche Sonntagsschule besuchte.“ Und mit Dankbarkeit erkennen sie die Segnungen der geistigen Erleuchtung, der Gesundheit und des Friedens an. In der Tat, diese Ernte der Christlichen Wissenschaft ist sehr reich, und gesegnet sind alle, die sie erleben.
Dürfen wir daraus nun nicht schließen, daß Jesu Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg — die alle, ob sie nun früh oder spät kamen, den gleichen Lohn erhielten — die geistige Wahrheit erläutern soll, daß es im Himmelreich keine Spätgekommenen gibt? Der Mensch, der zugleich mit Gott besteht, ist immerdar bei dem Vater, ist immer eins mit dem Guten.
Jedermann, der die Christliche Wissenschaft sucht und findet, der die Wahrheit über Gott und den Menschen, Seine Widerspiegelung, versteht, wird in hohem Maße durch diese herrliche Religion gesegnet, die den Weg heraus aus materieller Knechtshaft und in das Himmelreich weist. Wenn der Erwachsene das Studium der Christlichen Wissenschaft beginnt, findet er, daß für ihn die gleichen unbegrenzten Möglichkeiten bestehen, diese reine Metaphysik zu verstehen und zu beweisen, wie für denjenigen, der vielleicht von Kindheit an von ihr gehört oder sie gekannt hat.
Die Erfahrung einer Freundin der Verfasserin erläutert diesen Punkt. Diese Freundin begann mit dem Studium der Christlichen Wissenschaft als ihr jüngstes Kind noch ganz klein war. Sie meldete ihre drei Kinder in der Sonntagsschule an und wünschte oft, daß sie, wie ihre Kinder, die Vorteile dieser schönen und praktischen geistigen Erziehung hätte genießen können.
Später wurde sie in die Kirchenmitgliedschaft aufgenommen und zur gegebenen Zeit gebeten, in der Sonntagsschule zu unterrichten. Anfangs fürchtete sie, sie sei zu dieser wichtigen Aufgabe nicht befähigt. Doch in liebendem Gehorsam ging sie voran und nahm die Klasse an, die der Vorsteher ihr zugeteilt hatte.
Als sie sich gewissenhaft für den Unterricht der Kinder vorbereitete, stellte sie zu ihrer Freude fest, daß sie gemeinschaftlich mit ihnen an der geistigen Erziehung teilnahm. Sie lernte die Zehn Gebote, die Seligpreisungen, die Bibelgeschichten und die Definitionen im Glossarium von „Wissenschaft und Gesundheit“; Definitionen von Gott, von Vater und Mutter, von Kirche und noch viele andere Erklärungen. An die Stelle ihrer früheren Vorstellung von Mangel trat die Erkenntnis ihres nun geistig verstandenen, reichen und vollen christlichen Erbes.
Wenn man aus der Dunkelheit ins Sonnenlicht tritt, dann steht man augenblicklich und so vollständig im Licht, wie jeder, den man in dem Licht sieht. Wenn man Bürger eines Landes wird, erwirbt man damit die Rechte, Vorrechte und Verantwortlichkeiten der Staatsangehörigkeit ebenso uneingeschränkt wie alle andern Bürger. Und wenn man zu dem von der Christlichen Wissenschaft offenbarten geistigen Sein erwacht, dann muß man verstehen, daß man in den Augen Gottes weder ein Neuling noch ein Spätgekommener ist. Dann ist es wichtig, anzuerkennen, daß jeder Gedanke über sich selbst als einer vom Prinzip getrennten Wesenheit nur eine falsche Annahme ist, eine Annahme, die aufgegeben werden muß für die wahre geistige Idee vom Menschen als Gottes geliebten Sohn, sündlos und vollkommen.
Christi Jesu Gleichnis erklärt, daß der Hausvater die Männer aus ihrer Untätigkeit rief und sie zur Arbeit in seinem Weinberg führte. Der Christliche Wissenschafter versteht dieses Beispiel, denn auch er wurde aus wertlosem, verträumtem, sterblichem Denken herausgehoben. Er fühlt sich veranlaßt, bewußte und beständige Anstrengungen zu machen, um sein eigenes Heil auszuarbeiten. Und in dem Verhältnis, wie er Fortschritte macht, drängt es ihn, sein Teil zur Förderung der Sache der Christlichen Wissenschaft beizutragen und so diesen großen Segen mit der ganzen Menschheit zu teilen.
Mrs. Eddy erklärt auf Seite 118 ihres Buches „Vermischte Schriften“: „Mangelnde Selbsterkenntnis, Eigenwille, Selbstgerechtigkeit, Wollust, Begierden, Neid, Rache stehen der Gnade, dem Frieden und Fortschritt feindlich gegenüber. Sie müssen mannhaft bekämpft und überwunden werden, sonst entwurzeln sie alles Glück.“ Und sie fährt fort: „Seid guten Mutes; der Kampf mit dem Selbst ist gewaltig; er verlangt unsere ganze Kraft, doch das göttliche Prinzip wirkt mit uns — und durch Gehorsam wird die beharrliche Bemühung mit immerwährendem Sieg gekrönt.“
Ob man also die Christliche Wissenschaft schon seit vielen Jahren kennt oder die Herrlichkeiten des Himmelreiches und sein eigenes wahres Sein gerade erst wahrgenommen hat — man kann sich freudig, zusammen mit allen andern Christlichen Wissenschaftern, uneingeschränkt mit Gott und Seinem Christus identifizieren. Mit gleicher Aufrichtigkeit und Wahrhaftigkeit, wie die anderen Mitglieder der Gemeinde, kann er die folgenden Zeilen aus dem Lied Nr. 85 aus dem Liederbuch der Christlichen Wissenschaft singen:
Hast die Wahrheit uns gegeben
Und die Liebe, sie zu leben.