Freiheit, völlige Freiheit, ist das köstliche Erbe des Menschen als Kind Gottes — doch nicht allein Freiheit vom Bösen, sondern auch die Freiheit, der vollkommene Mensch zu sein, den Gott zu Seinem Gleichnis erschaffen hat. Die geistige Vollkommenheit des Menschen umschließt sowohl Freiheit von mentalen und körperlichen Leiden wie auch Freiheit von gesellschaftlicher und zivilrechtlicher Knechtschaft.
Die ganze menschliche Familie sucht Freiheit vom Leiden. Das Leiden ist niemandem erwünscht, aber für jeden kommt einmal die Zeit, wo er sich in gewissem Grade damit befassen muß. Der leidende Sinn fragt dann: „Was ist Leiden? Woher kommt es? Warum muß ich leiden?“
Auf diese Fragen haben tatsächlich Tausende die Antwort in den Lehren und der Ausübung der Christlichen Wissenschaft gefunden. Diese Wissenschaft hat nicht nur aufgedeckt, daß die sogenannte Natur und Quelle von Schmerz und Leiden illusorisch ist, sondern, was wichtiger ist, sie hat auch das wahre und dauernde Heilmittel dafür offenbart, indem sie der Menschheit die Wahrheit über Gott und den zum Bilde Gottes geschaffenen Menschen eindeutig klar gemacht hat. „Wenn wir in allen sittlichen Fragen Christen sind,“ schreibt Mary Baker Eddy in „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift“ (S. 373), „uns aber hinsichtlich der physischen Befreiung, welche das Christentum mit sich bringt, in Dunkelheit befinden, dann müssen wir in dieser Sache mehr Glauben an Gott haben und auf Seine Verheißungen achtsamer sein.“
Die Bibel enthält viele klare Beispiele von der Unvereinbarkeit von Gegensätzen. Aus einer Quelle sprudelt nicht zur gleichen Zeit süßes und salziges Wasser; ein Obstbaum kann nicht Feigen und Oliven hervorbringen. Daß Leiden und Harmonie in die gleiche Kategorie von Gegensätzen fallen, ist manchen Leuten nicht bewußt. Dennoch sind Leiden und Harmonie einander entgegengesetzt. Sie können sich weder vermischen noch vereinigen. Das eine ist wahr, das andere falsch.
Die Grundlage dieser Logik ist die Tatsache, daß den Lehren der Christlichen Wissenschaft zufolge Gott das unendliche Gute ist, ohne Gegensatz oder Gleiches. Da Gott, der unendliche Geist, allumfassend, alles durchdringend und alle Substanz ist, kann Er keinen Gegensatz erzeugen noch erlauben, noch sich damit vermischen. Das Böse kann daher nur mutmaßlich sein.
Da das Gute alles ist — die einzige Wirklichkeit — so kann das Böse, obgleich es tatsächlich zu sein scheint, in Wahrheit nicht in der Allheit seines Gegenteils, in Gott, dem unendlichen Geist, existieren. Indem sie diesen Gedankengang bis zu seiner logischen Schlußfolgerung verfolgt, schreibt Mrs. Eddy (ebd., S. 186): „Wenn der Schmerz ebenso wirklich ist wie die Abwesenheit von Schmerz, müssen beide unsterblich sein; und wenn dem so ist, dann ist es unmöglich, daß Harmonie das Gesetz des Seins ist.“
Mrs. Eddy stellt hier ganz klar die Frage auf: Was ist wahr, Harmonie oder Leiden? Und mit ihrer gewohnten Offenheit läßt sie keinerlei Zweifel darüber, daß der Schmerz nicht nur unwahr, sondern daß Harmonie das Gesetz Gottes ist. Bedenkt, was diese Erklärung in sich schließt! Wenn sie verstanden würde, was könnte sie nicht vollbringen, um einen der gefürchtetsten, altehrwürdigsten und lästigsten Feinde der Menschheit auszumerzen !
Von einem materiellen Gesichtspunkt aus gesehen sind die Theorien hinsichtlich des Ursprungs und Wesens menschlicher Schmerzen und Leiden nur mutmaßlich. Materielle Behandlungsmethoden sehen Leiden beständig als Wirklichkeit an. In Jahrhunderten der falschen Erziehung und der Furcht haben sich irrige Vorstellungen entwickelt, denen zufolge der Mensch sterblich und Schmerzen und Leiden unterworfen, das Gemüt in der Materie befindlich und die Sinne materiell sind. Ungeheure Summen und Tausende von Arbeitsstunden sind darauf verwandt worden, das menschliche Elend durch materielles Forschen und materielle Arzneimittel zu lindern. Dennoch spottet das menschliche Leiden allen Anstrengungen.
Da im wirklichen und göttlichen Sinne das Leiden eine NichtWesenheit, eine Nichtwirklichkeit ist, so existiert es nicht dort, wo die menschliche Forschung danach sucht, und es besitzt nicht die Substanz, die der materielle Sinn ihm zuschreibt. Es ist eine Täuschung, das Erzeugnis der sterblichen Annahme, und kann nur als solche verstanden werden. Daher ist das Forschen danach als nach einem Etwas — einer Wirklichkeit — nutzlos und hoffnungslos. Mit Bezug auf diesen wichtigen Punkt sagt Mrs. Eddy (ebd., S. 86): „Das sterbliche Gemüt sieht, was es glaubt, ebenso gewiß, wie es glaubt, was es sieht.“
Beinah jeder gibt zu, daß ein Traum keine Wesenheit besitzt, das heißt, er besitzt keine Substanz, keine Intelligenz, kein Gesetz, keine Wirklichkeit. In der materiellen Therapie werden sogenannte Geisteskrankheiten bereitwillig als Illusionen klassifiziert und somit in das ihnen zustehende Gebiet der Unwirklichkeit verwiesen. Wenn es besser verstanden wird, daß alle menschlichen Krankheiten, körperliche sowohl als auch mentale, aus dem „Stoff bestehen, aus dem Träume gemacht sind“, so werden sie korrekt klassifiziert und durch mentale Therapie allein erfolgreich behandelt werden.
Die Christliche Wissenschaft wird heute auf der Grundlage ausgeübt und demonstriert, daß alle menschlichen Übel mit den sie begleitenden Schmerzen und Leiden nur dann wirklich geheilt werden, wenn es erkannt wird, daß sie keinen Ursprung in der Wirklichkeit haben — in Gott und Seiner vollkommenen Schöpfung.
Das Leben und die Lehren Christi Jesu regen das menschliche Herz dazu an, sich mit Schmerzen und Leiden, diesen Feinden des menschlichen Fortschritts, auf der Grundlage geistiger Logik, Vernunft und Demonstration auseinanderzusetzen. Jesus sagte (Joh. 14:6): „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben.“ Und er bewies seine Worte durch seine Taten, indem er die Kranken heilte, die Toten auf erweckte und die Trauernden tröstete.
Der Meister demonstrierte die Macht Gottes über alle Art menschlichen Leidens und sagte seinen Nachfolgern, daß sie desgleichen tun könnten und sollten. Während seiner drei Tage im Grabe veranschaulichte Christus Jesus, ohne die Beihilfe irgendwelcher materieller Mittel, die Verfügbarkeit und die Zulänglichkeit der geistigen Macht, Schmerzen und Leiden schlimmster Art zu verneinen und zu überwinden. Auch heute beweisen viele durch ihr Verständnis von Gott und Seiner harmonischen Regierung des Menschen, daß Schmerz und Leiden sich bereitwillig der Macht und Liebe Gottes unterwerfen.
Die Linderung alles Leidens ist durch das Verständnis von der Tatsächlichkeit, Natürlichkeit und Normalität des Guten als Gottes Gesetz, das alle Wirklichkeit regiert, zu finden. Zu keiner Zeit kann der wahre Mensch als Gottes Widerspiegelung einen Zustand oder eine Eigenschaft empfangen, in sich schließen, besitzen oder ausdrücken, die das Gegenteil seines Ursprungs, der göttlichen Liebe, ist.
Weil Gott keine Krankheit, keinen Schmerz, keinen Kummer und kein Leiden kennt, ist der Mensch, das Bild Gottes, unfähig, solche Übel zu erleben. Menschliche Zeugung, Wachstum, Zeit, Raum, Tod und das sogenannte Jenseits können diese geistige Tatsache des Seins nicht ändern.
Der wahre Mensch ist niemals krank, unpäßlich oder in Schmerzen gewesen, noch ist er je gestorben und dann durch einen geheimnisvollen Vorgang in einen Zustand der Vollkommenheit umgestaltet worden, noch wird dies jemals geschehen. Tatsächlich befindet sich der Mensch — der Mensch, den Gott geschaffen hat — ewiglich in einem Zustand des vollkommenen Seins, den er niemals verlassen kann.
Die Anerkennung dieser geistigen Tatsache wirkt auf das menschliche Bewußtsein als unwiderstehliches, unfehlbares Heilungsgesetz. Sie verscheucht die Furcht, führt Vertrauen auf Gottes Allheit ein, beseitigt den Zweifel und bringt Ruhe und Gelassenheit.
Gottes Gesetz der Harmonie wirkt auf das menschliche Bewußtsein, indem es die anerzogene Erwartung von Schmerzen unter gewissen Umständen auslöscht, den Bann der Furcht bricht und den Menschen befähigt, mit Ruhe und gelassener Gewißheit auf der Demonstration geistiger Macht über die Unwahrheit von Schmerz und Leiden zu bestehen.
Das furchtlose, geistig erleuchtete Denken schaut durch das Gespenst des Leidens hindurch auf die gegenwärtige Tatsache der Freiheit und Harmonie des Menschen. Die Inspiration behauptet sich unwandelbar, trotz allen Klagegeschreis des sterblichen Gemüts über Gefahr, Nachlässigkeit und Unachtsamkeit, und ruht fest auf der Grundlage des demonstrierbaren, geistigen Verständnisses.
Ein Anhänger der Christlichen Wissenschaft lernte zu einer Zeit, als Schmerz und Leiden menschlich unerträglich erschienen, wie praktisch anwendbar und zuverlässig die heilende, erlösende Macht der göttlichen Liebe ist. Er lernte verstehen, daß es keine unerträglichen Schmerzen oder Leiden irgendwelcher Art gibt, weil es für jeden Grad der Schmerzannahme ein größeres Maß der Liebe Gottes gibt.
Mehrere Wochen lang konnte er in keiner körperlichen Lage Bequemlichkeit oder Erleichterung finden. Er schleppte sich durch schlaflose Tage und Nächte dahin. Er hatte einen Ausüber der Christlichen Wissenschaft um Hilfe gebeten, dessen standhafte und tröstende metaphysische Unterstützung er deutlich fühlte, während er selbst danach rang, sein eigenes Denken über den Sinn von Leiden zu einer klareren Vergegenwärtigung der alleinigen Gegenwart des Guten zu erheben.
Nach mehreren Wochen des Leidens entschloß er sich schließlich eines Nachts, das Bett zu verlassen, nicht länger zu versuchen, Trost in der Materie oder eine bequeme Lage im Bett zu finden, sondern aufrecht auf einem Stuhl zu sitzen und, ungeachtet wie lange dies dauern würde, entschieden und beständig zu arbeiten, um in seinem Bewußtsein die Tatsache aufzurichten, daß die Harmonie allein im geistigen Sinn existiert — dem Sinn, den Gott, die Seele, verleiht. Zuerst erschien es unmöglich, stillzusitzen und ruhig zu bleiben. Doch bald war der Wissenschafter imstande, sein Denken und dann seinen Körper zu beherrschen; und dann war es ihm möglich, völlig still zu sitzen und ruhig zu sein.
Er verneinte das Zeugnis des materiellen Sinnes in entschiedener, klarer und fester Weise und behauptete die Gegenwart und Macht und das unfehlbare Wirken des Gesetzes der Liebe. Er vergegenwärtigte sich, daß er keinen Sinn oder kein Gefühl von sich selbst oder seinem Zustand haben könne, der nicht von der Seele herstammte, da doch Gott, Seele, sein Leben ist. Er machte sich klar, daß in jedem einzelnen Augenblick obgleich der materielle Sinn behauptete, daß er nichts als Schmerz empfinden könne, tatsächlich nichts anderes gegenwärtig war als das Bewußtsein von Gesundheit, Harmonie, Kraft und Freiheit. Er arbeitete in diesem Sinne ununterbrochen ungefähr drei Stunden lang.
Schließlich wurde das Denken des Wissenschafters so klar in der Erkenntnis der Wahrheit und so stark in der Überzeugung dessen, was er erkannt hatte, daß nichts in seinem Bewußtsein verblieb, an das sich die Suggestion von Schmerz klammern konnte. Er konnte beinahe fühlen, wie der Schmerzenstraum verblich und wie das Einströmen von Harmonie mental und körperlich die Oberhand gewann. Plötzlich fühlte er sich völlig frei; er stand auf, legte sich wieder zu Bett und schlief fest bis zum Morgen. Das war das Ende seines Leidens.
Die Christliche Wissenschaft demonstriert, daß schmerzloses Sein eine gegenwärtige Tatsache und hier und jetzt erreichbar ist. In der Offenbarung lesen wir (21:1–4): „Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde; denn der erste Himmel und die erste Erde verging, und das Meer ist nicht mehr. ... Und ich hörte eine große Stimme von dem Stuhl, die sprach: Siehe da, die Hütte Gottes bei den Menschen! ... und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen.“