Als Christus Jesus einmal im Tempel lehrte, fragten seine Zuhörer, die von seiner Weisheit beeindruckt waren (Joh. 7:15): „Wie kann dieser die Schrift, so er sie doch nicht gelernt hat?“ Auf Seite 89 von „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift“ gibt Mary Baker Eddy eine Erklärung, die als Antwort auf diese Frage dienen kann. Sie sagt: „Gemüt ist nicht notwendigerweise von erzieherischen Vorgängen abhängig. Es trägt alle Schönheit und Poesie in sich, sowie die Kraft, sie auszudrücken.“ In der Christlichen Wissenschaft wird Gemüt als Gott verstanden, als die unendliche, alles durchdringende Intelligenz, die für jeden einzelnen von uns zu jeder Zeit verfügbar ist.
Die Christliche Wissenschaft bestätigt die Bibel in ihrer geistigen Bedeutung und erklärt weiter, daß Gott Seele oder Geist ist, das schöpferische göttliche Prinzip, Leben, Wahrheit, Liebe. Da Gott, wie die Bibel sagt, alles ist, kann es nichts außer Ihm geben. Er ist das einzige Gemüt, das einzige Leben, die einzige Liebe und Wahrheit. Er ist die Allmacht und Allgegenwart, die Quelle aller wahren Tätigkeit und alles wahren Gesetzes, die Quelle aller wahren Fähigkeit und alles wahren Vermögens; Gott umfaßt denn alle Wirklichkeit.
Das Gemüt muß sich, um Gemüt zu sein, in Ideen ausdrücken, und diese Ideen müssen die Natur und Eigenschaft ihrer göttlichen Quelle offenbaren. Der vollkommene Ausdruck des Gemüts ist der Mensch einschließlich des Universums. Der zu Gottes Ebenbild erschaffene Mensch verkörpert daher die Weisheit, Macht, Harmonie, Freude und Fähigkeit des Gemüts, und dieses Ebenbild ist die wirkliche oder einzige Selbstheit eines jeden von uns.
Was den physischen Sinnen sterblich und materiell zu sein scheint, ist nicht der wahre Mensch, sondern der Adam-Traum, ein falsches, körperliches Bewußtsein von Leben, das durch Christus, die Wahrheit, überwunden wird. Daher ist des Menschen Macht und Fähigkeit in Wirklichkeit der Ausdruck von Gottes allmächtiger, all-wissender, göttlicher Natur.
Jesus wußte, daß es nur ein Gemüt geben konnte, weil es nur ein Prinzip alles wirklichen Seins gibt. Der Meister beanspruchte und erkannte keine andere Macht an außer der, die von Gott hergeleitet war. Er sagte (Joh. 5:19): „Der Sohn kann nichts von sich selber tun, sondern was er sieht den Vater tun; denn was dieser tut, das tut gleicherweise auch der Sohn.“ In der göttlichen Widerspiegelung gibt es keinen Fehlschlag, keine begrenzte Fähigkeit, keinen Mangel an Intelligenz, an Vermögen, Scharfsichtigkeit oder irgendeiner von Gott verliehenen Eigenschaft. In der Wissenschaft ist der Mensch das vollkommene Gleichnis des vollkommenen Gemüts.
Das wahre Verständnis von Gott und dem Menschen in der Christlichen Wissenschaft wirkt als ein Gesetz der Befreiung von den falschen Annahmen begrenzter Fähigkeiten oder Gelegenheiten, menschlicher Geburt und Umgebung. Dieses Verständnis bringt die göttlichen Möglichkeiten und Fähigkeiten des zu Gottes Bild und Gleichnis geschaffenen Menschen ans Licht. In dem Maße, wie wir das geistige Verständnis empfangen und anwenden, können wir die dem Menschen von Gott verliehenen Fähigkeiten beanspruchen und betätigen.
Beständig ergeht der Ruf an uns, Aufgaben zu übernehmen, die Geschicklichkeit, Wachsamkeit, gutes Urteilsvermögen und dergleichen erfordern. Wenn wir uns auf einen lediglich persönlichen Begriff von Kraft verlassen, der sich auf die falsche Vorstellung vom Menschen als einem Sterblichen gründet, der getrennt von Gott existiert, dann mögen wir daran zweifeln, daß wir imstande sind, diese Aufgaben zu vollbringen. Wenn wir jedoch in der Christlichen Wissenschaft das Dasein des Menschen als Gottes Ebenbild verstehen lernen, so erkennen wir, daß unsere Talente und Fähigkeiten ihren Ursprung im göttlichen Gemüt haben, daß sie daher unbegrenzt, beständig und durch geistige Widerspiegelung stets für uns verfügbar sind.
Wenn wir anstatt der falschen, materiellen Auffassung die wahre, geistige Idee von Gott und dem Menschen im Denken festhalten und eifrig die göttlichen Eigenschaften zum Ausdruck bringen, so erkennen wir, daß unsere mentalen Kräfte und Fähigkeiten sich immer mehr entfalten. Wir fangen an zu erkennen, daß es keine wirklichen Hindernisse gibt, die unsere rechten Leistungen aufhalten könnten.
Paulus muß die Vollständigkeit des Menschen als Ausdruck des göttlichen Gemüts erkannt haben, als er erklärte (Phil. 4:13): „Ich vermag alles durch den, der mich mächtig macht, Christus.“ In ihrem Werk „Vermischte Schriften“ schreibt Mrs. Eddy (S. 183): „Der Mensch ist Gottes Bild und Gleichnis; was auch immer Gott möglich ist, ist dem Menschen als Gottes Widerspiegelung möglich. Durch die Klarheit der Wissenschaft erkennen wir das und nehmen es an: wir erkennen, daß der Mensch in jedem Fall der Heiligen Schrift gerecht werden kann, daß ihm, wenn er seinen Mund auftut, gegeben wird, die Wahrheit zu verkünden, nicht durch Schulweisheit oder Gelehrsamkeit, sondern durch ein natürliches Vermögen, das ihm die Widerspiegelung bereits verliehen hat.“
Eine Pianistin, die eine Schülerin in einer der oberen Klassen einer christlich-wissenschaftlichen Sonntagsschule ist, wurde eingeladen, an Aufnahmen teilzunehmen, die von einer wichtigen Rundfunkstation in einer großen Stadt veranstaltet wurden. Die Sieger sollten in sieben halbstündigen Übertragungen spielen, die anläßlich der alljährlichen Serie „Musikalische Talente in unseren Schulen“ von der Rundfunkstation veranstaltet wurden. Weil sie schon früher, wenn sie vor anderen spielte, sehr befangen geworden war, bat sie ihren Sonntagsschullehrer um Unterstützung für die kommenden Rundfunkaufnahmen. Er empfahl ihr, die Abschnitte aus der Bibel und aus Mrs. Eddys Schriften, auf die in diesem Aufsatz Bezug genommen wird, eingehend zu studieren, und riet ihr, unerschütterlich an der Wahrheit festzuhalten, daß der Mensch göttliche Fähigkeiten widerspiegelt.
Sowohl bei den vorbereitenden wie auch bei den endgültigen Aufnahmen hatte sie Erfolg. Der Sonntagsschullehrer hatte die Freude, der Übertragung beizuwohnen — sie spielte ausgezeichnet und war vollkommen ruhig. Später erzählte ihm diese Schülerin, daß sie während der Veranstaltung frei von jeglichem Gefühl von Befangenheit gewesen sei, da sie wußte, daß Gott die Quelle ihrer Fähigkeit war.
Der Prophet Jeremia erklärte (32:17): „Ach Herr Herr, siehe, du hast Himmel und Erde gemacht durch deine große Kraft und durch deinen ausgestreckten Arm, und ist kein Ding vor dir unmöglich.“ Durch die Anerkennung und Widerspiegelung des allmächtigen Gemüts als der unfehlbaren Quelle der Kräfte und Fähigkeiten des Menschen weist die Christliche Wissenschaft den Weg zu rechten Leistungen.
