Einer der schönsten Anblicke in der Natur ist ein im Fluge schwebender Vogel. Mit ausgebreiteten Schwingen gleitet er anmutig durch die Atmosphäre. Ebenso eindrucksvoll ist das Beispiel eines Menschen, der — offensichtlich unbeeindruckt von den Stürmen und Stößen des täglichen Lebens, nur gelenkt von den Strömungen der Wahrheit — ruhig dahinschreitet.
Ein solches Beispiel finden wir in der Erfahrung des Propheten Daniel, der durch die arglistige Falschheit seiner Feinde völlig unschuldig in die Löwengrube geworfen wurde. Geistige Stärke und von Gott herrührende Ausgeglichenheit sind auf seinem Antlitz und in seiner Haltung dargestellt auf Abbildungen von seiner Erfahrung in der Löwengrube.
Geistige Ausgeglichenheit ist eine der unzerstörbaren Eigenschaften Gottes, die jedem Wesen innewohnen. Ausgeglichenheit ist Standhaftigkeit und Beständigkeit des Charakters oder Zweckes. Es ist eine andauernde Eigenschaft der göttlichen Liebe, die sich niemals wandelt und den Menschen für immer in vollkommen harmonischer Verbindung mit Gott und mit all Seinen Ideen hält.
Diese Eigenschaft der Ausgeglichenheit, Standhaftigkeit oder Beharrlichkeit befähigt den Menschen — wenn sie in allen Tätigkeiten seines täglichen Lebens zum Ausdruck gebracht wird — Frieden zu verspüren inmitten eines Streites, ermöglicht ihm, angesichts jeder Situation klar und ruhig zu denken und jenen, die mit ihm in Berührung kommen, ein Gefühl des Vertrauens einzuflößen in seine Fähigkeit, ihnen zu helfen und sie zu segnen.
Christus Jesus drückte diese Eigenschaft aus. Sie befähigte ihn, in Gegenwart seiner bebenden Jünger in einem sinkenden Schiff unberührt inmitten der tobenden Elemente zu stehen und mit göttlicher Autorität dem Sturm zu befehlen: „Schweig und verstumme“ (Mark. 4:39).
Was war wohl die Grundlage von Jesu bemerkenswerter Demonstration geistiger Ausgeglichenheit oder Standhaftigkeit während seiner ganzen Laufbahn? Es war seine beständige Erkenntnis von dem ewigen Einssein des Menschen mit Gott, dem göttlichen Prinzip. Er kannte die unwandelbare, unfehlbare und allumfassende Natur seines Vater-Mutter Gottes, der göttlichen Liebe. Er handelte ständig in dem Bewußtsein der immerwährenden Fürsorge und gütigen Leitung der göttlichen Liebe für ihre vollkommene Schöpfung.
Das wahre Verständnis von Gott, der in der Christlichen Wissenschaft als göttliches Prinzip oder Liebe offenbart wird, und das Verständnis von des Menschen gottgegebener Festigkeit und unwandelbarer Vollkommenheit, ist die Grundlage jeder Demonstration. Unsere Führerin Mary Baker Eddy schrieb an eine christlich-wissenschaftliche Zweigkirche in „The First Church of Christ, Scientist, and Miscellany“ (Die Erste Kirche Christi, Wissenschafter, und Verschiedenes, S. 204): „Mein Glaube an Gott und an Seine Nachfolger beruht auf der Tatsache, daß Er das unendliche Gute ist, und daß Er Seinen Anhängern Gelegenheit gibt, ihre schlummernden Fähigkeiten zu benützen, die Kraft anzuwenden, die in der Ruhe verborgen liegt und von Stürmen zur Stärke und zum Siege entfacht wird.“
Obwohl es wichtig ist, einen klaren Sinn von Ausgeglichenheit oder geistiger Standhaftigkeit aufrechtzuerhalten, wenn wir scheinbar unüberwindlichen Problemen im täglichen Leben gegenüberstehen, so ist es doch auch wichtig, sich nicht von den kleinlichen Unannehmlichkeiten niederdrücken zu lassen, wie sie manchmal in den Beziehungen zu unseren Mitmenschen auftreten.
Durch Worte, Meinungen oder Handlungen anderer aufgebracht oder bestürzt zu werden, heißt, uns der Annahme nach von der Liebe Gottes zu trennen und hat einen verwirrten Bewußtseinszustand zur Folge. Der Apostel Jakobus sagt uns: „Ein Zweifler ist unbeständig in allen seinen Wegen“ (Jak. 1:8), denn er ist „gleich wie die Meereswoge, die vom Winde getrieben und gewebt wird“ (Vers 6).
Jemand, der sich gestattet, über die Reden oder Handlungen seiner Mitmenschen ärgerlich oder beunruhigt zu sein, bestraft sich tatsächlich selbst. Er mag die Worte unserer Führerin in ihrem Werk „Vermischte Schriften“ (S. 223) wohl überlegen: „Uns selbst für die Fehler anderer zu strafen, ist überaus töricht.“
Manchmal ist Entzündung das Ergebnis von Erregung. In der Christlichen Wissenschaft lernen wir verstehen, daß die Gedanken auf den Körper einwirken; denn der sogenannte materielle Körper ist einfach der objektive Zustand des sterblichen Denkens. Wie sorgfältig sollten wir daher auf unsere Gedanken achten, damit das, was aufregt und entzündet, nicht in körperlichen Unstimmigkeiten in Erscheinung treten kann. Wenn geistige Ausgeglichenheit an Stelle von Erregung tritt, so besänftigt dies, macht gelassen und beruhigt das Denken und den Körper, ja es bringt ein Gefühl der Harmonie, Gesundheit und aufbauender Tätigkeit in die Erfahrungen unseres täglichen Lebens.
Ein ausgeglichener Bewußtseinszustand im Heim fördert Frieden und Fortschritt. Eltern, die in ihrer grundsätzlichen Ansicht über die Christliche Wissenschaft übereinstimmen, neigen nicht dazu, sich gegenseitig zu erregen, noch über die Handlungen ihrer Kinder aufgebracht zu werden. Sie werden geduldig und andachtsvoll die Macht der göttlichen Liebe beweisen, alle Probleme ihrer Familien zu lösen.
Im Geschäftsleben segnet der Ausdruck geistiger Ausgeglichenheit den Arbeitgeber und den Arbeitnehmer, sowie alle, die mit ihnen zu tun haben. Angesichts irgendeiner Störung ausgeglichen zu sein, heißt, die Grundlage für klares Denken und rechtes Handeln zu besitzen, was allein hilft, ein Geschäftsproblem zu lösen.
Auch wo es sich um nationale und internationale Angelegenheiten und die daran Beteiligten handelt, sollte man bestrebt sein, zu einem klaren Gefühl von Ausgeglichenheit zu gelangen. Die Lösung solcher Probleme wird durch Erregung eher behindert als gefördert. Jemand dagegen, der unter allen Umständen die Fähigkeit bewahrt, klar und ruhig zu denken, trägt sein Teil dazu bei, Frieden und Wohlstand aufzubauen, nicht nur in seinen eigenen Angelegenheiten, sondern auch in den Angelegenheiten der ganzen Menschheit.
Wie hilfreich sind Mrs. Eddys dargeboten in ihrer inspirierten Ansprache in Chikago (ebd., S. 104): „Wer möchte sterblich sein, oder möchte nicht das wahre Urbild des Lebens gewinnen und seine eigene Individualität wiedererlangen?“ Und sie fährt fort: „Ich will ein Übergewicht auf der Seite des Guten, meines wahren Seins, gewinnen. Dies allein verleiht mir Gottes Kräfte, mit denen ich allen Irrtum überwinden kann.“