Der menschlichen Erfahrung gemäß bedeutet der Ruf zu den Waffen eine Zeit der Erregung, aufgewühlter Empfindungen und oft auch eine entschlossene Zusammenballung aggressiver menschlicher Willenskraft. In der Christlichen Wissenschaft ist der Ruf zu den Waffen nicht der Klang des Signalhorns, sondern die beständige Forderung des Christus, uns der Rüstkammer des Geistes zu bedienen in unserem mentalen Kampf mit allem, was uns einreden möchte, daß Gott, das Gute, nicht allmächtig, daß der Mensch ein materieller Sterblicher und daß das Böse eine Macht sei.
Da diese Argumente völlig unwahr sind, so ist unser Ruf zu den Waffen nicht ein Signal für physischen Kampf, sondern die Gelegenheit, sich zu Sieg und Frieden zu erheben durch die wirksame Anwendung der geistigen Wahrheit. Es ist die gebieterische Stimme von Wahrheit und Liebe und fordert uns auf, unentwegt am geistigen Schauen festzuhalten; es ist der Befehl, die Eigenschaften und Gnadengaben des Geistes fortgesetzt gewissenhaft zu demonstrieren, nötigenfalls auch unter widrigen Bedingungen. Diese Demonstration bekundet den heilenden Antrieb des geistigen Verständnisses und befähigt uns, die Herausforderungen und Versuchungen des Irrtums zu überwinden.
Jener gewaltige Streiter Christi, der Apostel Paulus, schrieb (2. Kor. 10:4, 5): „Die Waffen unsrer Ritterschaft sind nicht fleischlich, sondern mächtig vor Gott, zu zerstören Befestigungen; wir zerstören damit die Anschläge und alle Höhe, die sich erhebt wider die Erkenntnis Gottes, und nehmen gefangen alle Vernunft unter den Gehorsam Christi.“
Der Feind ist also jeder Gedanke oder jeder Impuls, der dem Christus nicht gehorsam ist. Ob dieser Feind nun von uns selbst oder von andern auszugehen scheint, so stammt er doch immer von außen, niemals von innerhalb des Reiches der Wirklichkeit und hat niemals tatsächlich Macht, Gottes Bild und Gleichnis anzugreifen. Alle seine Angriffe sind nur Scheinangriffe, die darauf abzielen, uns vergessen zu lassen, daß wir in Wirklichkeit im Himmelreich leben, und die uns veranlassen sollen, in unserem Kampf gegen den Irrtum statt der geistigen Wahrheit die Mittel und Verfahren des Irrtums anzuwenden.
Die Versuchung, dem zu unterliegen, das ein irriger Impuls aus uns selbst zu sein scheint, ist nichts anderes als die Wirkung der trügerischen, mesmerischen Einflüsterung des Bösen, daß wir auf eine aufreizende Person oder Situation mit Ärger reagieren und auf ungerechte Behandlung mit Groll, ja, daß wir Haß mit Haß vergelten. Der tierische Magnetismus — was auch immer die tierischen Instinkte in den Sterblichen erwecken möchte — scheint manchmal mit und manchmal ohne einen Mittler in der Maske einer Person, eines Dinges oder einer Situation zu wirken. Aber in jedem Fall möchten uns alle seine Herausforderungen nur dazu verleiten, bewußt oder unbewußt die Wirklichkeit eines bösen Gemütes zuzugeben, das mit zielstrebiger Entschlossenheit beansprucht, die Fähigkeit zu besitzen, uns zu kennen und uns zu erreichen. Die Falschheit dieses Anspruchs zu erkennen, bedeutet, den Sieg darüber zu erlangen; geben wir dagegen den Anspruch zu, so tun wir dem Feinde weit unsre Tore auf.
Die geliebte Entdeckerin und Gründerin der Christlichen Wissenschaft, Mary Baker Eddy, beschreibt das Wesen dieses Feindes einfach und prägnant, wenn sie uns rät (Vermischte Schriften, S. 8): „Nenne nur das deinen Feind, was das Christusbild, das du widerspiegeln solltest, besudelt, entstellt und entthront.“
Wir spiegeln das Christusbild wider, wenn wir unbeirrt an dem geistigen Richtmaß von Christi Bergpredigt festhalten und es natürlich und aufrichtig in unserem Verhalten und Betragen zum Ausdruck bringen. Dann werden wir die Absicht des Feindes, uns aus dem Himmelreich zu locken, vereitelt haben; denn dann wird nichts mehr in uns sein, das auf die Lockungen und Einschüchterungsversuche des Bösen reagieren könnte.
Wenn ihn die eigensinnigen Herausforderungen des Bösen bedrohen, wendet sich der Christliche Wissenschafter ab von der fleischlichen Waffe des menschlichen Willens. Doch versteht er den Unterschied zwischen dem menschlichen Willen und der Macht des Wohlwollens; denn die Christliche Wissenschaft legt ganz klar dar, daß die letztere die geistige Macht ist, die durch Treue zur rechten Idee erlangt wird, während menschliche Willenskraft die treibende Kraft des egozentrischen Materialismus ist und daher ein wesentlicher Bestandteil gerade der Illusion des Bösen, der er sich gegenübersieht.
Der Wissenschafter begreift, daß ohne den menschlichen Willen der Irrtum seinen aggressiven Charakter verlieren und verschwinden würde, und daß er daher mit dem Irrtum zusammenarbeitet, wenn er die treibende Kraft desselben anwendet. So wird er nicht dem sterblichen Impuls erliegen, dem menschlichen Willen mit menschlichem Willen und dem Irrtum mit Irrtum entgegenzutreten, sondern er wird ihm mit seinem Verständnis von der trügerischen, vergänglichen Natur aller bösen Suggestionen begegnen. Er wird mit voller Überzeugung erklären, daß alle Macht, alle Ursache und alle bewegende Kraft der göttlichen Liebe angehören, deren unendliche Gegenwart nicht von dem verlogenen, bösen Anspruch eines sündigen Gemüts und lebendiger Materie angegriffen werden kann.
Manchmal versucht der Irrtum, uns dadurch zu überrumpeln, daß er uns veranlaßt, seine Ansprüche zu bagatellisieren und zu leicht zu nehmen. Häufiger jedoch ist die Tendenz des Irrtums, seine Ansprüche im menschlichen Denken aufzublähen und dadurch Aufregung, Verwirrung und Furcht hervorzurufen. Daher ist es wichtig, die Fähigkeit zu besitzen, die Bedeutung alles dessen, was im täglichen Ablauf der Dinge vorkommt — sei es nun angenehm oder unangenehm — richtig einzuschätzen; es macht zum Teil unsere Ausrüstung im Kampf gegen den Irrtum aus. Diese Fähigkeit hilft uns auch, die wahre Selbstbeherrschung zu erlangen, die durch das Studium und das gewissenhafte Anwenden der Christlichen Wissenschaft entwickelt wird. Die Pflege dieser Tugend führt zu Mäßigung im Denken und Handeln und ist eine Hilfe bei unserem Widerstand gegen die Angriffe des Irrtums. Auf Grund seiner langjährigen Erfahrung im Überwinden der Angriffe des Widerchristes, riet der Apostel Paulus (Phil. 4:5): „Eure Lindigkeit lasset kund sein allen Menschen.“
Konsequent festzuhalten an Gott, der göttlichen Liebe, als dem einen und einzigen Urquell und Spender rechter Gedanken und rechter Beweggründe, und allen gegenteiligen Regungen zu widerstehen, bedeutet, unter der Herrschaft der göttlichen Weisheit zu verweilen. Und das heißt ebenfalls, eine wohlausgewogene Ansicht über alle Dinge zu haben und beizubehalten und dadurch beständig den Versuch des tierischen Magnetismus unwirksam zu machen, das menschliche Denken und das menschliche Empfinden so stark aufzuwühlen, daß der richtige Begriff von Proportion und vernünftigem Urteil verdunkelt wird.
Der Christliche Wissenschafter wird täglich, ja stündlich, zu den Waffen gerufen, um seine Unversehrtheit als das reine, gesunde und sündlose Kind Gottes zu verteidigen. Das ist die unbedingte Wirklichkeit seines Seins, die der Irrtum leugnet, die jedoch seinem Vater-Mutter Gott bekannt ist und daher ewiglich von Ihm erhalten wird. Er vergegenwärtigt sich, daß gegen diese Wahrheit und sein eigenes überzeugtes Verständnis davon, alle Argumente des Bösen vergeblich ankämpfen. „Die großen Wahrheiten des Daseins werden durch Unwahrheit niemals ausgeschlossen“, schreibt unsere Führerin, Mrs. Eddy (Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift, S. 543). Und sie versichert uns (ebd., S. 420): „Wahrheit nicht Irrtum, Liebe nicht Haß, Geist nicht Materie regiert den Menschen.“
Wenn der Christliche Wissenschafter dem Ruf des Christus folgt, verläßt er sich auf die inspirierte Zusicherung des Jesaja (54:17): „Einer jeglichen Waffe, die wider dich zubereitet wird, soll es nicht gelingen; und alle Zunge, so sich wider dich setzt, sollst du im Gericht verdammen. Das ist das Erbe der Knechte des Herrn und ihre Gerechtigkeit von mir, spricht der Herr.“
