Zweifellos wird die mentale Natur der Krankheit in zunehmendem Maße erkannt. Die Anhänger der verschiedenen mentalen Heilsysteme bestätigen, vielleicht ganz unbewußt, die vor beinahe einem Jahrhundert gemachten Beobachtungen der Entdeckerin und Gründerin der Christlichen Wissenschaft, Mrs. Eddy. Selbstverständlich besteht ein Unterschied zwischen den Systemen, die lediglich mental sind, und der Christlichen Wissenschaft, die wahrhaft geistig ist. Dieser Unterschied muß anerkannt werden, wenn man von der Anwendung der Christlichen Wissenschaft befriedigende Ergebnisse erlangen will.
Gemüt und Geist werden ganz allgemein als sinnverwandte Begriffe angesehen; das Wort „mental“ steht jedoch oft in auffallendem Gegensatz zu dem Wort „geistig“. Der Apostel Paulus brachte dies in seinem Brief an die Römer zum Ausdruck. Er schrieb (8:5): „Die da fleischlich sind, die sind fleischlich gesinnt; die aber geistlich sind, die sind geistlich gesinnt.“ Er zeigt dann, wie sich die fleischliche Gesinnung von der geistigen Gesinnung unterscheidet, indem er die eine mit dem Tod und die andere mit Leben und Frieden in Verbindung bringt. Bei der Ausübung der Christlichen Wissenschaft sind sowohl Ausüber als nach Patient darauf bedacht, „geistig gesinnt“ zu sein.
Die Christliche Wissenschaft ist nicht lediglich ein mentales System zur Behandlung von Krankheit. Sie ist vielmehr eine geistige, göttlich-mentale Art, Irrtümer des Denkens zu behandeln, die sich als körperliche Zustände zu bekunden scheinen — Irrtümer, die durch eine fleischliche Gesinnung herbeigeführt werden. Das geistige Heilen bringt die berichtigende Macht der geistigen Wahrheit in das menschliche Denken.
Mrs. Eddy verbrachte einen Teil ihres Lebens in Kränklichkeit, bis sie nämlich die Christliche Wissenschaft entdeckte. Während der Zeit versuchte sie alles nur Erdenkliche, um Linderung für ihre Leiden zu finden. Sie erhielt nicht nur die beste ärztliche Behandlung, die zur Verfügung stand, sondern sie bemühte sich auch, selbst eine Kenntnis der ärztlichen Praxis zu erlangen in der Hoffnung, daß dies nicht nur ihr, sondern auch andern helfen würde.
Es kam jedoch der Tag, an dem sie sich völlig von den materiellen Mitteln abwandte und zu erkennen suchte, welche Verbindung zwischen körperlichen Leiden und seelischer Unausgeglichenheit bestehen konnte. Sie war tief religiös und es gab Zeiten, da sie Linderung für ihre Qualen fand, wenn sie Trost in der Bibel suchte. Durch diese Erfahrungen erkannte sie, daß ein geistig erhobenes Denken eine entschiedene Wirkung auf den Körper ausübte — eine wohltätige Wirkung. Es wurde ihr klar, daß Krankheit nicht mit Gottes Regierung in Übereinstimmung steht und daher nicht etwas ist, das man mit Geduld ertragen muß.
Zwei entgegengesetzte religiöse Gedankenrichtungen drangen auf sie ein. Die eine betraf die strenge theologische Lehre ihres liebenden Vaters, die andere, das zärtliche, segensreiche Wirken ihrer geistig gesinnten Mutter. Als die Schwere, die von dem Denken ihres Vaters ausging, ihre Seelenangst und ihr körperliches Leiden vermehrten, ermutigte ihre Mutter sie, ihr Vertrauen auf Gottes nie versagende Liebe zu setzen. Das brachte ihr willkommene Erleichterung.
In einer Erfahrung nach der andern empfand sie die Macht der unendlichen Güte und zärtlichen Fürsorge Gottes. Dies ermutigte sie, mehr und mehr nach jener Geistigkeit zu streben, die sie später als hervorragende religiöse Führerin und geistigen Heiler auszeichnete.
Als ihr geistiges Wachstum zunahm, war sie imstande, klar zu erkennen, daß zwischen der Unwissenheit über die wahre Natur Gottes und dem menschlichen Leiden ein enger Zusammenhang besteht. Sie erkannte, daß das Verständnis eine Eigenschaft des Geistes, und die Unwissensheit ein Zustand der Materialität ist. Dies bewies ihr, daß auf Unwissenheit beruhende Leiden durch geistiges Verständnis geheilt werden können. Ihr erschien die Materialität lediglich als die Abwesenheit der Geistigkeit, genau wie die Dunkelheit die Abwesenheit des Lichtes ist.
Mrs. Eddys Weg, der aus Lehren und Glaubensbekenntnissen heraus zur Christlichen Wissenschaft führte, bedeutete keineswegs eine Abweichung vom Christentum, noch bekundete sie dadurch Mißachtung oder auch nur Mangel an Liebe für die christliche Kirche. Sie gründete eine eigene Kirche, weil ihr Verständnis von Gott als dem unendlichen Geist in ihrem Denken keinen Raum für den Materialismus als rechtmäßigen Teil einer Religion ließ. Und durch göttliche Führung arbeitete sie beharrlich weiter, bis sie ihre eigene Kirche fest auf der Grundlage der Allheit des Geistes begründet sah.
Auf Grund dessen, was die Christliche Wissenschaft bereits vollbracht hat, ist es nur vernunftgemäß anzunehmen, daß es heutzutage kein sorgfältig ausgearbeitetes medizinisches Heilverfahren geben würde, das Krankheiten von einer materiellen Grundlage aus behandelt, wenn religiöse Menschen von Christi Jesu Zeiten an bis heute den Materialismus zu Gunsten der Geistigkeit zurückgewiesen hätten. Wenn der Geist als das Alles-in-allem angenommen worden wäre, so würde das geistige Verständnis Sünde und Krankheit aus der Erfahrung der Menschheit entfernt und Freiheit von der Knechtschaft gebracht haben, die eine Unwissenheit über den Geist auferlegt.
Mrs. Eddy schreibt in ihrem Buch „Rückblick und Einblick“ (S. 24): „Zwanzig Jahre lang vor meiner Entdeckung hatte ich versucht, alle körperlichen Wirkungen auf gedankliche Ursachen zurückzuführen, und gegen Ende des Jahres 1866 erlangte ich die wissenschaftliche Gewißheit, daß alle Ursächlichkeit Gemüt ist, und jede Wirkung eine gedankliche Erscheinung.“ Eine geistige Heilung, die sie erlebte, führte sie ohne Vorbehalt zu der Aufgabe, ihre Entdeckung so auszuarbeiten, daß sie praktisch angewandt werden konnte.
Die Bibel war ihr einziges Lehrbuch. Sie schreibt (ebd., S. 25): „Sie beantwortete mir die Frage, wie ich geheilt wurde; aber die Heilige Schrift hatte eine neue Bedeutung, eine neue Sprache für mich. Ihr geistiger Sinn kam ans Licht, und zum ersten Male erfaßte ich Jesu Lehren und Demonstrationen in ihrer geistigen Bedeutung, sowie das Prinzip und die Regel der geistigen Wissenschaft und des metaphysischen Heilens, mit einem Wort: die Christliche Wissenschaft.“
Heutzutage stillt die Christliche Wissenschaft die geistigen Nöte der Menschheit ebenso wie Jesus es tat. Wenn dies besser verstanden wird, werden die unbegrenzten geistigen Hilfsmittel, die in dem Weltall der Seele, des Geistes in Überfülle vorhanden sind, der Menschheit verfügbar gemacht werden. Sie werden die Unwissenheit entfernen, aus der die Sünden, Krankheiten und Leiden der Menschheit hervorgehen. Wir haben bis jetzt nur die allergeringsten Möglichkeiten der Christlichen Wissenschaft erfaßt. Aber welch eine überwältigende Erfahrung ist es doch, auch nur einen Schimmer von der gewaltigen Macht zum Guten zu erfassen, die von dem Geistiggesinntsein untrennbar ist, das diese Wissenschaft möglich macht!
