Im Grunde genommen hat die Menschheit immer nach Erkenntnis gestrebt! In dem Maße, wie sich die Erkenntnis der Menschheit in bezug auf die sie umgebende Welt entwickelt hat, hat das Verständnis von der Wahrheit bloße Annahmen ersetzt und dadurch den Bann gebrochen, den die alten abergläubischen Ansichten auf das menschliche Gemüt ausübten.
So hat die Menschheit dadurch, daß sie der Forderung der Wahrheit nachgekommen ist, Fortschritte gemacht. Der Drang, über die äußeren Erscheinungsformen hinaus emporzudringen, durch ein Durchstoßen des dichten Schleiers der Materie, ist heute stärker denn je zuvor. So werden Raketen in den Weltenraum emporgesandt, die die Erde umkreisen und die weiten Gebiete der Sternenwelt erforschen sollen, die für das menschliche Auge und das menschliche Wissen unerrichbar sind.
Wie wichtig diese Forschungen für die Erweiterung des menschlichen Wissens auch sein mögen, es gibt Dinge, die uns näher stehen, die von größerer Tragweite für unsere individuelle Erfahrung sind als die fernen Sterne. Sie umfassen die Antworten der Wahrheit auf grundlegende Fragen wie diese: Was ist das Leben? Woher kommt die Intelligenz? Was ist Macht? Was ist Gott? Was bin ich? Was ist meine Beziehung zu Gott, zum Leben, zur Macht? Die Antworten auf diese Fragen können in den Lehren Christi Jesu gefunden werden, der sie durch seine Heilungswerke bewies. Ja, diese Fragen müssen heute von der Religion beantwortet werden, und zwar in einer Weise, die das rechtmäßige Verlangen der Menschheit nach einer wissenschaftlichen Erklärung dieser Kernpunkte, die allem wahren Wissen zugrundeliegen, befriedigt.
Das ist die Forderung der Wahrheit — der Wissenschaft — an die Religion und an die menschliche Familie. Die Christliche Wissenschaft hat die wissenschaftliche Antwort auf diese Forderung erbracht, eine Antwort, die verständlich, beweisbar und daher völlig befriedigend ist.
Die Wahrheit ist eine befreiende Macht. Der größte aller Menschen, die je für die Befreiung der Menschheit eintraten, Christus Jesus, erklärte: „[Ihr] werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen“ (Joh. 8:32). Und er, der alle Wahrheit erkannt hatte, war frei von allen menschengemachten Begrenzungen, wie Krankheit, Sünde und Disharmonie aller Art. Er war daher nicht von solchen Begrenzungen behindert und konnte andere davon befreien. Wie vollbrachte er dies?
Die Christliche Wissenschaft war die seiner Macht zugrundeliegende Wissenschaft. Sie wurde entdeckt und gegründet von Mary Baker Eddy. Was sie sich an Wissen durch die beste Erziehung, die das Neu-England ihrer Zeit zu bieten vermochte, zu eigen gemacht hatte, war verbunden mit tief religiösem Streben, einem großen Sinn für Logik, wahrem Forschergeist und einer ehrfurchtsvollen Liebe zu Gott und den Menschen. Sie war eine Frau von wahrhaft außergewöhnlicher geistiger Erkenntnis.
Welche Einstellung hat die Christliche Wissenschaft Krankheit und Sünde gegenüber? Welches war die Einstellung, die Christus Jesus ihnen gegenüber einnahm? Er beobachtete sie und veranlaßte sie dann zu verschwinden; er sah sie daher nicht als von Gott geschaffen und wirklich gesetzmäßig an, das heißt, als eine unwandelbare Wirklichkeit. Im Markusevangelium wird berichtet (5:39): „Und sie verlachten ihn“, als er den Augenschein vor den materiellen Sinnen leugnete. Aber das war seine Einstellung Krankheit und Sünde gegenüber, und das ist auch die Einstellung der Christlichen Wissenschaft diesen gegenüber.
Die Christliche Wissenschaft lehrt, daß die Wirklichkeit, in dem Sinne der absoluten und unwandelbaren Fortdauer, geistig ist — sie kann nicht materiell sein, denn die Materie selbst ist nicht fortdauernd, sondern vergänglich. Die Wirklichkeit ist die Offenbarwerdung Gottes, der uranfänglichen Ursache, die in der Christlichen Wissenschaft das göttliche Prinzip genannt wird. Die Wirklichkeit hat kein zerstörendes Element; daher ist sie völlig gut und ewig. Und da sie geistig ist, ist sie für die materiellen Sinne unsichtbar.
Die sogenannte sichtbare Wirklichkeit — die Materie — ist nur die vergegenständlichte Form des sterblichen Denkens. Sie ist daher nicht wirklich substantiell und hat weder eigene Intelligenz noch eigene Entschlußkraft, denn das sind geistige Eigenschaften; sie sind nicht Eigenschaften der Materie. Der materielle Körper ist die Vergegenständlichung; des Denkens.
Mrs. Eddy schreibt im Lehrbuch der Christlichen Wissenschaft „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift“ (S. 411): „Alles, was im sterblichen Gemüt als physischer Zustand gehegt wird, bildet sich am Körper ab.“ Zu glauben, daß der Körper aus eigenem Wollen und aus eigener Initiative krank sein kann, das heißt, unabhängig von dem Gemüt der Sterblichen, bedeutet also, an eine Täuschung zu glauben.
Diese Lehre von der Unwirklichkeit der Materie und ihrer Zustände veranlaßt die Christlichen Wissenschafter keineswegs dazu, den menschlichen Körper zu ignorieren oder zu vernachlässigen; sie verändert lediglich ihre Einstellung zu ihm. So werden sie befähigt, die Schwierigkeiten des Körpers zu überwinden, indem sie unmittelbar die Schwierigkeit bei der Wurzel anfassen und die Annahmen überwinden, die allein die äußere Bekundung der Schwierigkeiten verursachen.
Es gibt nur eins, das die falsche Annahme in bezug auf irgend etwas berichtigen wird, und das ist die Wahrheit über den betreffenden Gegenstand, denn die Wahrheit veranlaßt den Irrtum des Denkens zu verschwinden, und zwar zusammen mit seinen disharmonischen körperlichen Auswirkungen. Diese werden durch die harmonischen Wirkungen der Wahrheit ersetzt.
Es ist nur natürlich, wissen zu wollen, was die Wahrheit war, die Jesus jene Macht verlieh, Krankheit mit Gesundheit zu ersetzen, Tod mit Leben, Blindheit mit der Fähigkeit zu sehen, Schwachsinn mit einem normalen Bewußtseinszustand zu ersetzen und die Sünderin in eine Heilige umzuwandeln. Denn ganz offensichtlich ist die Erkenntnis dieser Wahrheit heute und in jedem anderen Zeitalter gleichbedeutend mit der Fähigkeit zu heilen und wiederzuerstatten, zu trösten und zu erneuern — ja, gleichbedeutend mit der Ausübung des ursprünglichen Christentums.
Die Christliche Wissenschaft lehrt und beweist, daß die Wahrheit, die Jesus ganz natürlich verstand und ausübte, jene große Wahrheit war, daß Gott der Schöpfer des Menschen ist, daß Gott Geist ist und der Mensch daher ein geistiges Wesen; daß Gott das unendliche, unkörperliche Leben oder das göttliche Gemüt ist; ja, daß Er die einzige Ursache, der einzige Schöpfer ist. Was Gott erschafft ist gottähnlich. Er erschafft Sein eigenes Gleichnis in Ideen und nicht als ein materielles Gebilde, denn die Materie ist nicht gottähnlich; sie ist das Gegenteil von Gott, dem Geist. Jesus bewies mit jeder Heilung, daß er nicht an irgendeine andere Ursächlichkeit außer Gott glaubte, weder in der Vergangenheit noch in der Gegenwart; und ebensowenig betrachtete er die bösen Wirkungen des Glaubens an eine materielle Ursächlichkeit als eine unumstößliche Wirklichkeit.
Jesus sah den Menschen nicht so, wie er den materiellen Sinnen erscheint, sondern so wie Gott ihn zu Seinem Ebenbild erschaffen hat. Das ist der wirkliche oder geistige Mensch, der dem geistigen Sinn allein wahrnehmbar ist. Der wirkliche Mensch ist nicht ein materieller Sterblicher, der aus einer unmöglichen Kombination von Materie und Gemüt zusammengesetzt ist. Er ist ein individuelles geistiges Bewußtsein, das von Gott erschaffen und immerdar von Ihm erhalten wird. Der Mensch ist die Widerspiegelung Gottes, die Er ununterbrochen als Sein eigenes genaues Ebenbild erhält; denn im Reich Gottes, des unendlichen Guten, gibt es weder einen Wandel noch eine Abweichung von der Vollkommenheit, weder Verfall noch eine Unterbrechung der unauflöslichen Beziehung zwischen Gott und Seiner Idee, dem Menschen.
Das ist die Wahrheit, welche Jesus die Macht gab, jede Kundwerdung des Bösen augenblicklich durch die Verbannung jeglichen Glaubens an die Sterblichkeit und Sündhaftigkeit des Lebens zu zerstören. Das ist die Wahrheit, welche die Menschen auffordert, die ihnen von Gott verliehene Herrschaft über das Böse mit Hilfe der Christlichen Wissenschaft verstehen zu lernen und das geistige Verständnis von ihrer praktischen Anwendbarkeit zu erlangen.
Die Forderung, der wir uns gegenübersehen, besteht also darin, ein Verständnis von Gott, der göttlichen Liebe, zu erlangen; doch es ist vor allem eine Aufforderung zu geistigem Wachstum, wodurch Gott und Seine Widerspiegelung, der gottähnliche Mensch, verstanden und demonstriert werden kann. Dies ist, kurz gesagt, die Forderung sowie auch die Verheißung der Christlichen Wissenschaft, die von Mrs. Eddy selbst in ihrem Werk „The First Church of Christ, Scientist, and Miscellany“ (S. 160) in den folgenden Worten zusammengefaßt wird: „So zu leben, daß das menschliche Bewußtsein in ständiger Verbindung mit dem Göttlichen, dem Geistigen und dem Ewigen gehalten wird, heißt die unendliche Macht individuell zum Ausdruck zu bringen; und das ist Christliche Wissenschaft.“
