Ein Christlicher Wissenschafter, der sich an die göttliche Wahrheit wendet, um ein Problem für sich oder andere auszuarbeiten, steht Gott von Angesicht zu Angesicht gegenüber. Er kommt der strengen Forderung des ersten Gebotes nach (2. Mose 20:3): „Du sollst keine anderen Götter neben mir haben“, wie auch den herrlichen Verheißungen der Bergpredigt, darunter diesen (Matth. 7:7): „Bittet, so wird euch gegeben; suchet, so werdet ihr finden; klopfet an, so wird euch aufgetan.“ Durch Vorschrift und Beweis lernt er verstehen, daß, da Gott die Liebe ist, und Gott unendlich ist — wie die Bibel erklärt — der Mensch stets in der Allgegenwart der Liebe, des allmächtigen Guten, des einen Gemüts ist.
Da es nichts gibt außer der einen, unendlichen, immergegenwärtigen Gottheit, haben wir keinen anderen Gott, den wir anbeten können. Da Gott stets gerade dort gegenwärtig ist, wo wir sind, können wir unmöglich vergebens um etwas Gutes bitten, gibt es keine Segnung, die für uns unerreichbar wäre, gibt es keine verschlossene Tür der Wahrheit, an die wir vergeblich anklopfen. Die Christliche Wissenschaft offenbart, daß Gott alles ausdrückt, was auszudrücken ist, und daß dieser göttliche Ausdruck das geistige Universum ist, welches die zusammengesetzte geistige Idee, den Menschen, und daher die wahre Individualität eines jeden von uns in sich schließt.
Gegenwart ist eine Eigenschaft Gottes. Es ist unmöglich, in Verbindung mit Gott an Abwesenheit zu denken. Um die unendliche Liebe sein zu können, muß Gott unendlich gegenwärtig sein. Da Gott das unendliche Gemüt ist, muß Er in Wissen und Intelligenz in unbeschränktem Maße verfügbar sein. Die Wahrheit — ein anderes Synonym für Gott — muß notwendigerweise immer gegenwärtig und beweisbar sein.
Die Gegenwart Gottes schließt die Gegenwart geistiger Schönheit, Freude, Reinheit und ähnlicher Eigenschaften in sich. Sie zeigt an, daß unbeschränkte Intelligenz, Weisheit, unbeschränktes Wahrnehmungsvermögen, unbeschränkte Gesundheit, Tätigkeit und geistige Fülle immer zur Verfügung stehen. Diese göttliche Gegenwart kommt nicht irgendwo her; sie besteht aus sich selbst und ist ohne Anfang und Ende. Sie geht nicht irgendwo hin, denn sie ist unendlich; da sie allen Raum erfüllt, kann sie nicht verlorengehen oder sich außer Reichweite entfernen.
Die göttlichen, immergegenwärtigen Eigenschaften Gottes werden vom Menschen bekundet, der zum Bild und Gleichnis Gottes geschaffen wurde. Daher wird durch die Gegenwart Gottes und die Gegenwart des wahren Menschen nicht auf zwei verschiedene Daseinsstufen hingewiesen, sondern vielmehr auf die Verbundenheit Gottes mit dem Menschen, des Gemüts mit seiner Idee, der Liebe mit ihrer vollkommenen Kundwerdung. Die Gotteskindschaft des Menschen bezeugt die Vaterschaft Gottes.
Da das der Fall ist, können wir, die wir uns immer in der Gegenwart Gottes befinden, es wagen, vor Ihn hinzutreten und zu sagen: „Vater, mich hat etwas überkommen, das Du niemals geschaffen hast; ich bin krank, ich habe Kummer, mir mangelt etwas“? Oder anders gesagt: „Vater, ich habe etwas verloren, das Du mir verliehen hast; ich habe meine Gesundheit, meine Versorgung, meine Herrschaft verloren“? Ist dies nicht genau das, was wir im Grunde genommen jedesmal tun, wenn wir zugeben, unter irgendeinem unharmonischen Zustand zu leiden?
Die Gegentatsache in bezug auf die irrigen Ansprüche finden wir in der Zusicherung, die Christus Jesus in dem Gleichnis vom verlorenen Sohn dem Vater in den Mund legte. Als der Vater mit dem älteren Sohn spricht, sagt er (Luk. 15:31): „Mein Sohn, du bist allezeit bei mir, und alles, was mein ist, das ist dein.“
Da Krankheit, Disharmonie, Mangel und Sterblichkeit nicht zu Gott gehören, können sie nicht vom Menschen ausgedrückt werden. Gerade da, wo eine Krankheit wirksam zu sein scheint, gerade da, wo der Mangel ein Vakuum zu hinterlassen scheint, gerade da ist Gott, das Gute, unbegrenzt gegenwärtig und füllt allen Raum. In ihrem Werk „Vermischte Schriften“ erklärt Mrs. Eddy (S. 173): „Wenn Gemüt, Gott, alle Macht und alle Gegenwart ist, kann dem Menschen nicht eine andere Macht und Gegenwart entgegentreten, die, seine Intelligenz hemmend, ihn quält, fesselt und betört. Die Vollkommenheit des Menschen ist unversehrt. Woher kommt dann, neben Ihm, ein Etwas, das nicht das Abbild, sondern das Zerrbild des Schöpfers vom Menschen ist?“
Daß das Festhalten an den oben angeführten Wahrheiten zu einer Heilung führt, konnte der Verfasser selbst beobachten in dem Fall eines Mannes, der an einer schweren Hautkrankheit litt. Die Ärzte hatten nicht nur selbst zugegeben, daß sie nicht imstande waren, ihn zu heilen, sondern waren sogar der Meinung, daß er in Lebensgefahr schwebe. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte der Mann die Christliche Wissenschaft nicht angenommen, aber seine Frau und sein Sohn — beide Christliche Wissenschafter — baten ihn nun, sich christlich-wissenschaftliche Behandlung geben zu lassen. Er willigte ein, wenn auch nicht mit viel Hoffnung, weil er sich so elend fühlte.
Ein Ausüber der Christlichen Wissenschaft wurde gerufen, und er besuchte den Patienten. Er erläuterte ihm das unendliche Wesen Gottes, des Guten, und erklärte, daß gerade da, wo die Krankheit sich auszuwirken schien, die Reinheit und Tätigkeit Gottes, der Liebe, gegenwärtig sei. Der Patient war immer ein religiöser Mensch gewesen und hatte anerkannt, daß Gott allgegenwärtig ist; aber jetzt erkannte er zum ersten Male klar, daß Gott, die göttliche Liebe, ihn nicht nur vollständig umgab, sondern alldurchdringend war und keinen Raum übrigließ, der sich außerhalb der göttlichen Gegenwart befinden könnte.
Er nahm die grundlegenden Wahrheiten der Behandlung, die ihm angeboten wurde, an und war nach kurzer Zeit vollständig geheilt. Er wurde Mitglied Der Mutterkirche, Der Ersten Kirche Christi, Wissenschafter, in Boston, Massachusetts, und einer Zweigkirche, in der er viele Jahre in verschiedenen Ämtern tätig war.
Für den Christlichen Wissenschafter bedeutet die Auffassung von der alldurchdringenden Gegenwart Gottes nicht nur einen Schutz vor Fehltritten, sondern auch eine Erkenntnis, daß das Gute immer für ihn erreichbar ist, eine Zuflucht und Stärke, ein Grund für seine zuversichtliche Hoffnung. Wir können nicht zugeben, daß es einen Einfluß des Bösen in der Gegenwart Gottes gibt, denn in Wirklichkeit gibt es keinen solchen Einfluß. Im Gegenteil, wir erheben unser Denken voller Zuversicht zu Gott, dem göttlichen All, und erkennen, daß es immerdar nur Harmonie, Furchtlosigkeit, Reinheit, Gesundheit und Leben in Seiner Gegenwart gibt.
Das bedeutet nicht die Umwandlung eines schlechten sterblichen Denkens zu einem guten sterblichen Denken. Es bedeutet vielmehr das Austauschen des sterblichen Denkens gegen das wahre, geistige Bewußtsein von dem unsterblichen Sein des Menschen als dem Ebenbild Gottes.
Der Mensch ist nicht von Gott getrennt. Er ist nicht ein Sterblicher, der den schlüpfrigen Abhang materieller Bemühungen hinaufklettert und dabei immer wieder zurückgleitet. Er ist der geistige Ausdruck vom Wesen Gottes — in der göttlichen Liebe gegründet und auf dem Gipfelpunkt des Lebens. Das menschliche Bewußtsein, das um Zugang zu der Gegenwart Gottes anklopft, darum bittet und ihn sucht, kommt der wahren Natur des Menschen nur in dem Maße näher, wie es anfängt, die wahre Natur Gottes zu verstehen.
Die geistige Idee, der Mensch, befindet sich nicht nur stets in der Gegenwart Gottes, sondern ist in Wirklichkeit der geistige Ausdruck jener Gegenwart. Er stellt das dar, woran Gott erkannt wird, ebenso wie die Sonne an dem Licht erkannt wird, das von ihr ausgeht. Mrs. Eddy drückt dies im Lehrbuch „Wissenschaft und Gesundheit“ folgendermaßen aus (S. 266): „Der Mensch ist die Idee des Geistes; er spiegelt die beseligende Gegenwart wider, die das Universum mit Licht durchleuchtet.“
Ein Wörterbuch erklärt, daß das Wort „beseligend“ auch bedeutet „das, was die höchste Glückseligkeit verleiht.“ Wie kann der Mensch in der beseligenden Gegenwart Gottes unglücklich sein? Wie kann er krank sein? Gott ist nicht nur die größte Macht; Er ist die einzige Macht. Furcht, Krankheit, Mangel und was zu ihnen gehört, sind nicht stärker als Gott. In Seiner Gegenwart verlieren sie jeden Anschein von Macht, und sie werden im menschlichen Bewußtsein durch den Frieden der Seele und die Harmonie des Körpers ersetzt.
In der Gegenwart Gottes gibt es nichts Böses, denn in ihr ist kein Raum für das Böse vorhanden. Die Allgegenwart ist die Gegenwart der Wahrheit, in der es weder eine Lüge noch einen Lügner gibt. Die Allgegenwart ist die Gegenwart des göttlichen Gemüts, in welchem es weder eine Annahme noch einen Menschen gibt, der eine Annahme hat. Kein menschliches Leiden vermag sich zu halten, wenn ihm mit der Wahrheit des geistigen Wohlbefindens entgegengetreten wird. Ebenso wie Adam und Eva im Garten Eden versuchten, sich „vor dem Angesicht Gottes des Herrn unter die Bäume im Garten“ zu verstecken (1. Mose 3:8), so versucht der irrige Bewußtseinszustand, der in der Christlichen Wissenschaft „sterbliches Gemüt“ genannt wird, sich vor Gott unter den Zweideutigkeiten medizinischer Theorien, physischer Gesetze, menschlicher Befürchtungen und dergleichen zu verbergen.
Nichts vermag sich jedoch vor dem Angesicht der Allgegenwart zu verbergen. Wenn wir diese Tatsache erkennen, wird aller Irrtum aufgedeckt und als das erkannt werden, was er ist — nichts — und der Mensch wird als immerdar in dem leuchtenden Strahlenglanz Gottes erfunden, aufrecht, furchtlos und frei.
Mrs. Eddy schreibt in ihrem Werk „Rückblick und Einblick“ (S. 60): „Die Wissenschaft spricht zu jeder Form von Krankheit: ‚Erkenne, daß Gott Allmacht und Allgegenwart ist, und daß es nichts außer Ihm gibt‘, und die Kranken sind geheilt.“
