Die Einrichtungen, die am meisten dazu beitragen, unseren Charakter zu formen und unsere Erfahrungen zu bestimmen, sind die Kirche und das Heim. Diese beiden Einrichtungen rivalisieren nicht miteinander, sondern sie ergänzen einander. Die Kirche hat natürlich mit unserer Beziehung zu Gott zu tun, während sich das Heim vorwiegend mit unserer Beziehung zur Umwelt befaßt. Diese Beziehungen haben etwas gemein; da unserer Beziehung zu Gott die größte Bedeutung zukommt, ist es angemessen, daß sie den Vorrang hat vor unserer Beziehung zueinander. In dem Maße, wie wir Gott über alles lieben, wird uns unser Verhalten zueinander in selbstloser Hingabe harmonisch miteinander verbinden.
Es ist sehr hilfreich, sich zu vergegenwärtigen, daß ein Gebäude ebensowenig eine Kirche wie ein Haus ein Heim ist, obgleich sowohl das Gebäude wie auch das Haus einem Zweck dienen. Wir beten gemeinsam zu Gott in einem Gebäude, ebenso wie wir gemeinsam in einem Hause leben; doch die Kirche ist mehr als nur ein Gebäude und das Heim ist mehr als nur ein Haus. Die liebevolle Gestaltung eines Heims und das bloße Sauberhalten einer Wohnung sind natürlich miteinander verwandte Tätigkeiten, und doch unterscheiden sie sich in ihrer eigentlichen Natur.
Daß wir mit anderen zusammenleben, mag nicht unsere Wahl gewesen sein, doch wie wir mit ihnen zusammenleben, das ist unsere Verantwortlichkeit. Dann gibt es auch hier einen Unterschied zwischen einem bloßen Mit- einander-leben und einem Füreinander-leben. Wenn wir wirklich danach trachten, anderen zu helfen, ist unsere Beziehung zu ihnen selbstlos; und eine geistige Gesinnung allein fördert diese Selbstlosigkeit. Materialität führt Selbstsucht herbei.
Geistige Gesinnung ist das Wesen, ja die Seele, sowohl des Heims wie auch der Kirche. Sie ist immer schöpferisch, niemals zerstörend. Sie verbindet, führt niemals zu Trennung. Weder die Kirche noch das Heim kann auf der Grundlage der Materialität aufgebaut werden, denn letztere ist das Gegenteil der geistigen Gesinnung. Selbst wenn wir dies versuchen würden, käme es dem Versuch gleich, ein Haus auf dem Sand aufzubauen. Ein solches Haus mag stehen, solange alles seinen normalen Gang geht; doch wenn sich Schwierigkeiten ergeben, kommt ein anschauliches Beispiel zur Anwendung, das Christus Jesus uns gab. Er verglich den, der seine Reden hörte, aber sie nicht tat, „einem törichten Manne ..., der sein Haus auf den Sand baute. Da nun ein Platzregen fiel und kam ein Gewässer und wehten die Winde und stießen an das Haus, da fiel es und tat einen großen Fall“ (Matth. 7:26, 2 7).
Die geistige Gesinnung kann die Materialität ebensowenig zulassen, wie die Natur ein Vakuum dulden kann. Es sind Gegensätze, die sich niemals miteinander verbinden noch verquicken. Sie ergänzen sich niemals, kennen keine Toleranz gegeneinander, sondern stehen sich immer feindlich gegenüber. So trägt Haß niemals zur Liebe bei; er ist eine Leugnung der Liebe, eine Verneinung. Die Liebe erfüllt das Gesetz, wohingegen der Haß das Gesetz verletzt.
„Das Heim,“ schreibt Mary Baker Eddy im Lehrbuch „Wissenschaft und Gesundheit“ (S. 58), „ist der liebste Fleck auf Erden, und es sollte der Mittelpunkt, wenn auch nicht die Grenze der Neigungen sein.“ Eine weitere hilfreiche Erklärung unserer Führerin ist die folgende: „Der Zement einer höheren Menschlichkeit wird alle Interessen in der einen Göttlichkeit vereinen" (ebd., S. 571).
Das „Du-sollst-nicht“ in den Zehn Geboten hilft aus dem menschlichen Bewußtsein die zerstörerischen Elemente zu entfernen, die mit der Materialität verbunden sind. Und nichts als die geistige Gesinnung, die wir hegen, vermag diese negativen Elemente der Materialität auszulöschen — den Starken und seinen Hausrat, von denen Jesus so treffend sprach, als seine Heilmethode von den Pharisäern angezweifelt wurde. (Siehe Matth. 12:22–29.)
Geistige Gesinnung und Licht sind ebenso nahe miteinander verwandt wie Materialität und Finsternis. Totschlag, Ehebruch, Diebstahl, Falsch-zeugnis-geben und Begehrlichkeit — die letzten fünf der „Du-sollst-nicht“ der Zehn Gebote — sind ebenso Werke der Finsternis (der Materialität) wie einige der anderen negativen Elemente des Fleischlich- gesinnet-seins, wie Unreinheit, Abgötterei, Zauberei, Zorn, Zank und Trunksucht, die Paulus in seinem Brief an die Galater erwähnt. (Siehe Gal. 5:19–21.)
Die Kirche und das Heim können Laboratorien verglichen werden, in denen die Elemente der Brüderschaft und Kameradschaft entwickelt werden. Diese beiden Einrichtungen haben eine erhebende und läuternde Einwirkung auf die, die den Geist derselben in sich aufnehmen. Hier werden die menschlichen Beziehungen auf einer gesunden Grundlage aufgebaut, gegen die die Pforten der Hölle — die zerstörerischen Elemente des sterblichen Gemüts — ankämpfen mögen, die sie jedoch nicht überwältigen können.
Das trifft insbesondere zu auf die „Kirche“, deren Definition Mrs. Eddy im Glossarium von „Wissenschaft und Gesundheit“ gibt und die zum Teil wie folgt lautet (S. 583): „Der Bau der Wahrheit und Liebe; alles, was auf dem göttlichen Prinzip beruht und von ihm ausgeht.“ Wenn der Geist der Kirche auch das Heim durchdringt, stärkt und belebt die geistige Gesinnung diejenigen, die dafür empfänglich sind. Die praktische Seite von „Kirche“ wird im zweiten Teil der Definition klar zum Ausdruck gebracht, wo es heißt: „Die Kirche ist diejenige Einrichtung, die den Beweis ihrer Nützlichkeit erbringt, und die das Menschengeschlecht hebt, das schlafende Verständnis aus materiellen Annahmen zum Erfassen geistiger Ideen und zur Demonstration der göttlichen Wissenschaft erweckt und dadurch Teufel oder Irrtum austreibt und die Kranken heilt.“
Die Mitgliederschaft einer christlich-wissenschaftlichen Kirche wird sorgfältig ausgewählt. Jeder einzelne bewirbt sich freiwillig um Mitgliedschaft, seine Eignung und Tauglichkeit werden sorgfältig in Betracht gezogen, und seine Bewerbung wird von den Mitgliedern angenommen. Welch großartige Gelegenheit haben wir so, in Übereinstimmung mit dem göttlichen Prinzip, der Liebe, untereinander zusammenzuarbeiten!
Durch nützliche Unternehmungen der Kirche lernen die einzelnen Mitglieder, wie sie harmonisch zusammenarbeiten können. So wird es ihnen möglich, durch die Demonstration des Prinzips und der Regeln der Christlichen Wissenschaft zu einer immer zunehmenden Verbundenheit untereinander zusammenzuwachsen. Wir sollten jedoch nicht die Möglichkeit außer acht lassen, daß, wenn wir zusammenkommen, um vor Gott hinzutreten, der Satan — der Glaube an ein von Gott getrenntes Gemüt — auch kommt, wie in der Bibel im Buch Hiob beschrieben wird (1:6).
Oft, wenn wir uns bemühen, harmonisch zusammenzuarbeiten, treten uns gerade dann Argumente des sterblichen Gemüts entgegen, die wir überwinden möchten und überwinden müssen. Ein Trick dieses sogenannten Gemüts ist der, uns glauben machen zu wollen, daß einer unserer Mitarbeiter einer seiner Vertreter sei, ein Ruhestörer, einer, der nicht zu einer Zusammenarbeit bereit ist. Das ist aber in Wirklichkeit niemals wahr. Es ist unsere Pflicht, uns immer wieder zu vergegenwärtigen, daß das Böse nie eine Person, ein Ort oder ein Ding ist. Das Böse, das wir versucht sein mögen, in einem anderen zu sehen, ist die Suggestion des sterblichen Gemüts, die uns dazu bringen möchte, das Böse als wirklich anzunehmen.
Disharmonie im Heim oder in der Kirche ist niemals das, was sie zu sein scheint. Sie ist niemals etwas, das zu einem anderen oder zu uns gehört, sondern sie stellt nur eine Lüge in bezug auf die anderen und auf uns dar. Das Böse ist niemals etwas anderes als ein Nichts, ganz gleich wie überzeugend seine Argumente auch zu sein scheinen. Wir sollten unser Heim so heilig halten wie unsere Kirche und unsere Kirche so freundlich gestalten wie unser Heim. Dann werden wir beweisen, wie wertvoll die Christliche Wissenschaft für uns, für das Gemeinwesen, in dem wir leben, und für die ganze Welt sein kann.
