Durch die ganze Heilige Schrift hindurch leuchtet die Tatsache von der Allheit Gottes wie ein Leitstern, der uns aus dem falschen illusorischen Glauben, daß es eine Gott entgegengesetzte Macht gebe, herausführt, hin zu dem Verständnis, daß das Reich des Wirklichen geistig ist. In unserem Forschen nach der Wahrheit ist es unerläßlich, daß wir die fundamentale Tatsache von der Allheit und Güte Gottes anerkennen und verwirklichen. Diese metaphysische Voraussetzung gewährleistet das Gute — und nur das Gute — in ihrer Schlußfolgerung.
Mrs. Eddy erklärt in ihrem Buch „Wissenschaft und Gesundheit“ (S. 468): „Alles ist unendliches Gemüt und seine unendliche Offenbarwerdung, denn Gott ist Alles-in-allem.“ Da Gott, das Gute, Alles-in-allem ist, ergibt sich daraus die unumgängliche Schlußfolgerung, daß das Böse, mit anderen Worten der Irrtum, nichts ist.
Um verstehen zu können, daß der Irrtum nichts ist, müssen wir verstehen, daß er unpersönlich ist, eine Illusion der materiellen Sinne. Man mag schnell bereit sein zu erkennen, wie falsch es ist, den Irrtum mit einer Person zu verbinden, aber versäumen zu erkennen, daß es ebenso falsch ist, das Gute mit einer Person zu verbinden. Denn gemäß der Christlichen Wissenschaft ist das Gute wohl individualisiert, aber nicht personifiziert. Durch unser Studium der Christlichen Wissenschaft lernen wir verstehen, daß der Christus — die göttliche Natur — niemals persönlich, sondern stets unpersönlich ist. Da der Christus unpersönlich ist, ist das Gute ebenfalls unpersönlich. Gott ist sein Urquell, und nicht eine Person. Wir brauchen nur eine Begebenheit in Jesu Leben zu analysieren, um diese Tatsache zu erkennen. Im Markusevangelium, Kapitel 10, lesen wir, daß, als Jesus einmal hinausgegangen war auf den Weg, ein Mann herzugelaufen kam, vor ihm niederkniete und ihn mit den Worten: „Guter Meister“ anredete. Jesus sagte: „Was heißest du mich gut? Niemand ist gut denn der einige Gott.“
Welch ein Erwachen sollte das für einen jeden Nachfolger des Meisters bedeuten! Wir dürfen das Gute nicht personifizieren. Doch wie weit verbreitet scheint diese Angewohnheit zu sein! Wenn wir versucht sind, uns selbst zu loben, und sei es auch nur schweigend, weil wir jemandem eine Freundlichkeit erwiesen oder eine Heilung bewirkt haben, suchen wir dann nicht schon in gewissem Grade das Gute zu personifizieren? Sucht nicht der allzu eifrige Patient, der den Ausüber bei jeder Gelegenheit lobt, das Gute zu personifizieren? Wohl ist es richtig, daß wir unsere Dankbarkeit denen gegenüber bekunden, die uns geholfen haben, doch muß dies stets an zweiter Stelle stehen angesichts der Erkenntnis, daß Gott der Urquell jeder Offenbarwerdung des Guten ist und daß unsere höchste Dankbarkeit Gott, dem Geber alles Guten, gegenüber zum Ausdruck kommen sollte.
Christus Jesus verlor des Menschen Einssein mit Gott niemals aus den Augen. Immer wieder betonte er die Tatsache, daß er nichts aus sich selber tun könnte; daß es der Vater wäre, der die Werke täte und dem Lob, Preis und Ehre gebührten.
Mrs. Eddy steht einzigartig da als eine große Führerin, die sich von persönlicher Verehrung zurückzog und das Denken ihrer Nachfolger auf Gott lenkte, hinweg von ihrer menschlichen Persönlichkeit. In Übereinstimmung hiermit, und Bezug nehmend auf ihr Buch „Wissenschaft und Gesundheit“, rät sie: „Der weise Christliche Wissenschafter wird Schülern und Hilfesuchenden die Lehren dieses Buches empfehlen und deren heilende Wirksamkeit preisen, anstatt zu versuchen, sich selbst zum Mittelpunkt ihrer Aufmerksamkeit zu machen“ (Rückblick und Einblick, S. 83). Sie entpersönlichte das Gute beständig. In allem gab sie Gott die Ehre. Die Bewegung der Christlichen Wissenschaft steht einzigartig da, weil sie keine hervorragenden Persönlichkeiten hat, von denen ihre Fortdauer abhängt. Mrs. Eddy bleibt stets die Führerin. Der unpersönliche Christus allein öffnet und weist den Weg.
Wenn unsere Führerin uns immer wieder sagt, daß das Böse nie irgendwelche Wirklichkeit gehabt hat und weder eine Person, ein Platz noch ein Ding ist, so weist sie darauf hin, daß es nichts weiter ist als eine Illusion oder Annahme, und enthüllt dadurch den Weg zur Zerstörung dessen, was die Auswirkungen des Bösen scheinen mögen. Da das Böse nichts ist, kann es in Wirklichkeit keine Auswirkungen haben. Daß es dennoch Auswirkungen zu haben scheint, ist lediglich eine weitere Illusion der materiellen Sinne. Es erfordert sehr viel Disziplin unseres Denkens, das Böse nur als einen falschen Anspruch zu erkennen, der versuchen möchte, mittelst des Denkens einer Person zu wirken.
Zur Veranschaulichung ein Beispiel: Wenn ein Mensch in unser Haus käme, von oben bis unten mit Schlamm bedeckt, würden wir gewiß voller Erbarmen eilen, ihm zu helfen, den Schmutz zu entfernen; doch wenn derselbe Mensch hereingestürmt käme, verärgert und aufgebracht über etwas, das wir seiner Meinung nach nicht recht getan haben, würden wir sofort versucht sein, diesen Irrtum mit ihm zu verknüpfen, ihn als „seinen“ Irrtum zu bezeichnen und nicht den Zorn, sondern ihn persönlich zu beschuldigen. Und doch ist der Zorn in Wirklichkeit ebensowenig ein Teil des Menschen wie der Schlamm; warum also sollten wir im ersten Fall barmherzig sein und nicht auch im zweiten? Beide Erscheinungsformen des Irrtums werden in derselben Weise entfernt — nämlich, indem wir sie von dem Menschen trennen.
Den Irrtum zu personifizieren bedeutet, ihn anzuziehen wie ein Magnet; ihn dagegen zu entpersönlichen bedeutet, einen großen Schritt vorwärts tun, der zu seiner Zerstörung führt, weil er dann nicht mit einer Person verknüpft ist und objektiv gehandhabt werden kann. Die Annahme vom Bösen ist machtlos, uns zu schaden, es sei denn, wir verknüpfen sie mit einem Menschen, einem Ort oder einem Ort oder einem Ding. Wenn wir irgendeine Situation entpersönlichen, wird das Böse, das scheinbar mit ihr verknüpft gewesen sein mag, unschädlich gemacht; denn, wenn das Böse als Nichts erkannt wird, kann das Böse nichts vollbringen.
Es gibt nur eine richtige Art und Weise, böse Annahmen zu handhaben, nämlich die Täuschungsmanöver des Irrtums zu durchschauen. Wir handhaben die falschen Annahmen nicht in der rechten Weise, wenn wir sie als etwas Wirkliches ansehen, als etwas, das wir fürchten müssen, als etwas, das Kraft und Macht besitzt, uns Schaden zuzufügen. Die wissenschaftliche Art der Behandlung besteht darin, sie als falsche Ansprüche zu handhaben, die sich widerrechtlich Macht anmaßen, in Wirklichkeit aber nichts sind. Auf diese Weise werden sie sofort in ihr natürliches Nichts aufgelöst, und jegliche scheinbare Auswirkung wird zunichte gemacht. Mrs. Eddy sagt in ihrem Werk „Vermischte Schriften“ (S. 334): „Du mußt den Irrtum als nichts erkennen; dann und nur dann meisterst du ihn mit der Wissenschaft.“
Nachdem wir bewiesen haben, daß das Böse nichts ist, besteht unser nächster Schritt darin, es auch weiterhin als nichts anzusehen. Oft schleicht sich, nachdem der Irrtum momentan als nichts erkannt worden ist, Gleichgültigkeit ein, und es wird nicht weiter an seinem Nichts festgehalten. Doch das Nichts ist immer nichts gewesen, und so wird es immer nichts sein. Die Allheit des Guten verkündet immerdar das Nichts des Bösen, und diese Tatsache müssen wir uns beständig vergegenwärtigen.
In der Christlichen Wissenschaft finden wir solch wesenlose Bezeichnungen für das Böse wie die folgenden: Illusion, Täuschung, Traum, Annahme, Anspruch. Wir erkennen leicht, daß das Böse oder der Irrtum viel für sich beansprucht, das das menschliche Denken nicht bereit ist zuzugeben; doch die Schwierigkeit beginnt, wenn wir die Ansprüche des Irrtums tatsächlich als unsere eigenen Annahmen akzeptieren. Indem wir an die Ansprüche des Irrtums glauben, machen wir diese zu unseren Annahmen; daher sollten wir auf unserem festen Standpunkt verharren, daß Sünde, Krankheit und Tod nur falsche Ansprüche des Irrtums sind, und wir sollten jeglichen Gedanken zerstören, der sie als ein Etwas ansieht, weil sie ja nichts sind.
Während der Erfahrung im Garten von Gethsemane wies Jesus durch sein Gebet zu Gott jeglichen Anspruch zurück, daß der Irrtum Macht habe. Er überwand jeden Versuch des sterblichen Gemüts, der ihn davon abgehalten hätte, durch die Erfahrung der Kreuzigung hindurchzugehen. Als er das dritte Mal zu seinen Jüngern kam und sie wiederum schlafend fand, wußte er, daß ihre Gebete nicht länger nötig waren, um ihm in der Stunde seiner schwersten Prüfung beizustehen. Er hatte alles dem himmlischen Vater anheimgestellt und war nun bereit voranzuschreiten — geistig ausgerüstet, jedem Angriff des Irrtums entgegenzutreten und ihn zu besiegen. Er hatte den Irrtum abgewiesen und seine scheinbare Macht zerstört.
Aus den Erfahrungen, die während der Mittwochabend-Zeugnisversammlungen in allen christlich-wissenschaftlichen Kirchen berichtet, sowie auch aus denen, die in den autorisierten christlich-wissenschaftlichen Zeitschriften veröffentlicht werden, ersehen wir, wie schnell eine Heilung eintritt, wenn man den Irrtum tatsächlich als machtlos abgewiesen hat auf Grund der Tatsache, daß das Gute die einzige Macht ist.
Wenn der Augenblick kommt, wo wir alles in Gottes Hände legen und Ihn als die einzige Macht anerkennen, dann hat der Wortführer des Irrtums kein Argument mehr. Er ist keiner Äußerung fähig. Der Irrtum ist in dem Augenblick überwunden, wo unser Glaube an ihn aufgegeben worden ist. Die einzige Macht, die er scheinbar haben kann, ist die, sich selbst zu zerstören. Er vermag niemals die Wirksamkeit der Wahrheit aufzuhalten. Wir müssen den Irrtum seiner eigenen Selbstzerstörung überlassen, und dies geschieht in dem Maße, wie wir die Täuschungsmanöver des Irrtums zurückweisen, seine leeren Drohungen bloßstellen und das Feld Gott überlassen.
Dies wurde in der folgenden Erfahrung veranschaulicht, die eine Christliche Wissenschafterin vor einigen Jahren machte. Sie litt an einer Krankheit, die wohl als ein schwerer Fall von Mandelentzündung bezeichnet worden wäre, und der ständige Schmerz und die anhaltende Erschöpfung hatten ihr mehrere äußerst schwierige Tage und Nächte bereitet. Eines Morgens, nach einer besonders ruhelosen Nacht voller Schmerzen, entrang sich ihren Lippen ein Schrei der Verzweiflung, und sie hörte sich selbst laut ausrufen: „Oh, es ist mir einfach nicht möglich, noch eine Nacht wie die letzte durchzumachen!“ Doch sogleich richtete sie sich blitzschnell auf, bot dem Irrtum die Stirn und schrie förmlich mit lauter Stimme: „Was sagtest du? Daß ich dem Irrtum nicht zu widerstehen vermag? Ich kann allem widerstehen, was der Irrtum versuchen mag zu tun, denn ich habe ja die Wahrheit, die heilt.“ Augenblicks lösten sich die Abszesse in ihrem Hals, und sie war frei. Sie hatte die Täuschungsmanöver des Irrtums abgewehrt und den Irrtum auf sein Nichts zurückgeführt, so daß er sich aus Mangel an Zeugen selbst zerstörte.
Laßt uns immer wahrhaftige Zeugen sein, die von der Allheit Gottes zeugen und mit dem Offenbarer ausrufen (Offenb. 11:17): „Wir danken dir, Herr, allmächtiger Gott, der du bist und warest, daß du hast angenommen deine große Kraft und herrschest.“