Zeit und materielle Persönlichkeit sind insofern verwandt, als es sich bei beiden um Ausdrucksformen des sterblichen Denkens handelt. Die Christliche Wissenschaft zeigt uns, wie wir sterbliche Gedanken durch göttliche Ideen ersetzen, Zeit gegen die Ewigkeit eintauschen können. Auf diese Weise werden wir von den Begrenzungen der Sterblichkeit frei.
Eine endliche Persönlichkeit ist eine Verkörperung endlichen Denkens. Zeit ist das Ergebnis eines solchen Denkens. Gedanken, die um eine persönliche Daseinsauffassung kreisen, sind zeitraubend. Gedanken, die auf Gott gerichtet sind, spiegeln die Zeitlosigkeit der Unendlichkeit wider.
Zeit und menschliche Persönlichkeit haben niemanden je wirklich geheilt. Gott ist der Heiler, und der Zeitpunkt ist stets heute — der Zeitpunkt, an dem das Gute im individuellen menschlichen Bewußtsein erscheint. Es kostet Zeit, wenn wir uns als persönliche Heiler mit persönlichen Patienten betrachten. Eine verzögerte Heilung ist die Folge. Wenn wir im Gebet an einen physischen Körper denken, erteilen wir keine echte metaphysische Behandlung. Ein solches Gebet wird nicht heilen.
Der unpersönliche Christus, die Wahrheit, heilt augenblicklich. Wenn wir diese göttliche Macht widerspiegeln, ist keine Zeit erforderlich, um eine christlich-wissenschaftliche Heilung zu erleben. Mary Baker Eddy schreibt in ihrem Buch „Wissenschaft und Gesundheit“ (S. 598): „Ein Augenblick göttlichen Bewußtseins oder das geistige Verständnis von Leben und Liebe ist ein Vorgeschmack der Ewigkeit.“
Alter ist nichts anderes als eine Folge sterblicher Gedanken. Was können wir mit diesen Gedanken tun? Wir können sie durch ihnen scheiden! Wir können sie durch Gedanken ersetzen, die ewig sind, und die Christliche Wissenschaft lehrt uns, wie wir dies tun können, indem sie uns zeigt, wie wir unser Denken über den weltlichen Begriff von Zeit und Sterblichkeit erheben können. Wenn das Denken erhoben ist, überwinden wir mehr und mehr die Begrenzungen des Alters; wir können die Verheißung im Buche Hiob für uns in Anspruch nehmen (11:17): „Die Zeit deines Lebens [wird] aufgehen wie der Mittag.“
Wahres Menschentum kann niemals altern oder sterben. Alles, was dahinscheiden kann, ist ein endlicher Daseinsbegriff. Die wechselnden Begriffe von Alter, Krankheit und Tod können unsere wahre Selbstheit, unsere Verkörperung der göttlichen Ideen, nicht berühren.
Es kostet Zeit zu glauben, wir seien Sterbliche. Verschwendete Augenblicke sind das Ergebnis. Wir gewinnen Herrschaft über den Zeitdruck, indem wir nicht länger daran glauben, daß wir endliche Geschöpfe seien. Die Christliche Wissenschaft zeigt uns, daß wir in Wahrheit der unendliche Ausdruck des einen unendlichen Gemüts, Gottes, sind. Unsere Führerin schreibt (Wissenschaft und Gesundheit, S. 584): „Die Dinge der Zeit und des Sinnes verschwinden in der Erleuchtung des geistigen Verständnisses, und Gemüt bemißt die Zeit nach dem Guten, das sich entfaltet.“
Unsere wahre Individualität als Kinder Gottes steht unmittelbar mit Geist, Gemüt, in Verbindung. Da Zeit und der persönliche Sinn keine Bestandteile des göttlichen Gemüts sind, können sie die Wirklichkeit nicht zur Entfaltung bringen, und sie besitzen keine Macht, unsere wirkliche Selbstheit von ihrer ewigen geistigen Kreisbahn abzulenken.
Zeit und Liebe haben nichts miteinander gemein. Es bedarf keiner Zeit, um liebevoll zu sein. In diesem Augenblick können wir liebevoll sein. Liebe ist in der wahren Natur eines jeden von uns verkörpert. Zeit andererseits ist ein sterblicher Gedanke, der mit einer physischen Persönlichkeit verknüpft ist. Haß, Ungeduld und ähnliche Mißklänge sind Ergebnisse der Annahme, daß wir Sterbliche seien und die Zeit abliefe.
Alles Gute, das sich in unserer menschlichen Erfahrung entfaltet, zeigt sich stets trotz — nicht wegen — eines persönlichen Begriffes vom Selbst. Die Entfaltung des Guten geht spontan vor sich. Anerkennung des Selbst zu verlangen erfordert Zeit. Wir können wahrhaft von Selbstgenüge sprechen, wenn wir Gott verherrlichen, die eine und einzige unendliche Person. Unsere Führerin sagt (ebd., S. 192): „Alles, was den menschlichen Gedanken auf gleicher Linie mit selbstloser Liebe erhält, empfängt unmittelbar die göttliche Kraft.“
Es bedarf keiner Zeit, Gott widerzuspiegeln, denn der Mench ist die unmittelbare Widerspiegelung der Gottheit. Eine junge Mutter, eine Anhängerin der Christlichen Wissenschaft, fühlte sich durch den Druck von Zeit und Verantwortung irritiert. Ihre innere Verkrampfung führte zu körperlichem Unbehagen in Form einer Halsentzündung. Nachdem sie viel in christlich-wissenschaftlichem Sinne gebetet hatte, begann ihr klarzuwerden, daß sie Groll darüber empfunden hatte, daß die Familienpflichten ihr als Frau wenig Zeit für metaphysische Arbeit gelassen hatten.
Sie folgerte dann auf metaphysischer Basis, daß sie in Wirklichkeit nicht eine physische Persönlichkeit sei, da der Mensch das Kind Gottes ist. Sie folgerte ferner, daß sie als Gottes Kind alle männlichen und weiblichen Eigenschaften der Gottesschöpfung verkörperte. Sie erkannte, daß sie die Gelegenheit hatte, Gott auszudrücken, während sie ihre notwendigen häuslichen Arbeiten versah. Bei dieser Vergegenwärtigung ließ ihr Groll nach, und sie war von dem Druck befreit. Sie war fröhlich bei ihrer Arbeit und fand ausreichend Gelegenheit, metaphysische Arbeit zu tun. Die Halsentzündung war vollständig geheilt.
Wenn das Denken von einem persönlichen Daseinsbegriff befreit wird, erlangen wir Freiheit von dem Druck der Zeit und finden unbegrenzte Möglichkeiten, unsere gottgegebenen Fähigkeiten zu entfalten. Wenn wir aus dem Traum erwachen, daß wir befangene Sterbliche seien, und verstehen lernen, daß wir in Wirklichkeit von Gott geschaffene Unsterbliche sind, wird der Schleier der physischen Persönlichkeit verschwinden, und es wird keinen Zeitbegriff mehr geben.