Skip to main content Skip to search Skip to header Skip to footer

Gemüt und Materie

Aus der Mai 1962-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Wer mit der Christlichen Wissenschaft nicht vertraut ist, mag fragen, wie es möglich ist, daß materielle Zustände durch geistiges Denken verändert werden können und wie ein Körper, der allgemein für materiell gehalten wird, durch geistige Mittel geheilt werden kann. Die Anwendung des Wortes „Wunder“ — womit eine Begebenheit angezeigt werden soll, die sich im Gegensatz zum Naturgesetz oder zur üblichen Ordnung der Dinge befindet — auf das geistige Heilen schließt in der Tat einen weitverbreiteten Zweifel darüber ein, daß eine Herrschaft durch das Denken über das möglich sei, was die meisten Menschen als materiell ansehen.

Dieser Skeptizismus ist auf einen Mangel an Verständnis von der Beziehung zwischen Bewußstein und Körper zurückzuführen: auf die Annahme, daß die Materie eine Substanz sei, die unabhängig vom Denken besteht und lange vor dem Beginn des menschlichen Denkens geschaffen wurde. Die meisten Menschen glauben, daß ein menschliches Wesen teils physisch, teils geistig sei und daß sein Denken wenig oder gar keinen Einfluß auf den größten Teil seiner körperlichen Funktionen ausübe.

Weder die Naturwissenschaftler noch die Philosophen sind, was die relative Bedeutung des Bewußtseins und des vermeintlich materiellen Körpers oder die Beziehungen zwischen beiden angeht, zu einem übereinstimmendem Ergebnis gekommen. Die Theorien bewegen sich zwischen der rein materialistischen und der idealistischen. Die materialistische setzt voraus, das Bewußtsein sei die Offenbarwerdung oder das Ergebnis sehr komplexer chemischer und physikalischer Reaktionen, die in den Zellen, aus denen das Gehirn zusammengesetzt ist, vor sich gehen; die idealistische nimmt an, die Materie sei eine Form des Denkens, die im Bewußtsein als ein mentales Bild besteht. Aber wenige idealistische Philosophen — wenn überhaupt welche — scheinen ein großes Maß an Herrschaft über jene Form des Denkens erreicht zu haben, die sie mit der Materie identifizieren; nahezu alle Philosophen geben ohne Frage zu, daß das Denken seinen Sitz im Gehirn hat, und messen dem Augenschein der körperlichen Sinne eine große Bedeutung bei.

Die Christliche Wissenschaft hält die Lösung für das jahrhundertealte Problem der Beziehungen zwischen Gemüt und Materie bereit; aber durch diese Lösung werden die Materie und das Zeugnis der körperlichen Sinne entthront und von der Vormachtstellung verdrängt, die sie gewöhnlich im menschlichen Denken eingenommen haben. Diese Lösung ist so weit von dem entfernt, was die meisten Denker erwarten, daß sie erst von wenigen Menschen als richtig angenommen worden ist.

Ein menschliches Wesen kann von einem der zwei diametral entgegengesetzten Gesichtspunkte aus betrachtet werden: entweder von dem Standpunkt eines Beobachters, der angenommenermaßen die Person von einem externen Gesichtspunkt aus sieht, oder von dem Standpunkt seines eigenen Bewußtseins aus. Von dem externen Gesichtspunkt aus erscheint das menschliche Wesen als ein materieller Körper, als ein faszinierender, komplizierter Organismus — aus vielen Teilen zusammengesetzt, die in gesundem Zustand harmonisch zusammenarbeiten, aber der Zerrüttung unterworfen sind infolge von Krankheit, Unfall und boshaften, schädlichen Einflüssen, die den Menschen offenbar angreifen, und zwar gewöhnlich von außen.

Wenn der Angriff zu heftig ist, scheint der Organismus nicht in der Lage zu sein, sich wieder zu erholen; es kann dann sein, daß er einige seiner normalen Funktionen verliert oder sogar stirbt. Von diesem Gesichtspunkt aus, von dem ein Physiologe einen Menschen beschreibt, können Bewußtsein und Denken nicht direkt beobachtet werden. Das Verhalten kann jedoch beobachtet werden; und das Verhalten von Menschen und von höher entwickelten Tieren weist darauf hin, daß sie Bewußtsein und einen gewissen Grad von Intelligenz besitzen. Was aber diese Intelligenz ist, was das Bewußtsein ausmacht und was die normalen harmonischen Funktionen des Körpers regiert, wird wenig verstanden. Die Naturwissenschaft, die vom Standpunkt eines externen Beobachters aus arbeitet, hat keine Mittel, mit deren Hilfe sie das Bewußtsein studieren kann.

Noch weniger können moralische Eigenschaften von einem externen Standpunkt aus erkannt werden, und der Schöpfer, Gott, ist von allem, was von diesem Standpunkt aus erkannt werden kann, so weit entfernt, daß einige Naturwissenschaftler und auch einige andere Menschen leugnen, daß es überhaupt einen Gott gibt, wobei sie solch eine Behauptung der Bibel, wie wir sie im Ersten Buch Mose (1:1) finden, vollständig ignorieren: „Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde“; andere Menschen wieder behaupten, daß der Schöpfer die Materie in einer fernen Vergangenheit geschaffen und sie dann ihrer eigenen Entwicklung überlassen habe, wobei die Menschheit unter oft gefährlichen Folgen zu leiden hat.

Für den anderen — subjektiven — Gesichtspunkt des Bewußtseins erscheinen nur Gedanken und mentale Bilder unmittelbar. Das Bewußtsein kann erfüllt sein von Freude, Liebe, Vertrauen, Tätigkeit und dem Verständnis, daß der unendliche Geist Substanz ist und die ganze Schöpfung geistig ist. Solche Gedanken gehen vom göttlichen Gemüt aus. Oder das menschliche Bewußtsein kann in Anspruch genommen sein von Sorge, Haß, Furcht, Verzweiflung, falschem Verlangen, von Furcht vor Krankheit oder einem anderen Übel oder dem Erleben dieser Zustände, oder auch von der Annahme, daß Substanz endlich und materiell sei. Diese Gedanken entstammen dem sterblichen Gemüt, nicht Gott, wie Mary Baker Eddy, die Entdeckerin und Gründerin der Christlichen Wissenschaft, in ihrem Buch „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift“ sagt (S. 301): „Täuschung, Sünde, Krankheit und Tod entstehen aus dem falschen Zeugnis des materiellen Sinnes, der von einem vermeintlichen Standpunkt außerhalb der Brennweite des unendlichen Geistes aus ein umgekehrtes Bild des Gemüts und der Substanz darstellt, in welchem das Unterste zuoberst gekehrt ist.“

Derselbe Mensch kann von beiden der hier zur Debatte stehenden Standpunkte beschrieben werden, und jede Beschreibung würde, wenn sie vollständig gemacht werden könnte, beanspruchen, den Menschen in seiner Gesamtheit darzustellen. Ein Mensch besteht nicht aus zwei verschiedenen Wesenheiten, von denen die eine körperlich und die andere mental ist; auch ist er nicht teils körperlich und teils geistig. Die Beschreibung des Menschen als körperlich ist im Lichte der Christlichen Wissenschaft gesehen eine falsche Beschreibung, und Materie ist eine irrtümliche Bezeichnung von etwas, was in Wirklichkeit geistige Substanz ist.

Das Bewußtsein eines Menschen ist bei weitem der wichtigste Aspekt seines Seins, denn wenn der Mensch kein Bewußtsein besäße, könnte er von keiner Sache Kenntnis nehmen. Wenn das Gemüt eines Menschen mit irrigen Gedanken vom sterblichen Gemüt angefüllt ist, wird der außenstehende Beobachter gewöhnlich feststellen, daß etwas mit dem, was er als materiellen Körper sieht, nicht in Ordnung ist; der Körper ist nur eine trügerische Nachahmung — und zuweilen eine sehr entstellte — des bewußten Menschen. Geistiges Heilen berichtigt irrige Gedanken auf der Grundlage ihrer Unwirklichkeit und setzt an die Stelle der falschen, irrenden Gedanken göttliche Gedanken.

Die christlich-wissenschaftliche Behandlung ist nicht ein mentaler Einfluß auf einen materiellen Körper. Sie wirkt ausschließlich im Bewußtsein; und in dem Maße, wie das Bewußtsein vom Irrtum befreit und zur göttlichen Wahrheit erweckt wird, wird das Denken veredelt. Ganz natürlich und unvermeidlich sieht der außenstehende Beobachter — wenn auch sein falscher Gesichtspunkt ihn zu dem Glauben führt, der Körper sei materiell — eine Besserung im Gesundheitszustand eintreten. Kein Wunder ist damit verbunden; der Körper ist nicht eigentlich materiell; aber wenn das menschliche Bewußtsein dem göttlichen angeglichen wird, wird das, was von einem irrigen, externen Standpunkt aus fälschlicherweise als materiell angesehen wird, notwendigerweise ebenfalls verbessert. Christi Jesu Fähigkeit, alle Arten von Krankheiten sofort und vollständig zu heilen, war zurückzuführen auf sein unvergleichlich klares Verständnis von der vollkommenen, geistigen Natur des Menschen sowie auf seine Liebe und sein Mitgefühl für alle, die von irrigen Annahmen geplagt wurden.

Die christlich-wissenschaftliche Behandlung ist weitgehender und wirkungsvoller und überdies zuverlässiger als die medizinische und chirurgische Behandlung, die die Nachahmung, den scheinbar materiellen Körper, bearbeiten. Es gibt keine Risiken in Verbindung mit geistigem Fortschritt, dem besseren Verständnis von Gott und Seiner geistigen Schöpfung. Niemand kann die unendliche Harmonie, Mannigfaltigkeit und Schönheit des Gemüts und seiner Ideen zu klar erkennen oder zu viel über sie wissen.

Viele Menschen räumen noch immer in ihrem Bewußtsein der Annahme einen Platz ein, daß der Körper materiell und den Gefahren einer scheinbar externen Umgebung ausgesetzt sei. Sie lassen in ihr Denken etwas von dem Bilde ein, das von dem vermeintlich externen Gesichtspunkt gezeichnet worden ist. Dies ist kaum überraschend, denn die Annahme von einem vergänglichen materiellen Körper hat seit Tausenden von Jahren Zustimmung gefunden, sie ist gelehrt worden und wird dem menschlichen Denken noch immer aufgedrängt. Doch dieser Glaube — ein teilweises Einwilligen in den subjektiven Gesichtspunkt des Beurteilens von einem externen Standpunkt — ist ein regelrechter Nährboden, in dem die Krankheitsannahmen Wurzel schlagen und gedeihen können, es sei denn, sie werden entwurzelt und als Irrtümer verworfen. Unsere Führerin Mrs. Eddy sagt (Wissenschaft und Gesundheit, S. 164): „Es bleibt jedoch noch viel zu sagen und zu tun übrig, ehe die ganze Menschheit erlöst ist; ehe all die mentalen Mikroben der Sünde und alle kranken Gedankenkeime ausgerottet sind.“

Das vollkommen gesunde, vollständige Bewußtsein ist sich des physischen Körpers nicht bewußt, sondern es ist völlig geistig und eins mit dem göttlichen Prinzip. Mrs. Eddy sagt (ebd., S. 182): „Wir können nicht beidem gehorchen, der Physiologie und dem Geist, denn das eine zerstört das andere absolut, und das eine oder das andere muß in unseren Neigungen vorherrschen. Es ist unmöglich, von zwei Standpunkten aus zu arbeiten.“ Und Jesus lehrte (Matth. 6:25): „Sorget nicht für euer Leben, was ihr essen und trinken werdet, auch nicht für euren Leib, was ihr anziehen werdet. Ist nicht das Leben mehr denn die Speise? und der Leib mehr denn die Kleidung?“

Der wachsame, tätige Christliche Wissenschafter wird nicht zulassen, daß die Annahme, der Mensch besitze einen materiellen Körper in einer materiellen Umgebung, in seinem Denken Fuß faßt. Indem er beständig an der Erkenntnis festhält, daß der Mensch gänzlich geistig ist, ohne jegliche materielle Aspekte, wird er gewahr werden, daß sein Verständnis von der wahren Natur und Individualität des Menschen wächst, und er wird sich selbst und andere vor den Annahmen schützen, die die Krankheit ausmachen und die Gott unbekannt sind. In dieser Weise wird er dazu beitragen, das Himmelreich auf Erden aufzurichten.


Das Wort Gottes ist lebendig und kräftig und schärfer denn kein zweischneidig Schwert, und dringt durch, bis daß es scheidet Seele und Geist, auch Mark und Bein, und ist ein Richter der Gedanken und Sinne des Herzens. — Hebräer 4:12.

Wenn Sie mehr Inhalte wie diese erforschen möchten, können Sie sich für wöchentliche Herold-Nachrichten anmelden. Sie erhalten Artikel, Audioaufnahmen und Ankündigungen direkt per WhatsApp oder E-Mail. 

Anmelden

Mehr aus dieser Ausgabe / Mai 1962

  

Die Mission des Herolds

„... die allumfassende Wirksamkeit und Verfügbarkeit der Wahrheit zu verkünden ...“

                                                                                                                            Mary Baker Eddy

Nähere Informationen über den Herold und seine Mission.