Von einem rein menschlichen Standpunkt aus gesehen mag das Thema dieses Leitartikels zu Meinungsverschiedenheiten führen, denn ein Intellektueller kann auch ein Metaphysiker sein. Doch vom Standpunkt der Christlichen Wissenschaft [Christian ScienceSprich: kr’istjen s’aiens.] aus sollte man von einem Metaphysiker als von jemandem denken, der Gott in seinen Neigungen die erste Stelle einräumt, Sein wahres Wesen und Seine Eigenschaften auf den Thron erhebt — sie höher bewertet als den Ruhm der Gelehrsamkeit —, und der sein geistiges Verständnis mit heilender Macht in die Tat umsetzt. Ein Interesse an der Ontologie beherrscht sein Denken.
Der Intellektuelle andererseits ist in den meisten Fällen jemand, der die Bedeutung menschlichen Wissens und menschlicher Verstandesschärfe übermäßig betont, und zwar auf Kosten geistiger Intuition und des warmen Mitgefühls, das danach verlangt, die Menschheit zu trösten und zu heilen. Der Intellektuelle ist oft geneigt, sich mit der bloßen Theorie zufriedenzugeben, wohingegen der Metaphysiker sich erst dann zufriedengibt, wenn er die Wahrheit praktisch angewandt hat.
Der Metaphysiker wirkt durch Offenbarung; der Intellektuelle wirkt mehr durch die Vernunft. Bei ihrer Entdeckung der Christlichen Wissenschaft [Christian Science] vereinigte Mary Baker Eddy Offenbarung und Vernunft. Aber ihre Lehren zeigen, daß die Vernunft nur in dem Maße in die Demonstration der göttlichen Wissenschaft Eingang findet, wie ihre Grundlage mit der offenbarten Wahrheit in Einklang steht und Schlußfolgerungen von dem Standpunkt des göttlichen Prinzips gezogen werden, das die unendliche Liebe, oder Gott, ist. In ihrem Buch „Nein und Ja“ sagt Mrs. Eddy (S. 11): „Offenbarung enthüllt dieses Prinzip, und sie wird die Vernunft vom Bann des Irrtums befreien. Offenbarung muß die Spitzfindigkeiten des Intellekts bezwingen und das Bewußtsein durch die Verkündung und den Beweis von Wahrheit und Liebe vergeistigen.“
Der Intellektuelle muß darüber wachen, daß er nicht durch bloße Überlegungen zu seinen Schlüssen gelangt, sondern vielmehr dadurch, daß er sich demütig und bereitwillig an die Liebe wendet, um den Geist der Weisheit und Wahrheit zu erlangen. Der Metaphysiker muß wachsam sein, daß er nicht versäumt, sein Verständnis von dem Buchstaben der Wissenschaft genügend zu entwickeln und so seine Fähigkeit zu erweitern, die herrlichen Möglichkeiten des Wortes der Wahrheit zu demonstrieren.
Eine bedeutsame Verzögerung in der Entwicklung des wissenschaftlichen Christentums auf der Welt ist darauf zurückzuführen, daß viele Intellektuelle versäumen, sich den logischen Folgerungen der Christlichen Wissenschaft [Christian Science] anzuschließen und ihre eigenen großen mentalen Fähigkeiten für das Verständnis und den Beweis von der offenbarten Wahrheit einzusetzen. Sie könnten sich kein würdigeres Ziel für ihre Bemühungen stecken. Nichts könnte ihnen mehr zum Vorteil gereichen. Denn der Geist der Wahrheit oder der Tröster würde sie befähigen, in höherem Maße wahren Intellekt zum Ausdruck zu bringen. Tatsächlich ist eine Entwicklung sowohl in metaphysischer wie auch in intellektueller Hinsicht nötig. Jeder Aspekt der Wissenschaft sollte zur Unterstützung des anderen dienen.
Mrs. Eddy sagt, als sie über die Taufe des Heiligen Geistes spricht, der die göttliche Wissenschaft darstellt (Vermischte Schriften, S. 204): „Die individuelle Fähigkeit wird entwickelt, die intellektuelle Tätigkeit verstärkt und das sittliche Feingefühl derart belebt, daß die großen Forderungen der geistigen Vernunft erkannt und die materiellen Sinne, die über das menschliche Bewußtsein herrschen, zurechtgewiesen werden.“
Mrs. Eddys Entdeckung der göttlichen Wissenschaft entsprach der in der Bibel angedeuteten Entwicklung, denn ihre Offenbarung erreichte die Menschheit mit der geistigen Macht, Sünde und Krankheit zu zerstören. Die in der Heiligen Schrift aufgezeichnete Geschichte der religiösen Entwicklung berichtet von Heilungswerken, und es sind allein die Werke, nicht intellektuelle Überlegungen, die der Offenbarung Autorität gegeben haben.
Unsere Führerin vollbrachte Werke, die die Offenbarung bestätigen. Sie heilte mit einer Macht, wie sie seit der Zeit, da der größte Metaphysiker, Christus Jesus, auf Erden wandelte, nicht mehr bekannt gewesen war. Ihre Werke erbrachten den Beweis, daß sie mit gottgegebener Vollmacht sprach. Metaphysische, geistige Intuition veranlaßt uns, Mrs. Eddy bei der Ausführung ihres Planes für die Erlösung der Menschheit vorbehaltlos zu folgen. Diese Intuition führt uns dazu, anzuerkennen, daß sie bei der Gründung ihrer Kirche und bei der Abfassung des Handbuchs Der Mutterkirche, das diese Kirche regiert, den göttlichen Willen demonstrierte. Mehr als menschlicher Intellekt ist erforderlich, um die Satzungen des Handbuches zu befolgen. Dieselbe Art metaphysischer Intuition ist dazu erforderlich, wie die, die unsere Führerin dazu inspirierte, durch die Demonstration von Gottes Willen ihre Kirche aufzubauen.
Wohl kein Studium der Heiligen Schrift kann sich als nützlicher für uns erweisen als das Studium der Hinweise des Meisters auf den Willen Gottes, dem er sich beugte. Jesus wußte, daß der Wille des Vaters die Kraft ist, die alles regiert, das Gesetz, dessen Überlegenheit über jedes materielle sogenannte Gesetz, über jede sterbliche Disharmonie, ja über jede Schaustellung des menschlichen Willens bewiesen werden kann. Der Bericht von Jesu Kampf in Gethsemane und seinem Gebet: „Nicht mein, sondern dein Wille geschehe“ (Luk. 22:42), beschreibt eine der ergreifendsten Szenen in der Geschichte der Menschheit: die menschliche Vernunft unterwarf sich der metaphysischen Intuition.
Der Verfasser des Hebräerbriefes sagt uns, daß Jesus „versucht ist allenthalben gleichwie wir, doch ohne Sünde“ (4:15). Jesus ging aus jeder schweren Prüfung als Sieger hervor, weil er sein metaphysisches Verständnis dazu benutzte, das irreführende Folgern des bloßen menschlichen Intellekts zu unterwerfen. Er erfaßte zutiefst die Bedeutung des Lebens und war sich der Verantwortung bewußt, die in der Aufgabe lag, das göttliche Gesetz, das er verehrte, zu demonstrieren.
Auf der Suche nach Lebensregeln sind viele Menschen damit zufrieden, nichts Höherem als ihren eigenen Überlegungen zu folgen, obwohl ihnen diese Überlegungen in keiner Weise die Macht vermitteln, die heilt. Menschen mit einer geistigeren Gesinnung schauen zu den großen religiösen Führern auf, um die Weisheit zu erlangen, die durch Offenbarung kommt. Moses, Jesus und Mrs. Eddy waren die drei großen Gesetzgeber, die die göttlichen Gesetze ans Licht brachten, die die Schöpfung regieren. Offenbarung weckt in uns die Bereitschaft, mit den Gesetzen, die diesen großen Gesetzgebern Macht verliehen, in Einklang zu leben. Gehorsam gegen Gottes Gesetze vergeistigt das Denken; daher führt Gehorsam niemals zu einer Verminderung der intellektuellen Fähigkeiten wie Auffassungs- und Begriffsvermögen, Ideenreichtum, Gedächtniskraft, rechtes Folgern und weises Urteilsvermögen; er stärkt sie vielmehr. Gehorsam erbringt den Beweis, daß es in dem wirklichen, vom Gesetz regierten Sein kein endliches Element gibt.
Mrs. Eddy sagt in ihrem Werk „Vermischte Schriften“ (S. 23): „Die Propheten, Jesus und die Apostel bekundeten eine göttliche Intelligenz, die sich sogenannte materielle Gesetze untertan macht, und Krankheit, Tod, Wind und Wellen gehorchen dieser Intelligenz.“ Hierin liegt der Prüfstein für unsere intellektuellen wie auch für unsere metaphysischen Errungenschaften. Unsere Heilungswerke bestimmen die Richtigkeit unseres Folgerns und die Tiefe unserer metaphysischen Kenntnis von der Wahrheit; und nichts anderes vermag dies zu tun.
