Der Mensch ist eine geistige Idee; er ist kein materieller Mechanismus. Er stellt die sich entfaltende Inspiration des göttlichen Gemüts dar, und nicht die sich ständig wiederholenden Annahmen des materiellen Denkens. Beim Heilen von Krankheit und Sünde ist es wichtig zu wissen, daß der Mensch kein Sklave der Gewohnheit ist.
Gewohnheit weist meistens auf einen mechanischen Vorgang hin. Wissenschaftler erklären Gewohnheit als einen chemischen Vorgang des Gehirns oder Körpers. Die Psychologie beschreibt Gewohnheit als Reaktion auf wiederholte materielle Anreize. Sie wird als eine Tätigkeit ohne bewußtes Denken angesehen und gründet sich auf die Annahme, daß Leben und Intelligenz in der Materie seien. Mrs. Eddy hat diesen grundlegenden Irrtum in ihrer Entdeckung der Christlichen Wissenschaft bloßgestellt.
Vieles von dem, was als Sünde definiert wird, fällt unter die Kategorie der Gewohnheit und gründet sich auf die Annahme, daß Intelligenz in der Materie sei. Die Menschen mögen glauben, daß sie Opfer ihres Körpers seien, daß sie sich selbst nicht helfen können und unfreiwillig von den allgemeinen Annahmen des sterblichen Gemüts mitgerissen werden. Paulus sprach in seinem Brief an die Römer darüber (7:19): „Das Gute, das ich will, das tue ich nicht; sondern das Böse, das ich nicht will, das tue ich.“
Mrs. Eddy durchbricht den Mesmerismus dieser Annahme klar und deutlich. Sie sagt (Wissenschaft und Gesundheit, S. 187); „Es gibt keine unwillkürliche Tätigkeit. Das göttliche Gemüt schließt alle Tätigkeit und alles Wollen in sich, und in der Wissenschaft wird der Mensch von diesem Gemüt regiert.“ Hierin liegt das unmittelbare Heilmittel für denjenigen, der sich für ein Opfer der Gewohnheit hält.
Geist ist die göttliche Intelligenz, die den Menschen regiert. Diese Herrschaft ist bewußt, beabsichtigt und individuell. Das göttliche Gemüt kennt seine Ideen voll und ganz. Vor dem allwissenden Gemüt ist nichts verborgen. Es gibt keinen unterbewußten noch unbewußten Zustand des Seins. Der Mensch ist die unmittelbare Widerspiegelung der göttlichen Intelligenz. Er ist sich der Immergegenwart Gottes bewußt und folgt getreulich der göttlichen Leitung. In dieser Beziehung ist kein Raum für gedankenloses Handeln.
Es gibt nichts Automatisches oder Mechanisches in Verbindung mit dem wirklichen Menschen. Er ist eine geistige Idee und besteht aus den Eigenschaften Gottes. Er entfaltet sich beständig in einem neuen Ausdruck, weil er das unendliche Gemüt darstellt. Er folgt daher nicht den Mustern der sterblichen Annahme, und er wiederholt sich nicht. Diese Tatsache trägt dazu bei, die Fesseln sklavischer Gebundenheit an sündige Gewohnheiten zu durchbrechen.
Geistige Inspiration trotzt dem Denken, das in gewohnheitsmäßigen Bahnen läuft. Sie stellt die neuen Ideen der Seele dar, die die sich wiederholenden Formen des sterblichen Denkens durchbrechen. Inspiration ist für das Heilen notwendig, denn sie hebt das menschliche Bewußtsein aus dem Mesmerismus der Wiederholung heraus, aus der Annahme materieller Methoden, wie Theorien über einen chemischen Vorgang im Gehirn, über Nerven, Erblichkeit und dergleichen es sind.
Verschiedene Krankheitsarten beruhen darauf, daß falsche Annahmen über den Körper gedankenlos hingenommen werden. Was angeborene Schwächen genannt wird, mag einfach gewohnheitsmäßiges Denken in der Familie sein, eine sich ständig wiederholende Annahme. Wir wissen, daß die Materie keine Macht aus sich selbst besitzt, Krankheit durch erbliche Vorgänge zu übertragen. Ausgefahrene Gedankenbahnen sind ebenso hinderlich für Gesundheit und Harmonie wie für den Autofahrer ausgefahrene Bahnen einer Straße. Unser Denken muß so aufgerüttelt werden, daß es einen neuen und geistigen Standpunkt einnimmt; wir müssen die Annahme von Intelligenz in der Materie aufgeben und erkennen, daß der Mensch das Kind Gottes ist.
Mrs. Eddy sagt uns in „Wissenschaft und Gesundheit“ (S. 176): „Wenn der Mechanismus des menschlichen Gemüts dem göttlichen Gemüt Raum gibt, dann werden Selbstsucht und Sünde, Krankheit und Tod ihren Stützpunkt verlieren.“
Es mag viele Gebiete in unserem Leben geben, auf denen bessere Gewohnheiten überwiegen, wenn unser Denken die höhere Natur des Menschen erfaßt. Aber wir müssen schließlich der Annahme von Gewohnheit ganz und gar entwachsen.
Selbst sogenannte gute Gewohnheiten sollten kritisch geprüft werden. Der Mensch handelt nicht gedankenlos. Wenn wir aus Gewohnheit in die Kirche gehen, wenn wir aus Gewohnheit die Lektionspredigt im Vierteljahrsheft der Christlichen Wissenschaft studieren, verliert unser Tun viel an geistigem Gewicht. Dies ist kein Argument gegen die Methode oder Ordnung, sondern ein Ruf nach Inspiration. Entfaltung und ein neues Denken sind für den Fortschritt notwendig. Inspiration ist das Herzblut unserer Gottesdienste.
Mrs. Eddy hat in der Ausübung der Christlichen Wissenschaft keine Formeln zugelassen. Sie sagt im Kirchenhandbuch (Art. VIII Abschn. 9): „Kein Mitglied soll beim Unterricht in der Christlichen Wissenschaft [Christian Science] oder beim Heilen der Kranken als Hilfsmittel geschriebene Formeln gebrauchen oder seinen Patienten oder Schülern dies erlauben.“ Sie wußte, daß eine Methode, bei der Formeln verwendet werden, leicht zur gedankenlosen Wiederholung werden könnte.
Jede Form des Ritualismus kann bloße, gedankenlose Wiederholung sein. Sie hat mit der Christlichen Wissenschaft nichts zu tun. Der Geist des Christus, der Geist der Wahrheit ist es, den wir suchen, denn er ist das Licht, das die Dunkelheit des Irrtums vertreibt. Das Kommen des Christus hat eine Änderung des Denkens und Lebens zur Folge; es bringt dem Körper Heilung und läßt uns Befreiung erfahren.
Mechanisches Denken, herkömmliche Annahmen der Begrenzung, dauernde schlechte Gesundheit — dies alles sind Gedankenformen, die uns zum Narren halten mögen, bis sie durch den Christus, die Wahrheit, besiegt und zerstört werden. Durch gewissenhafte Anwendung der Christlichen Wissenschaft in der von unserer Führerin angegebenen Weise können wir Heilung und Erlösung erleben und von Begrenzungen frei werden. Der Christus wird uns zu dem Verständnis führen, daß der Mensch eine geistige Idee ist, sich stets bewußt, gesund und inspiriert, weil er die sich entfaltende Widerspiegelung des unendlichen Gemüts ist.
