Manche Menschen sehen ihren Lebenszweck darin, eine Familie zu gründen; andere, durch Ausgrabungen Licht in die früheste Geschichte der Menschheit zu bringen; wieder andere, noch nicht verzeichnete Gebiete der Erde zu erforschen. Viele glauben ihrer Bestimmung darin gerecht zu werden, daß sie durch Erfindungen oder Forschungen neue Möglichkeiten und Erkenntnisse erbringen oder daß sie zur Weiterentwicklung der Zivilisation und Kultur auf den Gebieten der Kunst und Wissenschaft beitragen. Aber wohl der größte Teil der Menschheit glaubt, der Lebenszweck läge darin, materiell vorwärtszukommen — Reichtum zu gewinnen, um ein behagliches Leben führen zu können.
Als Christliche Wissenschafter sollten wir jedoch nur einen wirklichen Lebenszweck kennen. Diese Tatsache wird durch die Christliche Wissenschaft klar gemacht, die die Lehren Christi Jesu auslegt und uns hilft, sie im täglichen Leben praktisch auszuwerten und anzuwenden. Als Christliche Wissenschafter sind wir Nachfolger von Christus Jesus. Dieser sagte zu Pilatus (Joh. 18: 37): „Ich bin dazu geboren und in die Welt gekommen, daß ich für die Wahrheit zeugen soll.“
Pilatus antwortete auf die Erklärung Jesu mit der skeptischen Frage: „Was ist Wahrheit?“ Und zweifellos würden die meisten Menschen heute ähnlich antworten. Durch das Leben und die Lehren des Meisters ist uns Gott als unendliche Wahrheit offenbart, als das, was in und aus sich selbst besteht. Gott ist der Ursprung allen Seins. Das, was von Ihm ausgeht, ist Seine Widerspiegelung, der Mensch und das Universum. Gottes Schöpfung ist die Welt des Geistes, der Vollkommenheit, der Ewigkeit und schließt den geistigen Menschen ein.
Wie können wir zu der Erkenntnis dieser Wahrheit gelangen? Im Brief des Paulus an die Römer (8:16) heißt es: „Der Geist selbst gibt Zeugnis unserm Geist, daß wir Gottes Kinder sind.“ Nur durch den geistigen Sinn können wir Gott, Geist, verstehen und lieben. Mrs. Eddy schreibt in dem Lehrbuch „Wissenschaft und Gesundheit“ (S. 461): „Allein durch die Erleuchtung des geistigen Sinnes kann das Licht des Verständnisses auf diese Wissenschaft fallen, weil die Wissenschaft den Augenschein vor den materiellen Sinnen umkehrt und die ewige Erklärung von Gott und dem Menschen gibt.“
In dem geistigen Schöpfungsbericht im ersten Buch Mose (1:27) heißt es: „Gott schuf den Menschen ihm zum Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn.“ Gott drückt sich in dem wahren, geistigen Menschen aus, der Seine Widerspiegelung ist. Dieser Mensch ist eins mit seinem Schöpfer, geradeso wie eine Widerspiegelung im Spiegel das Bild des Originals ist, das sie wiedergibt.
Wenn „Gottes Geist“ in uns wohnt (Röm. 8:9), entfaltet sich in unserem Bewußtsein das Verständnis vom Reich Gottes in dem Verhältnis, wie wir die Annahme aufgeben, daß die materielle Welt, einschließlich des sterblichen Menschen, wahr sei. Gleichzeitig fangen wir an, das wirkliche Universum und den wirklichen Menschen mit den göttlichen Eigenschaften und Fähigkeiten, die er widerspiegelt, zu verstehen. Der wahre Lebenszweck sollte sein, zu beweisen, daß sich im Menschen das Wesen des Göttlichen kundtut, ebenso wie ein Sonnenstrahl die Art und Beschaffenheit der Sonne darstellt und enthüllt.
Manche geistig hochstehende Menschen haben etwas von der Art und Weise erahnt, wie man für den wahren Sinn des Lebens zeugen kann. So sagt der große deutsche Dichter und Denker Johann Wolfgang von Goethe in seinem Gedicht „Das Göttliche“:
Heil den unbekannten
Höhern Wesen,
Die wir ahnen!
Ihnen gleiche der Mensch,
Sein Beispiel lehr’ uns
Jene glauben.
Dem geistigen Sinn des Lebens nachzustreben erhebt die Menschheit über die materielle Daseinsauffassung mit den Betätigungen, die sie mit sich bringt, gleich welcher Art. Und in diesem Streben nach der Erfüllung unseres wahren Lebenszwecks zeigt sich in jeder Tätigkeit, in jedem Beruf in zunehmendem Maße Fortschritt. Wenn wir die göttlichen Eigenschaften, die wahren Eigenschaften des Menschen zum ausdruck bringen, werden wir imstande sein, bessere Arbeit zu tun, was unsere Arbeit auch gerade sein mag; wir werden sie durchdachter, mit größerer Weisheit, liebevoller und zugleich praktischer und in jeder Beziehung fortschrittlicher tun.
Nun erhebt sich die Frage: „Wie kann ich das Göttliche kundtun?“ Unsere Führerin schreibt im Lehrbuch (S. 262): „Richtig anfangen heißt richtig enden. Jeder Begriff, der mit dem Gehirn zu beginnen scheint, beginnt falsch. Das göttliche Gemüt ist die einzige Ursache oder das einzige Prinzip des Daseins.“ So muß die Wahrheit über Gott, das göttliche Gemüt, der Ausgangspunkt unseres Denkens sein: wie der Schöpfer, so die Schöpfung. Mögen wir daher verstehen, daß wir in Wahrheit Gottes Wesen widerspiegeln und so zu allem Guten fähig sind, zu allem, was liebevoll und wahr ist, ja, daß wir fähig sind, unsere wahre Selbstheit zu offenbaren.
Mit diesem Verständnis können wir das Gute tun, das wir tun wollen, und dadurch unseren wahren Lebenszweck erfüllen, indem wir für die Wahrheit zeugen.
