Lohn wird allgemein als eine Gegengabe oder Vergütung für geleistete Dienste angesehen. Dies zeigt klar, daß es ohne Dienstleistung keinen Lohn gibt und daß die Dienstleistung zuerst kommen muß. Würde man versuchen, diese Ordnung umzukehren, oder es zuwege bringen, ohne Dienstleistung Lohn zu empfangen, so hätte das, was man dadurch erhalten könnte, nicht den geistigen Charakter wahren Lohnes und würde dessen Substanz, Güte und Kraft großenteils entbehren. Aber suggeriert uns nicht manchmal der materielle Sinn, daß wir versuchen sollten, gerade dies zu tun?
Der Versuch, eine Vergütung zu erhalten, ohne sie verdient zu haben, zu empfangen, ohne vorerst etwas Gutes gegeben zu haben, bedeutet Unehrlichkeit gegenüber Gott, dem einen unendlichen göttlichen Prinzip. Das kommt einer Mißachtung oder einer versuchten Umgehung des moralischen Gesetzes gleich, das vorsieht, daß menschliche Vorgänge, wenn sie gerecht und korrekt sein sollen, immer ausgeglichen sein müssen, indem sie Geber und Empfänger gleichermaßen segnen, denn beide geben und beide empfangen.
Liebe ist der Antrieb zu allem wahren Dienen; die Liebe nämlich, die den Empfänger befähigt, sie als den edlen Beweggrund zum Dienen zu erkennen, und die ihn auch veranlaßt, mit spontaner, warmer Großzügigkeit auf sie zu reagieren. Es ist daher offensichtlich, daß wir zuerst einen anderen mit unserem Geben segnen müssen, bevor wir selbst den geistigen Segen des Lohnes samt seinen äußeren Erscheinungsformen empfangen können. Es war nicht von ungefähr, daß Christus Jesus das geistige Gesetz des Gebens und Empfangens verkündete, als er sagte: „Gebet, so wird euch gegeben. Ein voll, gedrückt, gerüttelt und überfließend Maß, wird man in euren Schoß geben; denn eben mit dem Maß, mit dem ihr messet, wird man euch wieder messen." Luk. 6:38;
Wenn die unpersönliche, geistige Liebe zum Guten, die dem Gedanken Lauterkeit verleiht, der Beweggrund und der vorherrschende Einfluß in unserem Dienen ist, werden wir nie fürchten, daß unsere Dienste nicht gewürdigt oder nicht richtig bewertet werden. Der Meister wies ferner darauf hin, daß wir uns in unserem Geben nicht von irgendwelchen materiellen Erwartungen oder Berechnungen in bezug auf das, was wir empfangen mögen, beeinflussen lassen dürfen. Noch sollten wir in unsere Bereitschaft zum Dienen nur unsere Freunde einschließen, denn die Liebe ist weder parteiisch noch wählerisch, sondern sie umfaßt alle: „Wenn ihr denen leihet, von denen ihr hoffet zu nehmen, was für Dank habt ihr davon? Denn die Sünder leihen den Sündern auch, auf daß sie Gleiches wieder nehmen. Vielmehr liebet eure Feinde; tut wohl und leihet, daß ihr nichts dafür hoffet, so wird euer Lohn groß sein, und ihr werdet Kinder des Allerhöchsten sein; denn er ist gütig über die Undankbaren und Bösen." V. 34, 35;
Dienen und dabei erpicht sein auf das, was man als Gegenleistung zu empfangen hofft, heißt begrenzen, was man geben sollte, heißt die Qualität oder den Grad unserer Dienstleistung auf das herunterschrauben, was das sterbliche Gemüt zu empfangen erwartet — Maß für Maß. Es bedeutet, das, was ein von Herzen kommendes, von Liebe inspiriertes Geschenk sein sollte, auf die Stufe eines menschlichen Handels herabzuwürdigen. In einem solchen Falle wird der Dienst nur mit halbem Herzen und zurückhaltend geleistet werden, und dementsprechend wird auch die Entschädigung sein. Eine solche Einstellung und Handlung trägt nicht zu unserem geistigen Wachstum bei, sondern hindert es. Noch fördert es menschliches Fortkommen in bezug auf Stellung und Rang, sondern hemmt es. Und es bringt uns nicht den Respekt und die Liebe unserer Mitmenschen ein.
Jedes einzelne der Kinder Gottes spiegelt die göttlichen Eigenschaften Intelligenz, Wohlwollen und Findigkeit wider, und Gott erwartet von uns, daß wir sie uneingeschränkt in unserer täglichen Arbeit anwenden; daß wir sie freudig anwenden und im vollen Vertrauen darauf, daß, wenn wir bewußt und selbstlos dem Plan der göttlichen Liebe dienen, dies für alle Beteiligten die höchsten Ergebnisse zeitigen wird.
Der Empfang eines Lohnes bereitet keine wirkliche Freude, wenn nicht die Freude am spontanen Geben, am spontanen Dienen mitschwang. Die Christliche WissenschaftChristian Science; sprich: kr'istjən s'aiəns. zeigt deutlich, daß wir im wahrsten Sinne nur von der unendlichen Substanz geben können, die wir vom göttlichen Gemüt her widerspiegeln, und daß sich unsere Demonstration dieser Substanz durch unsere praktische Anwendung derselben allmählich erweitern wird. Mary Baker Eddy versichert uns in ihrem Buch Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift: „Geben im Dienst unseres Schöpfers macht uns nicht arm, ebensowenig bereichert uns Zurückhalten." Wissenschaft und Gesundheit, S. 79;
Manchmal, wenn der Ruf an einen Wissenschafter ergeht, der großen geistigen Sache der Christlichen Wissenschaft zu dienen, schreckt er davor zurück, weil er sich nicht vorbereitet fühlt, den Anforderungen zu entsprechen. Doch die Christliche Wissenschaft lehrt — und ihre Anhänger können dies beweisen —, daß der Mensch nicht ein Sterblicher mit einem Gemüt von ungewisser Leistungsfähigkeit ist, sondern die vollkommene, individuelle Widerspiegelung des einen und einzigen Gemüts, Gottes. Wenn wir dies — nämlich unsere wahre Identität — verständnisvoll akzeptieren, wird unsere Liebe zur Sache uns dazu inspirieren, uns von den Begrenzungen des materiellen Sinnes in bezug auf uns selbst und auf unsere Fähigkeiten entschieden abzuwenden.
Der Wissenschafter wird klar erkennen, daß niemand besser in der Lage ist, Gott zu dienen, als der, den Er berufen hat. Er wird davon überzeugt sein, daß Gott ihn in Wahrheit mit allem ausgerüstet hat, dessen er bedarf, um von ganzem Herzen zu dienen, und daß er tatsächlich imstande sein wird, zu jeder Zeit und in jeder Situation die benötigten Fähigkeiten und Ideen auszudrücken. Die klare geistige Vergegenwärtigung dieser Wahrheiten ist unsere beste Vorbereitung für jedes menschliche Unternehmen, in dem der Plan der göttlichen Liebe für Seine Kinder zum Ausdruck kommt.
Das menschliche Gemüt legt gern fest, was unser Lohn sein sollte, wann wir ihn erhalten sollten und durch wen. Alle diese Begriffe weisen nur auf den begrenzten Horizont des materiellen Sinnes hin, auf seine Unfähigkeit, sich ein Gesetz oder einen Lohn vorzustellen, die über das Materielle hinausgehen. Der Christliche Wissenschafter hat gelernt, dieses blinde Festlegen nicht für sich zu akzeptieren, denn er weiß, daß der Lohn für wahres Dienen auf vielerlei Weise kommen kann. Da es im Grunde stets Gott ist, dem er dient, weiß er, daß es im Grunde Gott ist, der belohnt. Erversteht auch, daß der Lohn stets zu einer Zeit und in einer Weise kommt, die durch die all-wissende Liebe bestimmt sind. Gott kennt unsere Bedürfnisse und stillt sie durch Seine allwirkende Gegenwart.
Das Verständnis von Gottes steter, weiser Fürsorge für Seine Kinder, die nie von Ihm vernachlässigt werden, inspiriert uns, mit voller Überzeugung die Zusicherung auf uns zu beziehen, die Boas Ruth gegenüber äußerte, als er von der Quelle und der Gewißheit reichen Lohnes sprach, den sie für ihre Treue zum Guten empfangen würde: „Der Herr vergelte dir deine Tat, und dein Lohn müsse vollkommen sein bei dem Herrn, dem Gott Israels, zu welchem du gekommen bist, daß du unter seinen Flügeln Zuversicht hättest." Ruth 2:12; In genauer Übereinstimmung mit dieser Bibelstelle erklärt Mrs. Eddy: „Nur eine feste Grundlage in der Wahrheit kann Schwingen der Furchtlosigkeit und einen sicheren Lohn verleihen." Message to The Mother Church for 1901, S. 2.
