Unsere Führerin, Mrs. Eddy, stellt folgende berechtigte Frage in bezug auf die vollkommene und unbegrenzte Natur der göttlichen Liebe: „Sollen wir an dem offenen Quell, aus dem schon mehr hervorströmt, als wir entgegennehmen, um noch mehr flehen?" Wissenschaft und Gesundheit, S. 2; Sie deutet darauf hin, daß es dem Wesen Gottes entspricht, das unendlich Gute auszudrücken, das heißt Gutes ohne Maß oder Grenze, ohne Rücksicht auf Person oder Rasse. Was ist dann also der bestimmende Faktor dafür, in welchem Grad wir das Gute erfahren? Unsere Empfänglichkeit.
Die unendliche Liebe kennt keine Grenzen. Sie kennt keine Abstufungen des Guten. Sie ist absolut. In der Gegenwart des unbegrenzten Guten gibt es kein ungestilltes Bedürfnis. Und es ist für die göttliche Liebe nicht notwendig, daß sie ein menschliches Bedürfnis kennt, um es stillen zu können. Seiner ureigenen Natur gemäß schließt das Unendliche jede Begrenzung aus.
Dies läßt uns verstehen, daß es nicht der Zweck des Gebets ist zu versuchen, Gott zu beeinflussen, zu überreden oder zu ändern. Das Ziel des Gebets ist, in unserem Bewußtsein Empfänglichkeit zu pflegen. Wir beten, um unser Denken mit dem göttlichen Gemüt in Einklang zu bringen. Die Reinheit unseres Denkens, die Geistigkeit unseres Denkens, das Einssein mit der göttlichen Liebe: das Erlangen dieser drei ist der Maßstab für die Wirksamkeit unseres Gebets. Denn sie zu erlangen bringt unfehlbar Heilung und Segen in unser Leben.
Das zweite Kommen des heilenden Christus, des Trösters oder der Christlichen Wissenschaft, besteht darin, daß die immergegenwärtige Güte Gottes dem empfänglichen Herzen erscheint. Der Schlüssel zu dieser Entdeckung war Mrs. Eddys Empfänglichkeit, ihr vergeistigtes Bewußtsein. Gott ist stets derselbe geblieben. Er ließ stets in unbegrenztem Maße Seine Güte ausströmen, und dies trat für das Denken in Erscheinung, das auf das Göttliche abgestimmt war. Mrs. Eddys geläutertes Denken war es, das das Licht des geistigen Verständnisses wahrnahm. Die Christliche Wissenschaft befähigt jetzt unzählige Menschen, jene verständnisvolle Empfänglichkeit zu erlangen, die das Wesen und die praktische Bedeutung des Christus demonstriert.
Es ist seit langem eine verwirrende theologische Frage, warum Gott Jesus sandte, um die Welt von Sünde und Leiden zu erlösen, wenn Er doch nichts von den menschlichen Nöten weiß. Es ist wahr, daß die göttliche Liebe keine Begrenzung kennt. Wahrheit ist sich des Irrtums nicht bewußt. Es war ein Zustand empfänglichen Denkens, der Jesus auf den menschlichen Schauplatz brachte. Man sah erwartungsvoll dem Christus entgegen, der kommen sollte, um die menschlichen Nöte zu stillen, und der Christus erschien in einer Form, die für das menschliche Denken wahrnehmbar war. Mrs. Eddy schreibt: „Jesus war der Sprößling von Marias selbstbewußter Gemeinschaft mit Gott." S. 29; Die Güte, die ganz natürlich und ununterbrochen von Gott ausströmt, wurde von dem empfänglichen Denken wahrgenommen.
In der Christlichen Wissenschaft wissen wir, daß der Christus, die heilende und erlösende Wirksamkeit des göttlichen Prinzips, immer gegenwärtig ist. Er ist für alle erreichbar, die sich mit reinem Verlangen an Gott wenden. Diejenigen, die geistige Empfänglichkeit gepflegt haben, können die Gegenwart des Christus erleben und die Freude des Heilens erfahren. In Verbindung mit Jesu Wirken wird berichtet, daß er an einem Ort nicht viele wunderbare Werke vollbrachte — wegen des Unglaubens seiner Zuhörer, wegen ihres unempfänglichen Denkens. Wo jedoch das Denken für die heilende Botschaft empfänglich war, kam die Güte Gottes, die in reichem Maße ausströmt, in Heilung von Krankheit und Sünde aller Art zum Ausdruck.
Wie können wir diese Empfänglichkeit für das geistige Gute pflegen? Unser Studium der Christlichen Wissenschaft enthüllt uns, daß Vertrauen auf die Materie und auf materielle Methoden eines der Hindernisse für diese Empfänglichkeit ist. In der Erfahrung unserer Führerin war es das ständige Versagen materieller Heilmethoden, was ihr Denken von falschem Vertrauen frei machte und zu ausschließlichem Verlaß auf Gott, Geist, führte. Sie kam so völlig von der Materie los, daß sie für das Erscheinen des Christus bereit war und darauf wartete. Es war ihr vergeistigtes Bewußtsein, das den heilenden Christus gewahrte. Da wir aus der Erfahrung unserer Führerin lernen können, brauchen wir nicht die ganze Skala der Enttäuschungen zu durchlaufen, sondern wir können lernen, uns von vornherein und von ganzem Herzen an Gott zu wenden.
„Wer nicht das Reich Gottes annimmt wie ein Kind, der wird nicht hineinkommen." Luk. 18:17; Eine der Eigenschaften des kindlichen Denkens ist Empfänglichkeit. Sie deutet auf ein unbelastetes Denken hin. Die Durchsichtigkeit des kindlichen Denkens läßt das Licht der Inspiration ein. Unschuld ist nicht Unwissenheit, sondern eine gepflegte Reinheit, die die göttliche Natur widerspiegelt. Sie verehrt einen Gott, Geist, und beugt sich nicht vor der Materie.
Mrs. Eddy erklärt: „Wenn dieses Herz, demütig und vertrauensvoll, die göttliche Liebe, ehrlich bittet, es mit dem Brot des Himmels, mit Gesundheit und Heiligkeit zu speisen, wird es befähigt, die Gewährung seiner Bitte zu empfangen. Dann wird, Seine Wonne' es tränken, als mit einem Strom', dem Strom der göttlichen Liebe, und großes Wachstum in der Christlichen Wissenschaft wird folgen, eben jene Freude, die das eigene Gute in dem des andern findet." Vermischte Schriften, S. 127.
„Befähigt, ... zu empfangen" — mit welch wunderbaren Worten wird hier das Ergebnis des Gebets angedeutet! Dies ist es, wofür wir arbeiten. Wir brauchen uns niemals Gedanken darüber zu machen, ob Gott unser Gebet erhören wird oder nicht. Die Antwort ist bereits vorhanden, was jedoch nötig ist, ist unsere Empfänglichkeit. Die göttliche Liebe segnet ihr Kind unablässig mit unbegrenztem Guten, und wir müssen mit Gottes Gesetz in Übereinstimmung kommen, um diesen Segen zu erfahren.
Daß wir fähig bleiben zu empfangen ist also unsere tägliche und stündliche Aufgabe.
