Kurz vor seiner Kreuzigung sagte Jesus zu seinen Jüngern: „Ich habe euch noch viel zu sagen; aber ihr könnt es jetzt nicht tragen. Wenn aber jener, der Geist der Wahrheit, kommen wird, der wird euch in alle Wahrheit leiten. Denn er wird nicht aus sich selber reden; sondern was er hören wird, das wird er reden." Joh. 16:12, 13;
Diese Worte deuten an, daß in Jesu Tagen den Suchern nach einem geistigen Verständnis nur ein teilweises Verständnis der Wahrheit möglich war. Ein volles Verständnis würde erst in einem fortgeschrittenen Zeitalter zu erwarten sein. Die Knechtschaft des Bösen, durch Sünde, Krankheit und Tod dargestellt, von der die Nachfolger Jesu Befreiung suchten, ist dieselbe Knechtschaft, unter der auch die Menschheit des heutigen Zeitalters leidet. Heute haben wir jedoch den „Geist der Wahrheit", den Tröster, der von unserem Meister verheißen wurde. Durch Mrs. Eddys Entdeckung der Christlichen Wissenschaft rückte die volle Offenbarung der Wahrheit, die, wie Jesus erkannte, über das Auffassungsvermögen der Menschen seiner Zeit hinausging, in die Reichweite der Menschheit. Die Menschheit ist volljährig geworden, sie kann jetzt die Wahrheit „tragen".
„Wissenschaft, Theologie, Medizin" ist der Titel eines Kapitels in dem Lehrbuch Wissenschaft und Gesundheit von Mary Baker Eddy. In diesem Kapitel lesen wir: „Jesus ermahnte seine Jünger, sich vor dem Sauerteig der Pharisäer und Sadduzäer zu hüten, den er als menschliche Lehren bezeichnete. Sein Gleichnis von, einem Sauerteig,. .. den ein Weib nahm und vermengte. .. unter drei Scheffel Mehl, bis daß es ganz durchsäuert ward', zwingt uns zu dem Schluß, daß der geistige Sauerteig die Wissenschaft Christi und deren geistige Auslegung bedeutet — ein Schluß, der weit über den rein kirchlichen und äußerlichen Anwendungen dieses Gleichnisses steht." Wissenschaft und Gesundheit, S. 117;
Zur Zeit Jesu wurde die Materie als feste Substanz des Universums angesehen, und die Gesetze, die das Universum regierten, hielt man für Gesetze der Materie. Die Getreuen jener Tage erkannten Jesu Heilungen von Sünde, Krankheit und Tod an, aber für das Denken des Volkes im allgemeinen waren diese Ereignisse übernatürliche Schaustellungen der göttlichen Kraft.
In der judäischen Theologie wurde Gott als allmächtig und unendlich erklärt, als eine liebende und barmherzige Gottheit; und trotzdem wurden Zwietracht, Unglück, Sünde und Tod als wirklich, unvermeidlich und als von Gott verliehen akzeptiert, und Seine Absicht, wenn Er solche Übel weiterbestehen ließ, wurde als unergründlich angesehen oder andererseits als eine schwere Strafe für die Sünden Seines eigenen Geschöpfs. Die Heilige Schrift berichtet die Auffassung der Propheten, daß die Übel, mit denen das Volk belastet war, durch Sünde und Unwissenheit hervorgerufen worden waren; das gewöhnliche Denken betrachtete Krankheit jedoch als eine materielle Wirklichkeit, die mit dem Denken nicht das Geringste zu tun hatte, und verlangte nach materiellen Heilmitteln.
Angesichts dieser vorherrschenden Gedankenrichtungen erklärte Jesus seine Lehre. Ein Studium der Evangelien zeigt deutlich, daß seine Lehre in direktem Widerspruch und seine Ausübung in vollkommenem Gegensatz zu ihnen stand. Es waren diese falschen Daseinsauffassungen, von denen der „Geist der Wahrheit" Befreiung bringen sollte.
Es ist eigentlich erstaunlich, daß in den Jahrhunderten nach dem Anbruch der christlichen Ära dem in Jesu Lehren enthaltenen Hinweis, nämlich daß die Ansichten der Menschheit, das Böse sei entweder Ursache oder Wirkung, es stamme von Gott oder von materiellen Gesetzen, irrig sind, nicht mehr Beachtung geschenkt wurde. Wenn die Schlußfolgerungen der Menschheit falsch waren, muß die Umkehrung dieser Schlußfolgerungen wahr sein. Mrs. Eddy erklärt: „Die Wissenschaft kehrt das falsche Zeugnis der physischen Sinne um, und durch diese Umkehrung gelangen die Sterblichen zu den fundamentalen Tatsachen des Seins." S. 120;
Mit dieser Umkehrung sieht der Anhänger der Christlichen Wissenschaft gänzlich neue Gesichtspunkte des Seins vor sich auftauchen. Er erkennt, daß die Materie keine objektive Wirklichkeit hat, sondern eine falsche Auffassung oder falsche Darstellung der wahren Substanz, oder des Gemüts, ist. Anstatt eine materiell umrissene Gottheit zu sehen, lernt er Gott als das unendliche Prinzip, die göttliche Liebe kennen. Die Begriffe „unendlich, allmächtig, allwissend und allgegenwärtig", auf Gott angewandt, gewinnen wieder ihre ursprüngliche und absolute Bedeutung und schließen die Möglichkeit aus, daß es noch einen Schöpfer neben Gott und eine Schöpfung neben Seiner göttlich mentalen Schöpfung gibt, die Er jederzeit mit allem Guten versorgt.
Statt eine rätselhafte Verknüpfung von Gut und Böse zu sehen, wird die Natur Gottes als unendlich gut offenbart, und die Übel in dem sterblichen Dasein werden als Illusionen erkannt, die von einer Unkenntnis der Wirklichkeit herrühren. Die Wunder der Bibel werden als Beweise von der Überlegenheit des geistigen Gesetzes, oder des Willens Gottes, über die Annahme des materiellen Gesetzes angesehen. Da die Leiden der Menschheit von einer Unwissenheit oder falschen Auffassung der Wirklichkeit oder der Wahrheit stammen, kommen wir, wenn wir richtig folgern, zu dem Schluß, daß sie durch das Verständnis der Wahrheit geheilt werden müssen, so wie Jesus es verhieß, als er sagte: „[Ihr] werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen." Joh. 8:32;
Es ist nicht leicht, die „fundamentalen Tatsachen des Seins" zu verstehen. Die Christliche Wissenschaft ist ihrem Wesen nach revolutionär. Sie wirft falsche Denkungsweisen um. Sie ist die Antithese anerkannter materieller Lehren. Paulus, der leidenschaftliche Verbreiter des Evangeliums, schrieb: „Niemand betrüge sich selbst. Welcher sich unter euch dünkt, weise zu sein in dieser Welt, der werde ein Narr, auf daß er möge weise sein. Denn dieser Welt Weisheit ist Torheit bei Gott." 1. Kor. 3:18, 19;
Der Sauerteig der Wahreit ist in allen Jahrhunderten am Werk gewesen, aber mit der Entdeckung der Christlichen Wissenschaft begann eine Beschleunigung der Umwälzung sterblicher falscher Auffassungen. Auf dem Gebiet der Physik haben wir gesehen, daß die Materie den größten Teil ihrer angeblichen Festigkeit verloren hat und hauptsächlich auf Energie oder Kraft beschränkt wird.
Die Theologie spürt die Umwälzung des Denkens. Gott wird mehr als der liebende Vater bekannt, der für alle Seine Kinder die Erlösung vorgesehen hat. Die Kirchen schenken den folgenden Worten Jesu neue Beachtung: „Die Zeichen aber, die da folgen werden denen, die da glauben, sind die: in meinem Namen werden sie böse Geister austreiben,. .. Schlangen vertreiben, und wenn sie etwas Tödliches trinken, wird's ihnen nicht schaden; auf Kranke werden sie die Hände legen, so wird's besser mit ihnen werden." Mark. 16:17, 18;
Einige Zweige der Medizin erkennen, welch eine wichtige Rolle der seelische Zustand für die körperliche Gesundheit spielt.
Obwohl diese Anzeichen ermutigend sind, so geben sie doch noch nicht zu erkennen, daß dieses Zeitalter im allgemeinen den geistigen Sauerteig angenommen hat. Die Welt der Naturwissenschaften kann ihre Begriffe nur verbessern oder verfeinern. Die eben erwähnten Zeichen weisen aber darauf hin, daß das sterbliche Denken die Gültigkeit vieler altehrwürdiger Auffassungen in Frage stellt. Nur das gänzliche Aufgeben materieller Theorien und die vollständige Unterordnung unter die Wissenschaft des Christentums kann das volle Verständnis der Wahrheit herbeiführen.
Mrs. Eddy schreibt: „Die weisen Bauleute werden auf dem Stein bauen, der der Eckstein ist; und so wird die Christliche Wissenschaft, der Sauerteig, der unter drei Scheffel Mehl — Ethik, Medizin und Religion — vermengt ist, die Welt sehr schnell in Gärung bringen und sie mit der Herrlichkeit ungefesselter Wahrheit erleuchten." Message to The Mother Church for 1902, S. 2.
