Die Macht der Liebe wirkt, und zwar nicht durch zaghafte Überredung oder sentimentale Bitte um Wohlwollen, noch indem sie ein Gefühl des Mitleids erweckt, sondern durch den geistigen Antrieb der Wahrheit und der Allheit des unaufhörlichen, allwirkenden Lebens. Die Macht der Liebe ist die Allmacht des Lebens, die Macht des sich selbst erhaltenden, sich selbst durchsetzenden göttlichen Prinzips — die einzige Kraft, der einzige Einfluß in ihrem eigenen unendlichen Bereich der Wirklichkeit. Weil Liebe das Leben selbst ist, ist sie von nichts außerhalb ihrer selbst abhängig, sondern alles Wirkliche, das heißt alles, was Leben hat, ist in bezug auf die Güte und ewige Fortdauer ihres eigentlichen Seins von der Liebe abhängig.
Weil Liebe Gemüt ist, ist sie der Erhalter ihrer eigenen Fähigkeiten und ihrer eigenen Stärke, und sie entfaltet den Zweck, zu dem diese durch den Menschen, die individuelle Widerspiegelung Gottes, anzuwenden sind.
Die selbsterhaltende Macht des Lebens, oder des Geistes, die stets zu unserem Wohl wirkt, wenn sie verstanden und vertrauensvoll akzeptiert wird, zerstört ganz natürlich die Furcht vor jedem widerstreitenden Argument oder Symptom, und sie vernichtet deren Wirkungen durch ebendie Erleuchtung, die dieses Verständnis dem menschlichen Bewußtsein bringt.
Nichts widersteht der Liebe, die Leben ist. Nichts kann sie besiegen. Nichts kann den Menschen, ihr individualisiertes Bild und Gleichnis, bedrohen. Wenn wir die Macht der Liebe kennen, vermag nichts unser Vertrauen auf die Fortdauer unseres wahren Seins zu erschüttern. Nichts kann uns dazu bringen, uns der mesmerischen Suggestion zu unterwerfen, daß Leben materiell sei — in einem materiellen Körper eingeschlossen, folglich unvollkommen, endlich, verletzbar. Noch kann irgend etwas uns zu der Annahme bewegen, daß unsere Moral und Intelligenz unabänderliche Folgen von Vererbung oder anderen materiellen Umständen seien. Mrs. Eddy erklärt: „Nur der ohnmächtige Irrtum trachtet danach, Geist mit Materie, Gutes mit Bösem, Unsterblichkeit mit Sterblichkeit zu vereinigen und diese Trug-Einheit Mensch zu nennen, als ob der Mensch der Sprößling von beiden wäre, von Gemüt und Materie, von beiden, von Gottheit und Menschheit. Die Schöpfung ruht auf einer geistigen Grundlage.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 555;
Anderswo in Wissenschaft und Gesundheit gibt uns unsere Führerin die rechte Grundlage, von der aus wir uns vom Einfluß materialistischer, irriger Annahmen frei machen können. Sie schreibt: „Die geistige Individualität des Menschen ist niemals unrecht. Sie ist das Gleichnis von dem Schöpfer des Menschen. Die Materie kann die Sterblichen mit dem wahren Ursprung und den wahren Tatsachen des Seins, in denen alles enden muß, nicht in Verbindung bringen. Nur durch die Anerkennung der Allerhabenheit des Geistes, die die Ansprüche der Materie aufhebt, können die Sterblichen die Sterblichkeit ablegen und das unauflösliche geistige Band finden, das den Menschen auf ewig als das göttliche Gleichnis bestätigt, das von seinem Schöpfer untrennbar ist.“ S. 491;
Diese „unauflösliche geistige Band“ wird durch den Christus verständlich gemacht, durch die göttliche Botschaft der Wahrheit des Seins, die Christus Jesus den Menschenkindern brachte. Es ist die Offenbarung, daß Gott das eine Gemüt ist, das unendliche, unauslöschliche Leben oder die durch sich selbst bestehende göttliche Liebe, deren Macht ihrem Ausdruck, dem Menschen, unaufhörlich ihre eigene Güte, Vollkommenheit und Fortdauer verleiht und ihn so als das Ebenbild und Gleichnis Gottes erhält.
Christus Jesus lehrte und bewies, daß physische, mentale und moralische Unvollkommenheiten Illusionen des sterblichen Gemüts sind, Phasen des materiellen, falschen Begriffs vom Menschen. Sie verschwinden ganz natürlich, wenn die Wahrheit über den Menschen als den individuellen Ausdruck des Lebens, der göttlichen Liebe selbst, auf sie angewandt wird. Diese geistige Vergegenwärtigung und Tätigkeit ist christlich-wissenschaftliche Behandlung. Um erfolgreich zu sein, muß sie sich auf ein klares Verständnis der absoluten Macht gründen, die die Liebe über alles hat, was beansprucht, sich ihr entgegenzustellen oder ihre Widerspiegelung und ihren Ausdruck zu erschweren.
Dieses Verständnis muß tiefer gehen als ein bloß intellektuelles Erfassen der Erklärungen der Christlichen Wissenschaft. Es muß darin bestehen, daß wir in geistiger, von Liebe inspirierter Weise auf die klaren Ausblicke reagieren, die wir von der alleinigen Wirklichkeit des Geistes, der Liebe, und von deren stets vollkommener Schöpfung gewonnen haben. Es muß in unserer spontanen Anerkennung zum Ausbruch kommen, daß der Mensch der treue Zeuge der Liebe ist.
Naturgemäß wird dieses Anerkennen die Erklärung einschließen, daß die spontane, erfolgreiche und beglückende Aufgabe des Menschen darin besteht, die Vollkommenheit des Lebens, des Gemüts, das Liebe ist, auszudrücken — eine Aufgabe, in der er nicht versagen kann, weil er das genaue Bild und Gleichnis Gottes ist. Mrs, Eddy schreibt: „Alles, was Gott gibt, bewegt sich in Übereinstimmung mit Ihm und spiegelt Güte und Kraft wider.“ S. 515;
Die Christliche Wissenschaft nimmt den großen Unterschied wahr, der zwischen dem eigensinnigen menschlichen Willen und der Macht des Wohlwollens besteht. Hinter jedem Bemühen, das Böse mit Hilfe der Christlichen Wissenschaft zu überwinden, steht nicht ein guter menschlicher Wille, sondern die Stärke und Macht der Liebe, die Gott ist. Die Suggestionen, daß es im Guten Böses gäbe, richten sich an die Unwissenheit, die das Wesen der Schwäche ist. Sich im Widerstand gegen das Böse auf den menschlichen Willen zu verlassen bedeutet Niederlage herauszufordern, denn der menschliche Wille ist ein wesentlicher Bestandteil des sterblichen Menschen. Da dieser sterbliche Mensch nur ein falscher Begriff ist, hat er keine wahre Stärke und Widerstandskraft.
Der menschliche Wille mag vorübergehend den Versuchungen widerstehen, doch er kann nicht mit ihnen fertig werden, denn er kann deren Anziehungskraft nicht aufheben. Nur das Verständnis von der göttlichen Liebe als unserem Gemüt, als dem Urheber unseres wahren Wesens und unserer gegenwärtigen Fähigkeit, es zu erlangen, macht es uns möglich, uns über die lügenhaften Versprechen der materiellen Versuchungen zu erheben.
Um uns die Macht der göttlichen Liebe zunutze zu machen, müssen wir in allem, was wir denken oder tun, den Standpunkt behaupten, den die göttliche Liebe ihrer Schöpfung gegenüber einnimmt. Wir müssen unsere sterblichen Impulse ohne Rücksicht auf die Umstände zugunsten des beherrschenden und lenkenden Einflusses der Liebe aufgeben.
Der sterbliche Instinkt, nur als eine Art Resonanzboden für die Gedanken, das Verhalten und die Gefühle anderer zu denken und zu handeln, bedeutet, der allintelligenten Herrschaft der Liebe den Rücken zu kehren. Mit Groll und Ärger auf persönliche Abneigung oder scharfe Kritik zu reagieren, von der wir annehmen, sie sei gegen uns oder gegen Ideen gerichtet, die wir lieben, heißt, von der geistigen Höhe des Christus — mit seinem Schutz und seiner klaren Führung — in die sonnenlose Schlucht des persönlichen Sinnes hinunterzusteigen. Wenn wir die zu einem vorherbestimmten Ziel führenden Schritte nur anhand der Mittel und Wege des persönlichen Sinnes berechnen, geraten wir in den Wirbel des fleischlichen Gemüts mit seinen Reibungen, seiner Zermürbung und Enttäuschung. Das heißt, daß wir uns vom Einfluß der heilenden, beschützenden und beherrschenden Macht der göttlichen Liebe loslösen. Und das dürfen wir niemals tun.
Die tiefe Überzeugung vom Wirken der sanften, lebenspendenden Macht der göttlichen Liebe, oder Gottes, war es, die Jesaja dazu inspirierte, von Ihm zu sagen: „Er wird seine Herde weiden wie ein Hirte. Er wird die Lämmer in seinen Arm sammeln und im Bausch seines Gewandes tragen und die Mutterschafe führen.“ Jes. 40:11;
Mit Worten von großer poetischer Schönheit öffnete er seinem Volk den zuversichtlichen, geistigen Blick für die göttliche Liebe als die aktive Spenderin aller Stärke und Macht, deren wir für jede rechte Tätigkeit bedürfen: „Weißt du nicht? Hast du nicht gehört? Der Herr, der ewige Gott, der die Enden der Erde geschaffen hat, wird nicht müde noch matt, sein Verstand ist unausforschlich. Er gibt dem Müden Kraft und Stärke genug dem Unvermögenden. Männer werden müde und matt, und Jünglinge straucheln und fallen; aber die auf den Herrn harren, kriegen neue Kraft, daß sie auffahren mit Flügeln wie Adler, daß sie laufen und nicht matt werden, daß sie wandeln und nicht müde werden.“ V. 28–31.