Vor meiner Heirat hatte ich das Verlangen, einen Maßstab zu besitzen, nach dem ich meine Ehe führen konnte. Obwohl in meinem Elternhaus Liebe und gefestigte ethische Begriffe vorherrschten und wir auch einen schwachen Gottesbegriff hatten, wurde in religiöser Hinsicht meiner Erziehung nichts hinzugefügt.
Mir selbst war im Religionsunterricht ganz klargeworden, daß die christlich-religiösen Dinge eine natürliche Anziehungskraft für mich besaßen und eine Forderung für die Menschheit enthielten. Als ich einmal auf der Wand eines christlich geführten Restaurants in großen Buchstaben die Frage geschrieben fand: „Was würde Jesus dazu sagen?“ wußte ich, daß dies mein Maßstab sein sollte; meine Ehe sollte vor den christlichen Forderungen bestehen können.
Das aber schien keineswegs leicht zu sein. Meines Mannes Charakter schien mir ungewöhnlich schwierig, so daß ich nach mehrjähriger Ehe vorhatte, mich von ihm zu trennen. Freunde erfuhren davon und luden mich zu sich ein. Ohne erklärende Worte, unmittelbar nach meinem abendlichen Eintreffen dort, nahmen sie mich in eine christlich-wissenschaftliche Zeugnisversammlung mit.
Nach diesem Gottesdienst war ich von zwei Dingen entscheidend beeindruckt. Das eine war das Zeugnis eines Mannes über die rasche Heilung eines gebrochenen Fußes allein durch christlich-wissenschaftliche Behandlung. Die äußere Erscheinung dieses Mannes hätte mich überzeugt, daß er sich eher auf seine Muskelkräfte und seine Willenskraft verlassen würde als in demütig hingebungsvoller Weise auf die Liebe Gottes. Den zweiten, noch tieferen Eindruck machte auf mich die Haltung meines Bekannten, als ich mein Erstaunen über das soeben erwähnte Zeugnis äußerte und er antwortete: „Ja, glauben Sie denn, die Allmacht der göttlichen Liebe und die Heilkraft, die Jesus hatte, hätten nur zur damaligen Zeit zur Lösung von Problemen zur Verfügung gestanden?“
Auch hier fand ich eine Demut und ein praktisches Gottvertrauen, die mich tief erstaunten, bei einem Mann, der Naturwissenschaftler war und eine verantwortliche Staatsbeamtenstellung innehatte. Ich hatte bis dahin von ihm geglaubt, daß er, genau wie mein Mann, alle Aufgaben vom Standpunkt des intellektuellen Akademikers betrachtet und gelöst hätte. Die Christliche Wissenschaft, folgerte ich rasch, hält etwas bereit, was für Menschen aller Schichten und Bildungsstufen praktisch anwendbar ist.
Zu Hause angelangt bekam ich das Lehrbuch Wissenschaft und Gesundheit von Mary Baker Eddy ausgehändigt mit der Bitte, es gründlich zu studieren. Das tat ich. Dabei begann ich zu erfassen, daß mir meine Freunde helfen wollten, mein Problem zu lösen, aber ganz gewiß nicht durch Scheidung und menschliche Gerichtsbarkeit. Bei einer Unterhaltung fragte dieser Freund mich nun: „Sind Sie davon überzeugt, daß Sie durch die Ehe mit Ihrem Mann an Ihrem geistigen Fortschritt gehindert werden — daß Sie dadurch zurückgehalten werden, zum Beispiel ein gütiger, liebevoller Mensch zu sein?“ Diese Frage konnte ich nur mit Nein beantworten; im Gegenteil, ich gab unaufgefordert zu, daß mein Mann Eigenschaften besaß, von denen ich zu lernen hätte. Ich dachte dabei an seinen hohen, moralischen Mut und Gerechtigkeitssinn, seine Überzeugungstreue und seinen Weitblick.
Dann folgte eine zweite bedeutsame Frage an mich: „Können Sie folgenden Gedanken verstehen oder ihn sich gar zu eigen machen? Wenn man an einem Scheidewege steht und sich zu dem Weg entschließt, der die größeren Anforderungen an unsere Liebe und all die Eigenschaften, die sie einschließt, stellt, so ruht darauf mehr göttlicher Segen — ganz besonders, wenn man dabei einem anderen Menschen helfen kann —, als wenn man sich zu dem anderen Weg entschließt!“
Bei dieser Frage wußte ich sofort, wie ich mich zu entscheiden hatte und mich entscheiden würde, obschon noch viele Gespräche mit meinen Freunden über die Begriffe Ehe, Partnerschaft, Liebe, Elternschaft und Kindererziehung folgten, alle basiert auf Jesu Worten und auf dem, was Mrs. Eddy in ihren Schriften sagt. Ich nahm auch Verbindung zu einer eingetragenen öffentlichen Ausüberin, einer Lehrerin der Christlichen Wissenschaft, auf, die ihre geistige durch Gebet gestützte Arbeit für den Fall tat und mir klarere Begriffe gab. Ich begann zu erfassen, daß die Christliche Wissenschaft uns einen Maßstab, eine praktisch durchführbare Möglichkeit gibt, eine Ehe zu führen, die den christlichen Anforderungen entspricht. Und das bald folgende Weihnachtsfest fand uns wieder als glückliche Familie vereint.
Später erlebte ich, daß auch mein Mann sich der Christlichen Wissenschaft zuwandte. Er litt an schweren Depressionen, weil er als Staatsbeamter und als Offizier in den Kriegsjahren einem Staat verpflichtet war, dessen Führung er zutiefst ablehnte. Das Studium des Lehrbuches und die Behandlung durch eine Ausüberin heilten ihn von den Depressionen und gaben ihm einen höheren Ausblick.
Ich bin seit meinem ersten Besuch einer Zeugnisversammlung der Christlichen Wissenschaft treu verbunden geblieben und habe erlebt, daß die Lösung vielfältigster Probleme — einschließlich schwerer Krankheit, der Folgen eines Unfalles, des Verlusts eines Heimes — jedesmal erfolgte, wenn ihre Regeln und Gesetze korrekt angewandt wurden.
Dankbar und froh bin ich heute, in mannigfacher Weise in unserer Bewegung mithelfen zu dürfen, wie auch mir einst geholfen wurde. Möchte doch dieses Zeugnis vielen helfen und versichern, daß die Christliche Wissenschaft für jeden anwendbar ist.
Forstamt Prüm-Süd, Deutschland