Als man sich in Kapernaum von den Wundern erzählte, die von Christus Jesus vollbracht wurden, drängten sich die Menschen um ihn und fragten ihn herausfordernd: „Was tust du denn für ein Zeichen, auf daß wir sehen und glauben dir? Was wirkest du?“ Joh. 6:30;
Das ist auch die Frage, die wir sehr gut uns selbst stellen können, wenn wir uns in Augenblicken ernster Selbstprüfung von allen positiven oder negativen menschlichen Meinungen über unseren Wert als Christliche Wissenschafter abwenden und eine Antwort auf die Frage suchen: Wie weit bin ich auf dem aufwärtsführenden Weg der Christlichen Wissenschaft vorangekommen? Dabei wissen wir auch, daß die wahre Antwort in unserer Lebensführung liegt.
Jeder sollte sich fragen: In welchem Maße habe ich die Vergeistigung des Charakters demonstriert, die die grundlegende Forderung der Christlichen Wissenschaft ist und der wahre Maßstab dafür, wie weit wir sie in unserem Leben betätigen?
Ferner: Wie umfangreich oder wie kümmerlich ist meine Heilarbeit? Bin ich heute glücklicher, gesünder, reiner, als ich es war, ehe ich ein Anhänger wurde? Bin ich schnell dabei, die Ansprüche des materiellen Sinnes aufzudecken, die als moralische Schwäche oder physische Krankheit auftreten? Bin ich schnell dabei, sowohl die Versprechungen wie die Drohungen des Bösen zu verneinen, indem ich sie als Illusionen des sterblichen Gemüts identifiziere, das nichts von seiner eigenen Unwirklichkeit weiß? Habe ich gelernt, mich selbst und jeden anderen als das Kind des einen unendlichen Gemüts zu identifizieren, als den reinen, vollkommenen Ausdruck Gottes, des Urquells oder göttlichen Prinzips von allem, was wirklich ist, Leben besitzt und intelligent ist? Und habe ich demzufolge gelernt, meine Mitmenschen in der ganzen Welt zu lieben, selbst diejenigen, die mich dem Sinnenzeugnis gemäß nicht lieben, ja sogar hassen?
Kurz, in welchem Maße habe ich meinen alten Begriff vom Bösen und meine alte Art und Weise, auf seine Herausforderungen zu reagieren, aufgegeben und damit zugelassen, daß mich die Christliche Wissenschaft von den Illusionen der Materialität befreit und meine ganze menschliche Erfahrung hebt?
Solch eine Betrachtung unseres bisherigen Lebens hat nicht den Zweck, unsere Selbstachtung aufzubauen oder niederzureißen, sondern einen wahren Begriff von unserem Fortschritt zu erlangen, dadurch Mut zu schöpfen und mit tiefer Dankbarkeit den Gegensatz zu empfinden, der durch die Christliche Wissenschaft zwischen unserem früheren und heutigen Leben besteht.
Unsere Führerin Mrs. Eddy beschreibt in ihrem Buch Wissenschaft und Gesundheit diesen Gegensatz mit eindringlicher Unmittelbarkeit: „Die Vergeistigung des Gedankens und die Verchristlichung des täglichen Lebens, im Gegensatz zu den Resultaten des grausigen Possenspiels des materiellen Daseins; Keuschheit und Reinheit, im Gegensatz zu den herabziehenden Tendenzen und dem auf das Irdische gerichteten Streben der Sinnlichkeit und Unreinheit, sind es, die den göttlichen Ursprung und das göttliche Wirken der Christlichen Wissenschaft tatsächlich beglaubigen.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 272;
Durch die wunderbare, umfassende Hebung unseres Daseins, die der „göttliche Ursprung und das göttliche Wirken der Christlichen Wissenschaft“ bereits mit sich gebracht hat, werden wir uns veranlaßt fühlen, mit Verständnis und mit der Innigkeit unserer Liebe zu dem Christus, der Wahrheit, die Erklärung unseres Meisters zu bestätigen: „Gottes Brot ist das, das vom Himmel kommt und gibt der Welt das Leben... Ich bin das Brot des Lebens. Wer zu mir kommt, den wird nicht hungern; und wer an mich glaubt, den wird nimmermehr dürsten.“ Joh. 6:33, 35;
Da wir aufgrund praktischer Erfahrung überzeugt sind, daß die Christliche Wissenschaft tatsächlich „das Brot des Lebens“ ist, das uns in unserem Zeitalter erneut gegeben wird, ist es nur natürlich, daß wir uns im Verlauf unserer Selbstprüfung fragen: „Habe ich dieses, Brot des Lebens' anderen gebracht, oder genügt es mir, nur selbst daran teilzuhaben?“ Um anderen dieses Brot zu bringen, muß man nicht nur ein Verständnis von Gott als dem Vater-Mutter aller Menschen besitzen, sondern auch eine aktive, aufgeschlossene Liebe zu den Kindern Gottes, zu unserem Nächsten nah und fern. Diese Liebe treibt uns dazu, mit anderen die großen Segnungen zu teilen, die uns die Christliche Wissenschaft gebracht hat.
Wenn wir von diesem völlig selbstlosen Verlangen beseelt sind, wird uns das göttliche Gemüt ganz gewiß mannigfaltige Gelegenheiten auftun, es zu befriedigen. Damit dienen wir der Sache des Christus, der Wahrheit, und stehen daher unter seinem Schutz. Wenn wir anderen Segen bringen, haben wir selbst an diesem Segen teil. Die Christliche Wissenschaft spornt uns dazu an, unsere Liebe zu Gott durch einen praktischen Ausdruck unserer Liebe zu unseren Mitmenschen zu beweisen. Wenn wir aus Mangel an dieser Liebe versuchen, die Christliche Wissenschaft für uns selbst zu behalten, laufen wir Gefahr, sie zu verlieren; sie mit anderen zu teilen ist dagegen ein sicherer Weg, Fortschritt in ihr zu machen.
Ein Christlicher Wissenschafter, der seinen Fortschritt mißt, könnte sich ferner fragen: „Wenn ich in meinem Geschäft, in meiner Kirchentätigkeit oder meinen persönlichen Beziehungen vor einem ernsten Problem stehe, gebe ich dann immer noch nach alter Gewohnheit einer Person die Schuld? Oder habe ich eingesehen, daß jede Situation, die in mir den Eindruck einer erfolgreichen Verneinung der vollkommenen Fürsorge Gottes für Sein Kind hervorzurufen sucht, grundsätzlich die mesmerische Einflüsterung des unpersönlichen Irrtums ist, tierischer Magnetismus genannt?“ Die Erklärung unserer Führerin hierfür lautet: „Der tierische Magnetismus ist die willkürliche oder unwillkürliche Tätigkeit des Irrtums in allen seinen Formen; er ist das menschliche Gegenteil der göttlichen Wissenschaft.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 484;
Die Christliche Wissenschaft lehrt, daß der wirkliche Feind niemals eine Person, sondern stets die aggressive Einflüsterung — offen oder verhüllt — des Irrtums oder des Bösen ist. Wenn daher eine Person die Ursache der Disharmonie zu sein scheint, so ist sie einfach nur das Werkzeug in dem Plan des Bösen, uns zu überzeugen, daß es Gott überlegen sei.
Es ist nicht immer leicht, unser Denken von Groll und persönlicher Abneigung zu befreien, aber wenn wir darin Erfolg haben und vom richtigen Standpunkt aus arbeiten, daß nämlich das Böse unpersönlich und machtlos ist, dann versinkt die unerfreuliche Situation sehr leicht in den Bereich betrügerischer Illusionen, wo alles auf das Kernproblem zurückgeht, daß die aufdringlichen, aber leeren Drohungen des Bösen gegen die alleinige Wirklichkeit, Allmacht und Tätigkeit der göttlichen Liebe gerichtet sind.
Und was soll der Christliche Wissenschafter tun, wenn seine Selbstprüfung nur auf geringen Fortschritt hinweist? Sollte er sich verdammen und sich entmutigt fühlen, weil er nichts Besseres geleistet hat? Keinesfalls! Allein die Tatsache, daß er zu erkennen vermag, daß einige falsche Denkgewohnheiten noch nicht berichtigt sind, beweist sein Gefühl für die geistigen Forderungen der Christlichen Wissenschaft und seinen Wunsch, ihnen nachzukommen. Dadurch wird er vor diesen Feinden seines Fortschritts doppelt auf der Hut sein und immer mehr seine Herrschaft über sie beweisen können.
In Wissenschaft und Gesundheit wiederholt unsere inspirierte Führerin die jahrhundertealte Frage: „Was wirkest du?" in der Terminologie der Christlichen Wissenschaft, womit sie das endgültige Ziel all unserer geistigen Bemühungen prägnant umreißt, und sie versichert uns des vollen Lohns eines getreuen, geistigen Lebens, indem sie schreibt: „Wir alle müssen lernen, daß Leben Gott ist. Frage dich: Lebe ich das Leben, das dem höchsten Guten nahe kommt? Demonstriere ich die heilende Kraft der Wahrheit und Liebe? Wenn dem so ist, dann wird der Weg immer lichter werden, bis auf den vollen Tag‘.“ S. 496. Wenn wir in der Morgendämmerung wandeln, zweifeln wir nicht daran, daß die Sonne in voller Herrlichkeit aufgehen wird; ebensowenig zweifeln wir an der vollen Ernte, die das Verständnis, daß Leben Gott ist, dem hingebungsvollen, wachsamen Schüler der Wissenschaft des Christus bringt.