Die Menschen scheinen ihr ganzes Leben lang zwischen Glauben und Furcht hin und her geworfen zu werden, zwischen dem Impuls des Glaubens, der sie lenkt und vorwärtstreibt, und der hemmenden Wirkung der Furcht, die sie verwirrt und manchmal lähmt und hindert. Ist dieses ständige Hin und Her zwischen Fortschritt und Rückschritt, zwischen aufkeimender Hoffnung und deprimierendem Zaudern unvermeidlich? Die Christliche WissenschaftChristian Science; sprich: kr’istjən s’aiəns. verneint diese Frage, denn dieses Hin und Her ist gänzlich unnötig und wird sich als unnötig erweisen, wenn der Ursprung und die Grundlosigkeit der Furcht wie auch das wahre Wesen wissenschaftlichen Glaubens verstanden wird.
Der Christlichen Wissenschaft gemäß ist Furcht ein Nebenprodukt der uralten, falschen sterblichen Vorstellung, daß sowohl das Böse wie das Gute wirklich und intelligent sei, daß das Böse das Mächtigere von beiden sei, daß das Gute eine Sache des Zufalls oder des Glücks sei und daß das sterbliche Dasein der Kampfplatz für ihre widerstreitenden Mächte sei. Dieser Anschauung nach hat das Bewußtsein in der Materie seinen Sitz, die sein Schöpfer ist und daher den Intelligenzgrad eines Menschen bestimmt. Daraus ergibt sich der Trugschluß, daß die Intelligenz immer begrenzt sei, weil sie an die Materie gebunden sei, und daß sie mitunter den Bedrohungen durch das Böse nicht gewachsen sei. Dieser Auffassung gemäß beherrscht also die Materie jede Phase des menschlichen Daseins.
Aus dem soeben Gesagten geht hervor, daß der Glaube an lebendige, intelligente Materie der Glaube an die Wirklichkeit und Macht des Bösen ist. Diese falsche Auffassung ist die Quelle aller Furcht, denn sie impft uns den Glauben ein, wir seien den Launen des Bösen ausgeliefert. Furcht führt leicht zu Verwirrung, Fehlhandlungen und Untätigkeit, wenn wir ihr nicht widerstehen und sie nicht mit dem wissenschaftlichen Verständnis von ihrer falschen mentalen Natur und ihrer daraus folgenden Machtlosigkeit überwinden. Furcht ist völlig negativ; da sie jedoch keine Grundlage in der Wahrheit hat, ist es stets unnötig, sich zu fürchten.
Der Glaube andererseits, der die Einflüsterungen und Einschüchterungen der Furcht überwindet, ist die natürliche Wirkung, die das wissenschaftliche Verständnis, wie es uns die Christliche Wissenschaft vermittelt, auf den einzelnen hat — das Verständnis nämlich, daß Ursache und Macht weder in der Materie noch in irgendeinem Zusammentreffen von zeitweilig guten oder schlechten materiellen Umständen bestehen, sondern daß sie rein geistig sind und dem einen Gemüt, Geist, dem einzigen Leben, innewohnen. Weil das göttliche Gemüt die unendliche Quelle oder das göttliche Prinzip aller Wahrheit ist, ist es absolut gut; es ist göttliche Liebe, die einzige Intelligenz und die einzige Macht, der sich nie etwas Wirkliches widersetzt. Es trägt nichts in sich, was uns Furcht einreden oder was Furcht erregen könnte, enthält aber alles, was geistige Liebe auslöst und die Gewißheit des Glaubens an die Souveränität des Guten über alles, was ihm entgegenzustehen scheint, vermittelt.
Der Mensch, der em lebendiges, das heißt bewußtes, intelligentes Wesen ist, ist die individuelle geistige Widerspiegelung oder Darstellung des unendlichen Gemüts, des einen Gottes, und der Gegenstand Seiner beständigen, allmächtigen Fürsorge. In Wirklichkeit ist der Mensch also niemals bedroht; daher fürchtet er sich niemals. Gott regiert und erhält Sein Kind und alles Dasein. Ihn müssen wir verstehen und lieben, auf Ihn müssen wir in vollem Glauben an Seine allweise, allwirkende Macht vertrauen.
Dieser Glaube, daß nämlich Gott, das schöpferische Gute, allein tätig ist, gibt unserem Denken und Vorhaben Klarheit und Beständigkeit, gibt uns Vertrauen auf Gottes Führung und darauf, daß wir durch Widerspiegelung die Fähigkeit besitzen, dieser Führung mit guten Resultaten zu folgen. Dieser Glaube befähigt uns, trotz der Einflüsterungen von Furcht ohne zu zweifeln der Vollendung unserer gottgegebenen Aufgabe zuzustreben. Ein Glaube, der das Ergebnis dieses Verständnisses ist, ist absolut positiv, absolut gerechtfertigt und beglükkend. Es ist der Glaube, den Christus Jesus seinen Nachfolgern vermittelte.
Wie zur Zeit unseres Meisters, so bringt auch heute das Verständnis von dem Christus, der Wahrheit, den wissenschaftlichen Glauben mit sich, daß es in der absoluten Wirklichkeit nichts zu fürchten gibt, denn es gibt keine Intelligenz, keine Macht, keine Ursache, die sich uns, den Kindern Gottes, entgegenstellen könnte, um die Erfüllung des Plans, den Gott für uns hat, aufzuhalten oder zu vereiteln oder auch nur unser klares Bewußtsein von unserer Koexistenz mit dem Vater-Mutter Gott zu verwirren.
Furcht begleitet die trügerische sterbliche Illusion, daß es ein böses Gemüt gebe, das als böse Ursache wirkt. Furcht ist daher ein Täuschungsversuch, ein Angriff auf unsere wissenschaftliche, zutiefst moralische Überzeugung von Gottes Allheit und Güte. Um die Furcht zu besiegen, genügt es daher nicht, eine Abwehrstellung einzunehmen. Man kann sich gegen das Böse nicht zaghaft verteidigen; man kann nicht versuchsweise sich selbst ein Gesetz sein — ein Gesetz, das das Gesetz Gottes ist. Unter der Randüberschrift „Halber Erfolg“ schreibt Mrs. Eddy in Wissenschaft und Gesundheit: „Es ist nicht weise, eine lahme und halbe Stellung einzunehmen oder zu erwarten, daß man gleichmäßig mit Geist und Materie, Wahrheit und Irrtum arbeiten könne. Es gibt nur einen Weg, der zum geistigen Sein führt, das ist Gott und Seine Idee.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 167; Und etwas weiter unten auf der Seite erklärt sie: „In bezug auf diesen fundamentalen Punkt ist furchtsamer Konservatismus durchaus unzulässig. Nur wenn man sich absolut auf Wahrheit verläßt, kann einem die wissenschaftlich heilende Kraft zur Wirklichkeit werden.“
Wir beseitigen die Wolke der Furcht, indem wir mit Bestimmtheit behaupten und, wenn nötig, immer wieder behaupten, daß jede entmutigende mentale Einflüsterung von uns bedrängender Furcht unwirklich ist, und indem wir diese Behauptung durch das Bewußtsein von der absoluten Macht der Wahrheit stärken.
Sollten die Einschüchterungen des Bösen eine körperliche Disharmonie betreffen, so haben wir in den folgenden Worten unserer Führerin Mrs. Eddy eine starke moralische Grundlage, um der gottlosen Lüge des Bösen zu widerstehen und sie zu vernichten: „Laßt uns Krankheit wie einen Geächteten verbannen und bei der Regel der immerwährenden Harmonie bleiben — bei dem Gesetz Gottes. Es ist des Menschen moralisches Recht, ein ungerechtes Urteil aufzuheben, ein Urteil, das niemals durch göttliche Vollmacht verhängt worden ist.“ S. 381;
Der Bericht von dem Hauptmann, der Jesus aufsuchte und ihn bat, zu kommen und seinen kranken Knecht zu heilen, veranschaulicht hervorragend den Glauben an die Macht des Christus, der Wahrheit. Die Botschaft, die er an den Meister sandte, ist ein Beispiel starken Widerstandes gegen die Furcht, eines Widerstandes, der von unerschütterlichem Glauben an die absolute Autorität inspiriert ist, die das christusgleiche Verständnis des Meisters über die dreisten Einschüchterungen des Bösen hatte.
Die Wichtigkeit dieser Einstellung, die weit davon entfernt war, nur eine Abwehrstellung zu sein, kam sogleich in folgendem Hinweis Christi Jesu zum Ausdruck: „Ich sage euch: Solchen Glauben habe ich in ganz Israel nicht gefunden.“ Luk. 7:9; Die Christliche Wissenschaft hilft uns, durch geistiges Wachstum diesen Glauben an die absolute Autorität der Wahrheit über das Böse zu erlangen.
Die Worte des Apostels Paulus an seinen jungen Schüler Timotheus bilden eine radikale Darlegung der Christlichen Wissenschaft. Wenn wir mit einem klaren Verständnis von ihrer grundlegenden Bedeutung und ihrer Wahrheit an ihr festhalten, können wir jede Einflüsterung von Furcht mit der geistigen Überzeugung überwinden: „Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Zucht.“ 2. Tim. 1:7.
