„Wer ist meine Mutter?“ Matth. 12:48;, fragte Christus Jesus, als ihm gesagt wurde, daß seine Mutter und seine Brüder mit ihm sprechen wollten. Mit dieser überraschenden Frage rüttelte er das Denken seiner Jünger wach und wies dann darauf hin, daß diejenigen seine wahren Verwandten wären, die den Willen seines himmlischen Vaters täten. Das bedeutet nicht, daß Jesus seine menschliche Mutter verschmähte. Die Tatsache, daß er sie liebte, wurde unverkennbar in seiner sanften Fürsorge für sie zum Ausdruck gebracht, als sie unter dem Kreuz stand. Liebevoll vertraute er sie der Fürsorge seines geliebten Jüngers, Johannes, an, wobei er zu ihr sagte: „Weib, siehe, das ist dein Sohn!“, und zu Johannes: „Siehe, das ist deine Mutter!“ Joh. 19:26, 27;
Jesus war sich in der Tat schon früh in seinem Leben seiner Verwandtschaft mit Gott bewußt. Als er erst zwölf Jahre alt war und seine Mutter sich um ihn sorgte, weil sie glaubte, er wäre verlorengegangen, antwortete Jesus: „Wisset ihr nicht, daß ich sein muß in dem, das meines Vaters ist?“ Luk. 2:49;
Im Gebet des Herrn wies Christus Jesus auf unsere wahre Verwandtschaft mit Gott in folgenden Worten hin: „Unser Vater in dem Himmel!“ Matth. 6:9; Mrs. Eddy macht es mit ihrer geistigen Auslegung dieser Zeile noch deutlicher: „Unser Vater-Mutter Gott, allharmonisch.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 16; Die Vorstellung von Gott als dem göttlichen Vater, der liebevoll für Seine Kinder sorgt, ist besonders ansprechend. Ein Kind vertraut seinen Eltern rückhaltlos, und es wird die Idee, daß Gott der Vater und die Mutter aller ist, bereitwillig annehmen. Dann wird es für dieses Kind ganz selbstverständlich sein, sich an Gott um Führung und Trost zu wenden, wenn es Hilfe braucht.
Es ist natürlich und auch richtig, daß Eltern sich für das Wohlergehen ihrer Kinder verantwortlich fühlen. Doch eine der wichtigsten Lektionen, die ein Kind gelehrt werden kann, ist die Tatsache, daß Gott sein Vater und seine Mutter ist, der Seine Kinder beschützt und leitet, wenn sie sich in ihren Gedanken an Ihn wenden.
Im Grunde genommen scheinen die Eltern die Idee von der Elternschaft Gottes schwerer anzunehmen als die Kinder. Besonders Mütter neigen zu einer Auffassung menschlicher Mutterschaft, die das Kind an sich binden will, was ein falsches Verantwortungsgefühl hervorruft. Unter dem Banne dieser Verblendung richten manche Mütter ihr Leben völlig nach dem Kinde aus und treiben es manchmal so weit, daß sie ihren Mann in den Hintergrund drängen und sich ausschließlich ihren Kindern widmen. Solch eine übertriebene Betreuung der Kinder wirkt sich auch nachteilig auf die Kinder selbst aus; sie neigen dazu, entweder selbstsüchtig und fordernd zu werden, oder sie fühlen sich eingeengt und unfrei. Aber wenn Eltern Gott als den wirklichen Vater und die wirkliche Mutter anerkennen, werden sie und auch ihre Kinder von dem unnatürlichen Verantwortungsgefühl befreit, und alle können als die Widerspiegelung des göttlichen Gemüts ihre individuellen Eigenschaften ungehindert zum Ausdruck bringen.
Das Aufgeben einer falschen menschlichen Auffassung von Elternschaft bedeutet nicht Mangel an Liebe, sondern es verlangt den Ausdruck selbstloser Liebe. Nur allzuoft stellt sich unter einer kritischen Selbstprüfung das, was Mutterliebe genannt wird, als Eigenliebe heraus, die tatsächlich überhaupt nichts mit Liebe zu tun hat. Wenn eine Mutter sich dessen bewußt wird, ist sie bereit, eine höhere Auffassung von Mutterschaft zu gewinnen, indem sie ihr Denken zur göttlichen Liebe erhebt. Dann kann sie erkennen, daß die Kinder in Wirklichkeit nicht ihre, sondern Gottes Kinder sind.
Ein richtiges Verantwortungsgefühl unter der Führung Gottes ist für das Aufziehen einer Familie natürlich notwendig. Eine Christliche Wissenschafterin, eine bekannte Pädagogin, bemerkte zu diesem Punkt: „Wir scheinen bei unseren menschlichen Beziehungen zu Extremen zu neigen, besonders, wenn es sich um unsere Kinder handelt. Wir übernehmen zuviel oder zuwenig Verantwortung. Zuviel, wenn wir nichts für ihren Vater-Mutter Gott zu tun übrig lassen. Zuwenig, wenn wir die Arbeit, die Gott von uns erwartet, nicht sorgfältig genug ausführen und dazu neigen, Gott unsere Arbeit für uns tun zu lassen.“ Mary Kimball Morgan in Education at The Principia, S. 57 ; In diesen wie in allen anderen Angelegenheiten müssen wir zuerst um göttliche Führung bitten, und dann müssen wir bereit sein, die notwendigen menschlichen Schritte zu tun, um der Führung des göttlichen Gemüts Folge zu leisten.
Mrs. Eddy weist auf die Verantwortlichkeit der Mütter hin, wenn sie sagt: „Die Mutter ist der mächtigste Erzieher, entweder für oder gegen das Verbrechen.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 236. Und im nächsten Abschnitt fügt sie hinzu: „Kinder sollten ihren Eltern gehorsam sein; Widersetzlichkeit ist ein Übel, das die Knospen der Selbstzucht verkümmern läßt.“ Dann macht sie die Feststellung, an die die Eltern denken sollten: „Kinder sind leichter zu lenken als Erwachsene und lernen bereitwilliger die einfachen Wahrheiten lieben, die sie glücklich und gut machen.“
In Wahrheit wollen die meisten Kinder Disziplin, wenn sie gerecht angewandt wird, weil sie ihnen als Richtschnur dient. Wenn man es zuläßt, daß Kinder ohne Disziplin aufwachsen, daß sie nicht daran gewöhnt werden, ihren Anteil an der Verantwortung zu übernehmen, sondern fortwährend darauf warten, bedient zu werden, daß sie kein Gefühl für die Anforderungen haben, die an einen guten Bürger gestellt werden — diese nachsichtige Haltung der Eltern ist wahrlich weit davon entfernt, die Kinder zu segnen, sie wird sie vielmehr für ein normales Leben in dieser komplizierten Welt ernstlich benachteiligen.
Angemessene Disziplin, die den Kindern liebevoll beigebracht wird, gibt ihnen ein Gefühl der Festigkeit und Sicherheit, das sie ohne sie unmöglich gewinnen können. Disziplin lehrt sie Gehorsam und Respekt gegen eine Autorität, die sie darauf vorbereiten, als gesetzestreue und ehrbare Bürger ihren Platz in der Welt einzunehmen. Disziplin lehrt sie, selbstlos zu sein und auf andere Rücksicht zu nehmen, auch lernen sie, freudig zu dienen. Sie ermöglicht ihnen, Selbstachtung und Befriedigung zu erlangen, wenn sie etwas erreicht haben, was der Mühe wert war.
Wenn die jungen Leute in dieser Weise erzogen werden, zeigen sie mehr Bereitwilligkeit, Gott zu lieben und Ihm zu gehorchen. Sie sind leichter dazu bereit, den selbstsüchtigen menschlichen Willen dem göttlichen Willen unterzuordnen und in ihrem Leben den Christus auszudrücken.
Andererseits können Eltern, die die Christliche Wissenschaft bei ihren Familienangelegenheiten anwenden, anstatt von zahllosen Problemen der Eltern-Kind-Beziehung übermannt zu werden, zu einer höheren Auffassung von Familie Zuflucht nehmen, indem sie die göttliche Liebe als den einen Vater-Mutter und Seine Kinder als geistige Ideen anerkennen. Wenn dann menschliche Probleme auftreten, sind die Eltern von falscher Verantwortlichkeit frei und finden es ganz natürlich, sich an das unendliche Gemüt um Führung und Hilfe zu wenden. Nichts ist wirklich verloren, sondern alles wird gewonnen, wenn sie ihre menschliche Auffassung von Elternschaft gegen die göttliche eintauschen und den himmlischen Vater ihr Leben regieren lassen.
