Unter Mut versteht man im allgemeinen die Bereitschaft und Kraft, etwas zu wagen und der Gefahr und Furcht zu begegnen. Viele vertreten auch die Ansicht, daß man den Mut pflegen müsse, um die Furcht zu meistern. Oft wird jedoch unter Mut nur ein Selbstvertrauen verstanden, das sich auf physische Stärke und Geschicklichkeit gründet, oder eine unbesonnene Neigung, Handlungen von verwegener Kühnheit zu begehen. Die Christliche Wissenschaft zeigt klar, daß wenn Mut wirklich etwas Höheres und Wirkungsvolleres sein soll als eine dieser Launen des sterblichen Gemüts, er aus dem Verständnis der Wahrheit des Seins kommen muß, denn dieses Verständnis schließt die wissenschaftliche Erklärung der wahren Bedeutung nicht nur des Mutes, sondern auch der Furcht ein.
Was ist also Mut, was ist Furcht? Und was sind wir, daß uns je der Mut fehlen könnte, einer Bedrohung die Stirn zu bieten? Wenn der Mensch, wie die materiellen Sinne bezeugen, nichts weiter ist als ein sterbliches Wesen in einem materiellen Körper mit einem begrenzten Gemüt darin, das sowohl guter als auch böser Gedanken und Impulse fähig ist, ein Geschöpf, das den Gefahren und Launen eines materiellen Universums ausgesetzt ist, dann hätte er sicherlich triftige Gründe, die Drohungen des Bösen, die Wechselfälle des Glücks und alle anderen Wirkungen eines auf die Materie gegründeten Denkens, des eigenen wie des Denkens anderer Leute, zu fürchten.
In Beantwortung der uralten Frage über die wahre Natur des Menschen schreibt unsere inspirierte Führerin Mrs. Eddy in Wissenschaft und Gesundheit: „Die Heilige Schrift belehrt uns, daß der Mensch zu Gottes Bild und Gleichnis geschaffen ist. Die Materie ist nicht dieses Gleichnis. Das Gleichnis des Geistes kann dem Geist nicht so unähnlich sein. Der Mensch ist geistig und vollkommen, und weil er geistig und vollkommen ist, muß er in der Christlichen Wissenschaft also verstanden werden.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 475; Und in bezug auf die materiellen Gesetze, deren erbarmungsloses Wirken der Annahme nach eine plötzliche Wendung unseres Glücks hervorrufen kann, versichert sie uns: „Die Annahme, das Universum, einschließlich des Menschen, werde im allgemeinen von materiellen Gesetzen regiert, aber Geist setze diese Gesetze gelegentlich beiseite — diese Annahme setzt die allmächtige Weisheit herab und gibt der Materie den Vorrang vor Geist.“ S. 83;
Wenn wir Gott als den alleinigen Gesetzgeber für Seine geistige Widerspiegelung, den Menschen, verstehen, dann wird es im Lichte dieser Wahrheiten klar, daß unser Vertrauen auf Ihn eine weit größere Wirkung auf uns ausübt als die Fähigkeit, nur einigen Angriffen der Furcht zu widerstehen. Während wir zum Beispiel den Bedrohungen durch körperliche Gefahren gewachsen und auch fähig sein mögen, böse Ahnungen von drohendem Verlust, von geschäftlichem Risiko und von drohungen, die durch radikale soziale Umwälzungen hervorgerufen werden können, aus unserem Denken auszuschließen, mögen wir trotzdem furchtsam und verwirrt werden, wenn wir uns der allgemeinen Beunruhigung gegenübersehen, die eine herannahende Welle irgendeiner ansteckenden Krankheit auslöst.
Wahre Herrschaft über alle Furcht ist das Ergebnis unserer wissenschaftlichen Überzeugung, daß Gott — das göttliche Prinzip — das Leben, das Gemüt, das einzige Gesetz und die einzige Macht ist, die regiert, herrscht und so das ununterbrochene Wohlergehen Seines eigenen unendlichen Ausdrucks sicherstellt: des geistigen Universums Seiner Ideen, in dem der Mensch lebt und sein ganzes Sein hat. Da das Böse unmöglich eine Bedrohung für die Wahrheit, das göttliche Gemüt, darstellen kann, kann es auch keine Bedrohung für die Idee des Gemüts, den Menschen — für uns, wie wir in Wirklichkeit sind — darstellen. In der unendlichen Gegenwart des allwirkenden, göttlichen Gemüts sind daher die Drohungen des Bösen unwirklich, leer. Daher ist auch die Furcht vor ihnen unnötig, denn sie ist tatsächlich unbegründet. Wenn wir diese Tatsachen verstehen, sind wir sehr wohl imstande, jeder geistlosen Einflüsterung die Stirn zu bieten und sie zu überwinden — daß nämlich Gottes Plan des Guten, den Er für uns hegt und der unsere Sicherheit, unser allgemeines Wohlergehen und unser Glück mit einschließt, möglicherweise durch irgendein Zusammentreffen menschlicher Umstände behindert, bedroht oder zunichte gemacht werden könnte.
Von Gott stammender Mut, den die Menschen widerspiegeln, ist wahre Furchtlosigkeit; er ist niemals aggressiv, ist niemals überheblich herausfordernd, sondern ist ein natürlicher Schutz, denn er ist untrennbar von der Weisheit und Liebe, die wesentliche Eigenschaften der allmächtigen Fürsorge Gottes für Seine Kinder sind. Alle, die von dieser Wahrheit innerlich überzeugt sind, die ihr Wesen verstehen, auf sie vertrauen und sich ernstlich bemühen, ihr Leben davon inspirieren zu lassen, werden sicher geleitet.
Solcher Mut ist geistig; er ist wahre Furchtlosigkeit, unabhängig von physischer Stärke, von materiellen Reichtümern oder gesellschaftlicher Stellung. Er ist nicht eigenwillig, sucht nichts in menschlicher Weise zu erzwingen, sondern ist göttlich gewiß. Er ist nicht angeboren, denn er ist ein wesentliches Ergebnis unseres geistigen Fortschritts in der Christlichen Wissenschaft; er ist daher eine individuelle Errungenschaft. Er stärkt und festigt richtige Entschlossenheit und ermöglicht die freie Entfaltung unserer besten Fähigkeiten und die Erfüllung unseres gottgegebenen geistigen Zweckes. Solche Furchtlosigkeit vermindert sich nicht mit zunehmendem Alter, sondern wird zu einer ruhigen und sich immer mehr vertiefenden Gewißheit, daß die göttliche Liebe über alles siegen wird, was ihre wohltuende, beschützende und leitende Tätigkeit zum Nutzen ihrer Kinder stören könnte.
Furchtlosigkeit kommt aus dem wissenschaftlichen Glauben an die alleinige Wirklichkeit und volle Wirksamkeit der unaufhörlichen Tätigkeit des Gemüts; sie stärkt denjenigen, der sie besitzt, und bewahrt ihn davor, bei den Mitteln und Methoden des sterblichen Gemüts Hilfe zu suchen, wenn er einer Bedrohung durch das Böse ausgesetzt ist. Sie wird ihn befähigen, sich den inneren Frieden und die wissenschaftliche Gewißheit des unantastbaren Guten zu bewahren, die nur die hingebungsvolle tägliche Unterordnung unter die Forderungen der göttlichen Liebe verleihen kann.
Ein neutestamentlicher Schreiber erkannte diese Tatsache, als er erklärte: wenn wir dem Gesetz Gottes gemäß leben, „so dürfen auch wir getrost sagen:, Der Herr ist mein Helfer, ich will mich nicht fürchten; was sollte mir ein Mensch tun?‘ “ Hebr. 13:6;
Christus Jesus gab uns angesichts der schrecklichsten Einschüchterungsversuche des Bösen ein vollkommenes Beispiel ruhiger Furchtlosigkeit. Von allen Seiten wurde er von dem Haß derjenigen bedrängt, die er sich zum Feind gemacht hatte, weil er angesichts ihrer Forderungen nach materialistischem, starrem Formalismus die Wahrheit über des Menschen geistige Freiheit lehrte. Obwohl er wußte, daß seine Person bedroht war, führte er unerschrocken seine Mission fort, die ihm von Gott übertragen worden war. Er sprach zu seinen Zuhörern von Gottes allerhabener Macht und Bereitwilligkeit, alle ihre Nöte zu stillen, sie in allen Lebenslagen zu schützen, wenn sie sich nur an Ihn um Hilfe wenden würden. Er sagte: „Fraget nicht danach, was ihr essen oder was ihr trinken sollt, und machet euch keine Unruhe. Nach solchem allen trachten die Heiden in der Welt; aber euer Vater weiß wohl, daß ihr des bedürfet. Trachtet vielmehr nach seinem Reich, so wird euch das alles zufallen. Fürchte dich nicht, du kleine Herde! Denn es ist eures Vaters Wohlgefallen, euch das Reich zu geben.“ Luk. 12:29–32;
Die furchtlose Haltung angesichts der Drohungen des Bösen erwächst aus dem Glauben an die allweise, allmächtige, allwirkende Liebe Gottes. Daher lassen sich geistiges Verständnis, Glaube und die Demonstration unsterblichen Mutes nicht voneinander trennen. Sie sind die Gaben des durch die Christliche Wissenschaft verstandenen Christus, der Wahrheit. Sie können jede Krise auflösen, uns in jeder Situation schützen und erhalten. Wenn wir Gott aus tiefstem Herzen lieben, wenn wir Seine Führung annehmen und danach leben, wird die Furchtlosigkeit, die aus einer geistigen Gewißheit geboren ist, das Krumme gerade und das Hügelige für uns eben machen, denn wir werden in der sicheren und freudevollen Gegenwart Gottes leben, und die Worte unserer Führerin werden sich bewahrheiten: „Unsterblicher Mut erfüllt die menschliche Brust und erleuchtet den lebendigen Weg des Lebens.“ The First Church of Christ, Scientist, and Miscellany, S. 191.