Der Erste Jesaja, wie der Verfasser der Kapitel 1–39 des Buches Jesaja oft bezeichnet wird, scheint in Jerusalem zu Hause gewesen zu sein. Die Beziehungen, die er offenbar zu vier regierenden Königen hatte, lassen vermuten, daß er ein Mann von Rang und ein vertrauenswürdiger Berater war.
Hosea war an der Außenpolitik interessiert, die Israel mit den Ländern im Norden verfolgte, aber Jesaja, der Sohn des Amoz, war nicht nur wie Hosea ein inspirierter Prophet, sondern auch ein erfahrener Staatsmann, der in den äußeren und inneren staatlichen Angelegenheiten Judas fast ein halbes Jahrhundert beratend wirkte.
Jesajas Mission und die hauptsächlichen Punkte seiner Lehren werden viel klarer, wenn man sich ins Gedächtnis zurückruft, wie er in seine Aufgabe der Prophezeiung eingeführt wurde. Als er im Tempel von Jerusalem betete, „sah [er] den Herrn sitzen auf einem hohen und erhabenen Thron“ (Jes. 6:1), umgeben von beflügelten und engelhaften Geschöpfen, die ihn mit den Worten: „Heilig, heilig, heilig ist der Herr Zebaoth, alle Lande sind seiner Ehre voll“ (Vers 3) in seiner Auffassung von der Beschaffenheit und der Macht des Höchsten Wesens bestärkten.
Anfänglich machte Jesaja den Mangel an Reinheit geltend, den er selbst und sein Volk im Gegensatz zur höchsten Heiligkeit und Majestät der Gottheit aufwiesen. Als er jedoch überzeugt war, daß er jetzt von der Sünde gereinigt war, reagierte er freudig auf die göttliche Aufforderung: „Wen soll ich senden? Wer will unser Bote sein?“ mit den klaren Worten: „Hier bin ich, sende mich“ (Vers 8).
Den dreimaligen Hinweis auf die Heiligkeit Gottes, der Jesaja im Augenblick seiner Berufung so tief beeindruckt hatte, vergaß er nicht, denn er weist wiederholt auf Gott als auf „den Heiligen Israels“ (10:20 usw.) hin. Für ihn war Gott in erster Linie heilig, und er stellte sich vor, wie die Herrlichkeit dieser Heiligkeit sich über die ganze Welt erstreckte.
Etwa 736 v. Chr. wurde Jesaja von dem Herrn inspiriert, Ahas, den König von Juda (7:3), um eine Audienz zu ersuchen. Ahas erwartete, daß die vereinigten Armeen des nördlichen Israel und von Damaskus Jerusalem angreifen würden. In seiner höchsten Angst — er erwartete das Schlimmste — war er versucht, bei dem heidnischen Reich der Assyrer um Hilfe zu bitten, was er schließlich auch tat. Aber Jesajas weiser Rat lautete, daß Ahas Gott vertrauen und die Furcht bannen sollte. „Hüte dich und bleibe still; fürchte dich nicht“, rief der Prophet (Vers 4) und fügte bezüglich der schwebenden Krise hinzu: „So spricht Gott der Herr: Es soll nicht geschehen und nicht so gehen“ (Vers 7) und warnte: „Glaubt ihr nicht, so bleibt ihr nicht“ (Vers 9).
Ein weiteres Beispiel für Jesajas Besorgnis um die Angelegenheiten seines Landes, die sich mit seinem inbrünstigen Glauben an Gott verband, ist in dem letzten Jahr der Regierung Ahas zu erkennen (siehe 14:28–32). Anscheinend hatten sich die Philister (das Volk des Philisterlandes oder Palästinas) um Judas Unterstützung bemüht, um Assyrien anzugreifen. Jesaja antwortete entschieden: „Der Herr hat Zion gegründet, und hier werden die Elenden seines Volks Zuflucht haben“ (Vers 32), anstatt bei einem heidnischen Volksstamm oder Reich.
Als sich die Juden an die Ägypter um Unterstützung wandten, erinnerte Jesaja sie: „Ägypten ist nichts, und sein Helfen ist vergeblich“ (30:7), und: „Durch Stillesein und Hoffen würdet ihr stark sein“ (Vers 15).
Noch später, als die Assyrer die Tore Jerusalems stürmten und Hiskia um Hilfe betete, schrieb Jesaja freudig Gottes Antwort nieder: „Darum spricht der Herr über den König von Assyrien: Er soll nicht in diese Stadt kommen, ... denn ich will diese Stadt schützen, daß ich sie errette“ (37:33, 35). Und der Glaube des Propheten war gerechtfertigt.
