„Wie kann ich die Christliche Wissenschaft erfassen, wenn sie doch allem, was ich weiß, genau entgegengesetzt ist? Soll ich alles vergessen, was ich auf der Hochschule gelernt habe, alles, was ich in meiner beruflichen Tätigkeit erlebt und bewiesen habe? Ich bin nun einmal ein Tatsachenmensch, und da ist es für mich völlig unmöglich, etwas zu akzeptieren, was so unbestimmt und nebelhaft ist, wie es geistige Feststellungen sind!
Beim Heilen körperlicher Leiden untersucht die medizinische Praxis natürlicherweise den Körper, denn er enthält die Krankheit. Meine Frage ist: Wie kann die Christliche Wissenschaft meinen Körper heilen, wenn sie ihn doch ignoriert? Das ergibt für mich keinen Sinn.
Ich kann verstehen, daß es der Christlichen Wissenschaft gelingen mag, jemanden dazu zu überreden, übermäßiges Trinken oder Rauchen aufzugeben, indem sie ihn auf die schädlichen körperlichen Wirkungen dieser Gewohnheiten hinweist und ihm so eine gewisse Furcht davor einflößt oder indem sie ihm vielleicht die Kunst der Selbsthypnose beibringt. Aber ich kann nicht glauben, daß die Christliche Wissenschaft eine schlecht funktionierende Niere oder ein schwaches Herz in ein gesundes Organ verwandeln kann, einfach dadurch, daß man darßber nachdenkt. Ich bin bereit, vernünftig zu argumentieren, aber ich kann nicht etwas einfach blindlings annehmen.“
Diese Fragen deuten auf einige der grundlegenden Zweifel und auf den Unglauben derjenigen hin, die versuchen, die Christliche Wissenschaft vom Standpunkt der materiellen Sinne aus zu erforschen.
Wenn ein Fragesteller aber so denkt, warum will er sich dann mit der Christlichen Wissenschaft befassen? Könnte er es nicht deswegen tun, weil sein augenblicklicher Standpunkt ihn nicht befriedigt, da er erkannt hat, daß dieser keine wirkliche Lösung für die Probleme des menschlichen Lebens bietet? In Wissenschaft und Gesundheit erklärt Mrs. Eddy den Grund für ein solches Forschen, wenn sie schreibt: „Die Zeit für Denker ist gekommen. Unabhängig von Glaubenslehren und altehrwürdigen Systemen pocht die Wahrheit an die Pforte der Menschheit. Die Zufriedenheit mit der Vergangenheit und das kalte Formenwesen des Materialismus sind im Zerfall begriffen.“ Wissenschaft und Gesundheit, Vorw., S. vii;
Wenn der Fragesteller bereit ist, logisch zu denken, wird es nicht schwer sein, ihm zu seiner Zufriedenheit zu erklären, daß eine wahre Idee nicht etwas Nebelhaftes ist, nur weil man sie nicht mit den Händen berühren kann. Denn obwohl sie außerhalb des Bereiches der materiellen Sinne ist, ist sie klar erkennbar und eindeutig. Wir können sie durch den geistigen Sinn der Intelligenz wahrnehmen, verstehen oder sehen, und der geistige Sinn deutet auf Bewußtsein hin, das etwas Geistiges ist, das in Wirklichkeit nicht in einen materiellen Behälter eingeschlossen werden kann. Tatsächlich, so lehrt die Christliche Wissenschaft, ist der Mensch folgendes: ein individuelles geistiges Wesen oder Bewußtsein, und nicht das, wovon die physischen Sinne Zeugnis ablegen — soundsoviel Pfund Fleisch und Knochen.
Wir wollen uns jetzt die Frage stellen, wo dieses bewußte lebendige Wesen herkommt. Ja, wo kommt eine wahre oder lebendige Idee her? Offensichtlich ist sie von endloser Dauer. Der Mensch ist die geistige Widerspiegelung oder Idee des Geistes, des ewigen Lebens, von absoluter Wirklichkeit, in der Christlichen Wissenschaft Wahrheit genannt. Da die Wahrheit alles einschließt oder weiß, was es zu wissen gibt — alle Wirklichkeit —, ist sie Gemüt, universal, unendlich, daher das Eine. Sie ist Gott, das göttliche Prinzip, die Quelle und der Geber all Seiner eigenen Eigenschaften. Daher ist Er göttliche Liebe. Der Apostel Johannes erkannte dies, denn er erklärte: „Gott ist Liebe; und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm.“ 1. Joh. 4:16;
Der Mensch lebt also in Wirklichkeit in der göttlichen Liebe. Er ist die individuelle geistige Widerspiegelung Gottes, des Geistes. Wie können wir dieses geistige Wesen identifizieren? Die Identität eines materiellen Sterblichen ist ein materieller Körper; ein individuelles Bewußtsein jedoch besitzt keine materielle Form. Daher kann der Mensch, wie er in Wirklichkeit ist, nur geistig identifiziert werden. Seine wahre Identität, durch die wir ihn erkennen, besteht aus all den Eigenschaften und Fähigkeiten, die dazu dienen, ihn mit seinem Ursprung, dem göttlichen Gemüt oder Gott, zu identifizieren.
Die Christliche Wissenschaft erklärt erneut in wissenschaftlicher Weise die grundlegende Wahrheit, daß der Mensch der geistige Sprößling oder das geistige Gleichnis Gottes ist, wie sie ganz eindeutig im 1. Buch Mose verkündet wird, das vom Ursprung des Menschen handelt. Wir lesen dort: „Und Gott sprach: Lasset uns Menschen machen, ein Bild, das uns gleich sei... Und Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn.“ 1. Mose 1:26, 27; Die alten orthodoxen Lehren, die den materiellen Sinn als ihren Führer zur Wahrheit akzeptierten, legten diese Feststellung falsch aus. Mrs. Eddy kehrt diesen grundlegenden Irrtum um und schreibt: „Die menschliche Philosophie hat Gott dem Menschen ähnlich gemacht. Die Christliche Wissenschaft macht den Menschen Gott ähnlich. Das erstere ist Irrtum, das letztere ist Wahrheit. Die Metaphysik steht über der Physik, und bei metaphysischen Prämissen und Schlußfolgerungen kommt die Materie nicht in Frage. Die Kategorien der Metaphysik beruhen auf einer Grundlage, dem göttlichen Gemüt.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 269;
Demgemäß beschreibt Mrs. Eddy den Menschen in Wissenschaft und Gesundheit zum Teil so: „Der Mensch ist nicht Materie; er besteht nicht aus Gehirn, Blut, Knochen und anderen materiellen Elementen. Die Heilige Schrift belehrt uns, daß der Mensch zu Gottes Bild und Gleichnis geschaffen ist. Die Materie ist nicht dieses Gleichnis. Das Gleichnis des Geistes kann dem Geist nicht so unähnlich sein. Der Mensch ist geistig und vollkommen, und weil er geistig und vollkommen ist, muß er in der Christlichen Wissenschaft also verstanden werden. Der Mensch ist Idee, das Bild der Liebe; er ist kein körperlicher Organismus.“ S. 475;
Was ist eigentlich der Materie-Körper? Und was sind seine Krankheiten? Die Christliche Wissenschaft erläutert, daß wir, wenn wir Krankheit irgendwelcher Art heilen wollen, folgendes verstehen müssen: Das sterbliche menschliche Gemüt ist von sich aus unwissend über alles, was es nicht mit den materiellen Sinnen wahrnehmen und beweisen kann; es ist sich nur seiner eigenen Auffassungen oder Illusionen bewußt, die es als Dinge außerhalb seiner selbst ansieht.
Daraus folgt, daß jeder körperliche Zustand nur der Ausdruck einer Annahme des materiellen sogenannten Gemüts ist, eine Phase seiner falschen Auffassung von dem wahren oder geistigen, vollkommenen Menschen. Um daher den Materie-Körper zu heilen, müssen wir die falsche materielle Annahme berichtigen, da der fleischliche Leib nur der äußere Ausdruck dieser Annahme ist. Dies kann jedoch nur durch das geistige Verständnis vom wahren Wesen des Menschen geschehen, das durch Christus, Wahrheit, dem menschlichen Bewußtsein nahegebracht wird, so wie es in der Christlichen Wissenschaft vollständig erläutert und wirksam gelehrt wird.
Wenn der Irrtum im Denken des kranken Menschen durch das Verständnis der Erklärungen über die geistigen Tatsachen des Seins berichtigt ist und dies im Geiste der Liebe für Gott und Seine Kinder geschehen ist, wird — und muß — die körperliche Disharmonie verschwinden, denn wenn das Rufen aufhört, bleibt auch das Echo aus.
Obwohl ihre Mittel und Wege materiell nicht wahrnehmbar sind, ist die Christliche Wissenschaft nichts Geheimnisvolles. Sie ist die Offenbarwerdung der tatsächlichen Wissenschaft, die dem Leben und Wirken Christi Jesu zugrunde liegt, der als erster in der ganzen menschlichen Geschichte die Wissenschaft des Lebens lebte, lehrte und bewies und dadurch der Menschheit die Möglichkeiten für einen umfassenden geistigen Fortschritt eröffnete.
Der Meister ließ keinen Zweifel darüber bestehen — weder im Denken seiner Zuhörer noch in unserem Denken —, daß seine göttlichen, erneuernden Werke durch jeden vollbracht werden können, der den Christus-Charakter wirklich zu seinem Vorbild macht, denn er erklärte: „Wer an mich glaubt, der wird die Werke auch tun, die ich tue, und wird größere als diese tun, denn ich gehe zum Vater.“ Joh. 14:12.
Wenn es auch einige Zeit dauern mag, bis die ganze Menschheit zu dem Verständnis der Wissenschaft der Lehren des Meisters heranreift, sollte das uns nur um so mehr dazu anspornen, unseren eigenen geistigen Aufstieg zu beginnen — ohne zu zaudern und ohne zurückzuschauen.
